Doch Flüchtlingsdebatte überlagert momentan alles
Von Ansgar Lange +++ Deutschland ist langfristig auf Zuwanderung angewiesen. Davon ist der Personalexperte Michael Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de , zutiefst überzeugt. Doch zurzeit sei eine sachliche und interessengeleitete Debatte über dieses für die wirtschaftliche Zukunft des Landes so wichtige Thema nicht möglich. „Die Flüchtlingsdebatte überlagert momentan alles. Deutschland hat in der letzten Zeit seine Balance verloren. Zumindest die veröffentlichte Meinung zeigt das Bild eines zerrissenen Landes, das zwischen den Extremen schwankt. Zunächst wurde eine schon fast rauschhafte Willkommenskultur gefeiert. Zuwanderung als Party, als Sommermärchen. Relativ schnell trat die Ernüchterung ein. Nach dem Rausch folgte der Kater. Momentan dominiert bei vielen eine sehr negative Sichtweise. Doch eins ist klar: Jeder durchschnittliche Asylbewerber, der zu uns kommt, ist weder ein syrischer Chefarzt noch ein Krimineller. Der Untergang des Abendlandes steht nicht vor der Tür. Es ist höchste Zeit für eine vernünftige Diskussion. Und wir müssen erkennen: Auch wenn zurzeit sehr viele Menschen aufgrund von Verfolgung und auch aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, brauchen wir auf lange Sicht eine kontrollierte Zuwanderung, die sich an den wirtschaftlichen Interessen dieses Landes ausrichtet, so wie es auch in Kanada oder den USA der Fall ist“, sagt Zondler.
Weder Steve Jobs noch Krimineller
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat jüngst zu Recht betont, dass derjenige, der Asylbewerber grundsätzlich für Kriminelle hält, „ohnehin nicht ernst genommen“ werden dürfe: „Nicht seriös ist es freilich auch, wenn sogenannte Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft und Politik allen Ernstes glauben machen wollen, der durchschnittliche Flüchtling sei ein neuer Steve Jobs – und der Fachkräftemangel durch den Zustrom schon so gut wie gelöst.“
Moral, Ideologie und die vermeintlich gute Gesinnung sind oft schlechte Ratgeber für gesellschaftliche Debatten. Marc Beise, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung, wirft in seiner Streitschrift „Wir brauchen die Flüchtlinge!“ https://szshop.sueddeutsche.de/Lesen/Streitschrift/Wir-brauchen-die-Fluechtlinge.html bei allem Pathos, dass er bisweilen an den Tag legt, denn auch einen betont ökonomischen Blick auf die neue Zuwanderungswelle. Er hält die deutsche Willkommenskultur international sogar für einen Wettbewerbsvorteil. Das auf Exporte angewiesene Deutschland könne so sein Image als weltoffenes Land festigen. Zwar kosteten Zuwanderer zunächst. Doch langfristig zahlten sie Steuern und Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit sei der Schlüssel zu einer gelingenden Integration. Lange Zeit sei das System darauf ausgerichtet, Asylsuchende vom Arbeitsmarkt fernzuhalten, doch angesichts der schieren Masse an Menschen verbietet sich dies bei Personen mit echter Bleibeperspektive.
Willkommenskultur als Wettbewerbsvorteil
Doch Beise weiß auch, dass Moral nicht ohne Kalkül auskommt. Deutschland brauche ein Einwanderungsrecht. Irgendwann sei eine Grenze der Zuwanderung erreicht und eine Rückkehr „zu einem geordneten Grenzsystem“ notwendig. „Ob man diesen Zeitpunkt dann als Obergrenze oder nicht definiert, ist eine rein theoretische Diskussion, die nichts bringt“, sagt Zondler. „Bisher stand ich einem Zuwanderungsrecht eher skeptisch gegenüber, weil man allein mit einem Gesetz noch keine qualifizierten Fachkräfte nach Deutschland „lockt“. Doch mittlerweile ist klar, dass Deutschland ein Einwanderungsland geworden ist. Doch wir müssen die Begriffe wieder sauber unterscheiden. Zum einen müssen wir denjenigen, die wegen Verfolgung zu uns kommen, ein Gastrecht gewähren. Dies kann auch zeitlich befristet sein, bis sich die Verhältnisse in den Herkunftsländern wieder verbessert haben. Hier sind wirtschaftliche Überlegungen nicht vordringlich. Zum anderen müssen wir aber einen genauen Kriterienkatalog festlegen, welche Zuwanderung wir aus demographischen und rein ökonomischen Gründen wir in Zukunft brauchen.“
„Doch machen wir uns nichts vor: Wegen der hohen Dichte an Bürokratie und auch an Steuer- und Sozialabgaben sind wir für viele Zuwanderer kein attraktives Land“, so der centomo-Chef. Und wir müssten endlich etwas in puncto Sprache unternehmen: „Meiner Meinung nach ist es aber vor allem die Sprachbarriere, die zum Beispiel Asiaten verleitet, eher nach Kanada oder in die USA zu gehen statt nach Deutschland. Um hieran etwas zu ändern, müsste – wie in den Niederlanden und skandinavischen Ländern auch – die englische Sprache für uns Deutsche so selbstverständlich sein wie unsere Muttersprache“, meint Zondler.
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