Fairness und Hilfsbereitschaft dürfen nicht als „dumm“ hingestellt werden
Stuttgart, 5. Februar – Gutes tun wird heutzutage oft belächelt. Menschen, die sich in die Gesellschaft einbringen, Verantwortung übernehmen, werden sogar herablassend als „Gutmenschen“ bezeichnet. Rechte Gruppen haben die Missdeutung des Begriffs „Gutmensch“ auf die Spitze getrieben: Sie diffamieren damit Fairness und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd. 2015 wurde der „Gutmensch“ sogar zum Unwort des Jahres erklärt. Die Caritas macht sich daran, die Aussage des Wortes zu wenden. Sie will es nicht länger hinnehmen, dass Menschen, die für die Gesellschaft aktiv sind und Position für Toleranz beziehen, derart herabgestuft werden. Im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart warb die Caritas Baden-Württemberg bei ihrer Jahresauftaktveranstaltung dafür, sich offensiv zu den demokratischen Werten zu bekennen und bewusst für eine hilfsbereite, menschenfreundliche Gesellschaft einzutreten. Ganz im Sinne der diesjährigen Caritas-Kampagne „Sei gut, Mensch!“.
„Als Caritas gehört es zu unserem Selbstverständnis, das Miteinander der Menschen zu fördern. Solidaritätsstifter zu sein bedeutet, dass wir uns dafür einsetzen, dass alle Menschen in unserem Gemeinwesen gleichermaßen eine lebenswerte Zukunftsperspektive haben“, sagte Caritasdirektor Ordinariatsrat Thomas Herkert (Freiburg) vor rund 200 Gästen aus Politik, Medien, Kirche und Wissenschaft. Es könne sein, dass die Leute von Caritas und Diakonie in den Augen mancher wie Sozialromantiker dastünden. „Wir werden uns aber nicht abhalten lassen, diese Gesellschaft auf der Basis unseres Menschen- und Gottesbildes mitzugestalten.“
Wie der Aufruf „Sei gut, Mensch!“ in soziales und politisches Engagement münden kann, skizzierte der Kölner Journalist und Philosoph Jürgen Wiebicke. „Wir müssen „Haltung“ einnehmen anstelle einer Gesinnung. Und Haltung einzuüben heißt für mich, den Muskel zu trainieren, den man braucht, um ein engagiertes Leben zu führen. Wie das geht? Es ist wie beim Sport: man muss einfach damit beginnen.“ Für Wiebicke gilt es die Substanz unserer Demokratie zu verteidigen gegenüber Menschen, die diese immer lauter und heftiger verachteten. „Es reicht nicht mehr, bei Wahlen ein Kreuzchen zu machen. Wir müssen ständig an unserer Demokratie bauen.“
„Caritasarbeit ist Demokratiearbeit“, betonte Caritasdirektor Pfarrer Oliver Merkelbach (Rottenburg-Stuttgart). „Dabei umfasst Demokratie für uns nicht nur eine Staatsform, sondern eine Lebensform der Vielfalt.“ Die Caritas-Mitarbeitenden trügen tagtäglich durch ihre Arbeit zum Gelingen dieser Vielfaltsgesellschaft bei, damit Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, sexueller Identitäten, Religionen und Lebensformen respektvoll zusammenleben können. „Diese Vielfalt gilt es zu gestalten. Wir begreifen sie als Bereicherung und Herausforderung.“
Caritas-Journalistenpreis würdigt herausragende publizistische Leistungen
In der Veranstaltung wurden vier Journalistinnen und Journalisten mit dem 31. Caritas-Journalistenpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Mit ihren herausragenden Beiträgen halten sie, so die beiden Caritasdirektoren, „den Sinn für die sozialen Anliegen in unserer Gesellschaft wach“.
Den mit 3.000 Euro dotierten ersten Preis erhielt die Filmemacherin Denise Dismer. In ihrem Film „Kein Recht auf Familie?“ erzählt sie von der bedrückenden Situation einer aus Syrien geflüchteten Lehrerin, die seit 2015 im badischen Bad Schönborn lebt, während ihr Mann mit den vier gemeinsamen Kindern in einem Flüchtlingslager im Libanon untergekommen ist. Einzig über das Mobiltelefon kann sie zur Familie Kontakt halten. Der Film zeigt die Härte unserer Rechtsrealität gegenüber Menschen, die sich in Deutschland integrieren wollen und schildert, welch großes Dilemma die Trennung für die Familie darstellt.
Der zweite Preis mit einem Preisgeld von 1.500 Euro ging an Lisa Welzhofer für ihren Beitrag „Die letzte Wache“. In ihrem Porträt beschreibt sie einen Mann, der tagsüber als Manager in einer Technikfirma arbeitet und nachts am Bett eines sterbenden Menschen sitzt. Dabei wahrt die Autorin eine respektvolle Distanz so-wohl zu dem Schwerkranken als auch zu seiner Sitzwache und bringt gerade dadurch sehr treffend „rüber“, dass schon wenige Stunden Engagement genügen, um Existenzielles für den Sterbenden, aber auch für den Engagierten selbst und letztlich für die ganze Gesellschaft zu leisten.
Ebenfalls mit einem zweiten Preis ausgezeichnet wurde Katrin Blum für ihre Reportage „Aus den Augen“. Sie erzählt die Geschichte einer Männerrunde, die ihren schwerstbehinderten Freund besucht, der mehrere Schlaganfälle erlitten hat. Als Jugendliche verband sie das Basketballspiel. Blum erzählt die Geschichte einer schweren und doch schönen Reise, die kein Happy-End in der Sache hat, denn die Schwerstbehinderung des Freundes wird bleiben. Jedoch gelingt der Autorin ein eindrückliches Plädoyer für Menschlichkeit und gemeinsam verbrachte Zeit.
Mit einer „Lobenden Erwähnung“ wurde Edgar Verheyen für seinen Film „Betrifft – Paketfahrer. Ausgebeutet für den Onlineboom?“ ausgezeichnet. Er zeigt das knallharte Geschäft der Paketdienste, in dem viele ausländische Fahrer weit unter dem Mindestlohn arbeiten und skrupellos ausgebeutet werden. Die Fernsehreportage konfrontiert uns mit der Kehrseite unseres Konsumverhaltens und mit dem schlechten Gewissen unseres Nichtwissenwollens. Verheyens investigativer und aufwändig recherchierter Beitrag ist ein Lehrstück über Kollateralschäden des Kapitalismus, die viel zu wenig im öffentlichen Bewusstsein sind.
Der unabhängigen Jury lagen 60 Beiträge vor, die in Presse, Hörfunk, Fernsehen und Online erschienen sind.
Bilder der Veranstaltung stehen ab Donnerstag, 6. Februar, 12 Uhr als Download unter www.caritas-rottenburg-stuttgart.de/was-wir-sagen/presse/downloads/jahresauftakt-2020 zur Verfügung.
Als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche vertritt die Caritas Baden-Württemberg rund 3.800 Einrichtungen mit mehr als 175.000 Plätzen in unterschiedlichen Hilfefeldern, in denen 65.000 Mitarbeiter/innen tätig sind.
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