• 23. Dezember 2024

Food Fraud: Lebensmittel auf dem Prüfstand

ByPressemitteilungen

Okt 15, 2015

Food Fraud: Lebensmittel auf dem Prüfstand

qualityaustria Lebensmittelforum: v.l.n.r.: Massani, S. Greimel, A. Greimel, Lidauer, Wieninger (Bildquelle: © Anna Rauchenberger)

Das diesjährige qualityaustria Lebensmittelforum brachte am 14. Oktober 2015 mehr als 100 Vertreter aus der Lebensmittel- und Reinigungsbranche ins LFI in Linz. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Bekämpfung von Lebensmittelbetrug, die Steigerung von Lebensmittelsicherheit sowie innovative Reinigungskonzepte.

Leere Versprechen
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) erfasst seit 2012 Beschwerden über Lebensmittel, die nicht das halten, was sie versprechen. Mehr als 400 Beiträge wurden bisher von kritischen Konsumenten eingebracht, rund ein Drittel betrifft dabei die Aufmachung des Produktes. Im Zentrum der Kritik stehen Mogelpackungen, die mit viel Luft anstelle des Inhalts gefüllt sind, aber auch überdimensionale Abbildungen von hochpreisigen Zutaten, die im Produkt nur in geringen Mengen enthalten sind. Die meisten Beschwerden beziehen sich auf Snacks und Süßigkeiten, die falsche Erwartungen wecken. Durch den Lebensmittel-Check des VKI haben Hersteller bei rund 40 Produkten nachgebessert oder die Ware aus dem Sortiment genommen. Ähnliches Bild in Deutschland: Über www.lebensmittelkarheit.de , die Plattform der Verbraucherzentrale des Bundesverbands, wurden von den Konsumenten bisher 6.500 irreführende Produkte gemeldet. Mehr als 270.000 Beschwerden sind in den vergangenen Jahren über das Portal www.abgespeist.de von foodwatch eingegangen.
Aufgrund dieser Entwicklungen gewinnt die Bekämpfung von Lebensmittelbetrug auch auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung. Aktuell wurde die Arbeitsgruppe „Food Fraud“ eingerichtet, in der Maßnahmen gegen Lebensmittelbetrug entwickelt und geprüft werden. Außerdem ist ein Kontrollprogramm für Honig und Fisch geplant, das die wahrheitsgemäße Kennzeichnung der Produkte überprüft.

Aktuelles aus der Lebensmittelbranche
Vor dem Hintergrund dieses besorgniserregenden Trends widmete sich das 7. qualityaustria Lebensmittelforum den Themen Lebensmittelsicherheit und -betrug. Zu Beginn ging Alfred Greimel, Prokurist Branchenmanagement Lebensmittel, Land- und Forstwirtschaft bei der Quality Austria, auf die derzeitige Entwicklung bei Zertifikaten ein. Die wichtigsten Lebensmittelstandards seien nach wie vor HACCP, ISO 22000, IFS Food V6 und FSSC 22000. Insbesondere bei den drei letztgenannten sei ein stetiges Wachstum zu verzeichnen. Food Safety sei nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung zur Vermeidung lebensmittelbedingter Erkrankungen, indem unabsichtliche, zufällige Kontaminationen präventiv erkannt werden. Die neuen Herausforderungen in der Lebensmittelbranche seien aber zunehmend Food Defense und Food Fraud. „Lebensmittelkriminalität ist ein globales Problem!“, so Greimel. In beiden Fällen handle es sich um vorsätzliche Verfälschungen. Hinter Food Defense würden oft ideologische Motive stehen, die darauf ausgerichtet sind, einem Hersteller gezielt zu schaden. Hingegen ziele Food Fraud grundsätzlich darauf ab, einen wirtschaftlichen Vorteil zu lukrieren.

IFS Global Markets Food – die Chance für kleinere Unternehmen?
Praxisnahe Einblicke lieferten Edwin Richter, Geschäftsführer Richter glutenfreie Produktions GmbH, und Andreas Schmölzer, Auditor und Netzwerkpartner der Quality Austria. Sie führten in ihrem Vortrag an, dass der IFS Food für kleine Betriebe zu aufwendig sei. Mit dem 2014 eingeführten IFS Global Markets Food könne die Produktsicherheit nun auch in kleinen Unternehmen sichergestellt und eine Qualitätsentwicklung erreicht werden. Die Handwerksbäckerei Richter glutenfreie Produktions GmbH mit neun Mitarbeitern zeige, dass der Standard in der Praxis umgesetzt und in diesem Fall gleichzeitig die Marktpositionierung als Anbieter glutenfreier Backwaren unterstützt werden könne. Laut Richter und Schmölzer könne mit dem IFS Global Markets die wesentlichen Anforderungen praktikabel im Alltag umgesetzt werden. Der Eintrag in die IFS-Datenbank biete den Zusatznutzen, als qualifizierter Lieferant gefunden zu werden.

Energieeffizienz als Wettbewerbsvorteil
Tobias Pröll, Leitung Institut für Verfahrens- und Energietechnik an der Universität für Bodenkultur in Wien, stellte die Herausforderungen und Chancen des Energieeffizienzgesetzes (EEffG) für die Lebensmittelindustrie dar. Anhand der Prozesse in einem Schlachtbetrieb beschrieb Pröll verfahrenstechnische Beispiele, um die Energieeffizienz zu steigern. Einsparpotentiale zur technischen Effizienzsteigerung im Produktionsbereich sehe Pröll in der Reduktion der Abwärmeproduktion sowie in der kaskadischen Nutzung der Abwärme. Er zog die Schlussfolgerung, dass das EEffG große Unternehmen zwinge, ihre energetische Ausgangsbasis durch konkretes Messen und der Erhebung von Daten zu ermitteln. So könnten mögliche Energieverschwendungen und Einsparpotentiale aufgedeckt werden. Die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen bringe Unternehmen zudem Wettbewerbsvorteile.

Schwerpunkt Reinigung und Desinfektion
Marija Zunabovic-Pichler, Universität für Bodenkultur Wien, Department für Lebensmittelwissenschaften und -Technologie, Senior Scientist, stellte effektive Ansätze zur Gewährleistung von Lebensmittelsicherheit vor und ging auf begriffliche Unterschiede ein. Desinfektion habe das Ziel, die Keimzahlen auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren. Reinigung hingegen beschreibe die Entfernung von Schmutz sowie Lebensmittelresten und sei Voraussetzung für Desinfektion. Weiters sprach die Mikrobiologin über hygienische Herausforderungen bei der Lebensmittelverarbeitung wie Proteine und Fette, die bei Förderbändern anhaften könnten. „Das Wichtigste ist nicht die Reinigung, sondern den Mikroorganismen die Nährstoffe zu entziehen. Denn ohne Nahrung können sie sich nicht vermehren“, resümierte Zunabovic-Pichler.

Über aktuelle Trends und richtungsweisende Reinigungskonzepte sprach Peter Felbinger, Sales Manager ECOLAB GMBH, zum Thema „Die Reinigungsbrache im Wandel der Zeit – was bringt die Zukunft?“. Als innovativer Entwickler von Reinigungs- und Desinfektionsprodukten sowie Dienstleitungen halte ECOLAB mehr als 6.800 Patente. Darunter befänden sich innovative Produkte zur Lufthygiene und zur Kaltdesinfektion von Schneidewerkzeugen in Fleisch verarbeitenden Unternehmen sowie eine effiziente Schaumtechnologie, die eine höherwertige Schaumkonsistenz in Kombination mit einer verbesserten Schaumhaftung erziele.

Den Abschluss des ersten Schwerpunktes des Forums bildete eine Podiumsdiskussion über Hygienerisiken in der Lebensmittelverarbeitung. Egon Singer, Leiter Reinigung Lebensmittel, Foodservice bei Dr. Schilhan Gebäudereinigung GmbH, betonte, dass das Hygienic Design eine zentrale Herausforderung bei der Reinigung sei. Andreas Marksteiner, Abteilungsleiter Anwendungstechnik hollu Systemhygiene GmbH, teilte diese Ansicht und ergänzte, dass eingesetzte Materialien oft nicht zeitgemäß seien. Neben dem Hygienic Design hob Josef Kolleger, Prokurist Calvatis GmbH, die Wichtigkeit von kompetentem Personal hervor, um Hygieneanforderungen erfüllen zu können. Zur Erkennung von Einsparpotentialen seien nach Peter Felbinger Lieferanten aktiver in den Reinigungsprozess einzubinden.

Schwerpunkt Konsum auf dem Prüfstand
Am Nachmittag widmete sich das qualityaustria Lebensmittelforum vorrangig dem Thema Lebensmittelbetrug. Markus Zsivkovits, Lebensmittelgutachter der AGES ILMU Wien, klärte in seinem Vortrag „Täuschungsschutz – das Irreführungsverbot im Lebensmittelrecht“ über die Grundlagen des Lebensmittelrechts auf. Die Ziele des Lebensmittelrechts seien der Schutz für das Leben und die Gesundheit, der Verbraucherinteressen und lauterer Handelsgepflogenheiten im Lebensmittelhandel (nach Art. 5 Abs. 1 BasisVo 178/2002). In diesem Zusammenhang definierte Zsivkovits Täuschung als falsche Auffassung eines Sachverhalts, unabhängig davon, ob die Täuschung bewusst durch einen anderen herbeigeführt werde. Zur Vermeidung einer Täuschung bestehe laut Artikel 7 der Lebensmittelverordnung ein Irreführungsverbot, das irreführende Informationen über Lebensmittel untersage. So dürfe Kräutertee auf der Verpackung keine entschlackende Wirkung ausweisen, wenn das Produkt diese Eigenschaft nicht besitze. Des Weiteren umfasse § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) das Irreführungsverbot. Demnach gelte eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. „Das Informationsmanagement ist eine Herausforderung der heutigen Zeit. Wenn der Konsument den Angaben des Herstellers glaubt, hängt die Verkaufsentscheidung nicht nur vom Preis ab“, stellte Zsivkovits abschließend fest.

Einen Blick in die Vergangenheit warf Ulrich Nöhle, Krisenmanagement, Medientraining, Wirtschafts- & Behördenmediation Food & Feed, Honorarprofessor Industrielles Qualitätsmanagement TU Braunschweig. Er hob in seinem Vortrag hervor, dass Betrug bereits so lange wie die Menschheit existiere. Generell sei darunter eine vorsätzliche Verletzung der Vorschriften nach Art. 1(1) der V 882/2004 zu verstehen, um einen finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Nöhle betonte, dass es sich bei Betrug um Einzelfälle handle und erinnerte an große Lebensmittelskandale, wie in Österreich die Zugabe des Frostschutzmittels Glykol in Wein oder in China die Vermischung von Milchpulver mit Melamin, die für Konsumenten gesundheitliche Folgen nach sich zogen. Der Pferdefleischskandal sei ein gelenkter Prozess gewesen, der durch Maßnahmen der EU korrigiert wurde. Durch ein koordiniertes Kontrollprogramm konnte die Anzahl der Betrugsfälle von 2013 auf 2014 effektiv verringert werden. Aktuell sei auf europäischer Ebene zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug ein Food Fraud Network gegründet worden, das dem Informationsaustausch diene. Die jeweiligen Mitgliedsstaaten würden dafür jeweils einen nationalen Food Fraud Contact Point benennen. Eine weitere Maßnahme sei das EU-Forschungsprojekt „Food Integrity“. Um Betrugsfällen entgegenzuwirken, seien verfahrensbezogene Prozesskontrollen bei Lieferanten und erweiterte Plausibilitätsprüfungen im Einkauf durchzuführen sowie die im Rahmen der Qualitätssicherung erstellen Primärprotokolle sorgfältig zu überprüfen. Auch unangekündigte Kontrollen könnten dabei helfen, die schwarzen Schafe zu identifizieren.

Alexander Woidich, Auditor und Netzwerkpartner der Quality Austria, stellte in seinem Vortrag die vor kurzem veröffentliche, revidierte Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 vor. Unternehmen, die auf die neue Norm umsteigen möchten, könnten sich bereits durch die Quality Austria auditieren lassen. Das Chancen- und Risikomanagement sei in Unternehmen seit jeher ein Thema, jedoch erweitere der risikobasierte Ansatz der ISO 9001:2015 den Betrachtungswinkel. Die Qualitätsmanagementnorm schaffe eine Grundlage, um Risiken und Chancen in systematischer Weise zu identifizieren. „Der risikobasierte Ansatz führt dazu, dass das Managementsystem den Präventionsansatz umfassend verfolgt“, so Woidich.

Einen praxisorientierten Einblick in das Qualitätsmanagement gab Marlene Wieninger, Leitung Qualitätsmanagement der REWE International AG. Sie beschrieb in ihrem Vortrag die wesentlichen Regelkreise in den Bereichen Produkt, Lieferant, Filiale, Lager und Krisenmanagement. Bereits 7.000 Eigenmarken-Artikel werden im Rahmen der Produktkontrolle auf Sicherheit geprüft. Die Qualität der Produkte werde insbesondere im Verkostungscenter der REWE International AG sichergestellt. Im Bereich der Lieferantenkontrolle werde auf den IFS-Standard abgestellt. Ziel sei es, kleine, regionale Betriebe gezielt weiterzuentwickeln, damit auch diese den hohen Standard in ihrem Unternehmen erreichen können. Weiters würden risikobasierte Lieferantenkontrollen und anlassbezogene Audits durch Lebensmittelkontrollstellen und Behörden zentrale Elemente im Qualitätsmanagement darstellen. Im Hinblick auf Filial- und Lagerkontrollen werde der Mitarbeiterschulung hohe Priorität eingeräumt. Jährlich würden bis zu 8.000 Mitarbeiter geschult und auf ihr Wissen zum Qualitätsmanagement geprüft werden.

Markus J. Reimer, Speaker, BusinessExpert, Innovation, sprach in seinem Vortrag „Wa(h)re Innovation – warum und wie wir anders denken müssen“ über wesentliche Voraussetzungen für Innovationskultur und Innovationskiller. Der promovierte Philosoph und international anerkannte Speaker zum Thema Innovation hob unter anderem die Zieldiskrepanz, die Versagens-Angst und starre Denkmuster in der Organisation als Innovationskiller hervor. Es brauche 2.000 Ideen, um zu 10 Innovationen zu kommen. Außerdem müsse man alle Mitarbeiter ins Boot holen, um Innovationen voranzutreiben. „Es gibt keine irrelevanten Personen im Unternehmen. Jeder Mitarbeiter hat eine Aufgabe zu erfüllen“, so Reimer. Weiters sei es wichtig, Experimente zuzulassen, um auf Neues zu stoßen. Die revidierte Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 sei durch die Anregung von kontinuierlichen Verbesserungen offener für Restrukturierungen und Innovationen geworden.

Quality Austria Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs GmbH (www.qualityaustria.com) ist nationaler Marktführer und Ansprechpartner in den Bereichen der Integrierten Managementsysteme und Branchenstandards betreffend Qualität, Umwelt und Sicherheit. Die Leistungen der Quality Austria reichen von der Aus- und Weiterbildung im Bereich internationaler Managementtrends, der Zertifizierung von Qualitäts- und Managementsystemen bis zur Vergabe des Austria Gütezeichens. Die Prämierung österreichischer Organisationen mit dem Staatspreis Unternehmensqualität erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend und der AFQM. Die Zusammenarbeit der Quality Austria mit IQNet, EOQ, EFQM und weiteren internationalen Organisationen sichert die Vermittlung von globalem Know-how und macht das Unternehmen zu einem kompetenten Partner. Weltweit kooperiert Quality Austria mit rund 100 Mitgliederorganisationen. Über 12.000 Organisationen in knapp 50 Ländern profitieren bereits davon. Quality Austria ist ein stabiler Faktor für wertvolle Synergien am Wirtschaftsstandort Österreich.

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