(Mynewsdesk) Altmünster/München. Die vier Jungen Emal, Mohammad, Fardin und Savar sind gerade einmal zwischen zwölf und 13 Jahre alt. Trotz ihres jungen Alters haben sie in den vergangenen Wochen so viel Angst und Leid erlebt wie viele in ihrem ganzen Leben nicht. Die vier Jungen waren wochenlang auf der Flucht – von Afghanistan nach Österreich.
Über 5.000 Kilometer waren die Minderjährigen unterwegs – und das ohne Eltern. In Österreich angelangt, kamen sie zuerst ins Massenlager nach Traiskirchen. Dort schliefen sie mit hunderten anderen Flüchtlingen fast ohne Betreuung. Mitte August kamen die vier Jungen ins SOS-Kinderdorf Altmünster (Oberösterreich). Im Interview erzählt die SOS-Mutter, wie die ersten Tage der Eingewöhnung für die Jungen waren und wie die Jugendlichen integriert werden.
Frau Reisinger, drei Wochen leben Emal, Mohammad, Fardin und Savar jetzt in der SOS-Familie. Wie waren die ersten Wochen mit den Jungs?
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass sie sich sehr wohl bei uns fühlen. Am Anfang waren sie etwas zurückhaltend. Sie mussten Vertrauen zu uns finden. Ich hatte das Gefühl, sie mussten sich auch erst einmal daran gewöhnen, dass sie jetzt ein Zimmer haben und nicht mehr in einem Massenlager schlafen. Die Jungs können etwas Englisch. Außerdem reden wir mit Händen und Füßen. Das klappt ganz gut. Für die längeren Gespräche kommt zweimal die Woche ein Übersetzer. Die anfängliche Schüchternheit hat sich bei allen gelegt.
Die Jungen waren wochenlang auf der Flucht. Jetzt leben sie mit anderen SOS-Kindern in einer Familie wieder unter einem Dach zusammen. Wie klappt das Zusammenleben in der SOS-Familie?
Die Jungs verstehen sich mittlerweile sehr gut mit den anderen SOS-Kindern. Emal, Mohammad, Fardin und Savar sind sehr höflich, räumen mit auf und helfen im Haushalt. Das Wiener Schnitzel und der Gugelhupf kommen bei ihnen sehr gut an. Das haben sie schon als ihre Lieblingsspeisen auserkoren.
Die vier Jungen haben eine schwere Zeit hinter sich. Konnten die Jugendlichen die Erlebnisse auf der Flucht schon verarbeiten?
Sie haben Schlimmes erlebt. Die Flucht beschäftigt sie noch sehr. Mit Hilfe von Schleppern waren sie mehrere Wochen unterwegs. Meist immer nachts wurden sie in Kleintransportern mit vielen anderen Flüchtlingen zusammengedrängt hunderte Kilometer am Stück mitgenommen, in ständiger Angst, von der Polizei gestoppt zu werden. Das war schon eine Belastung für die vier Jungen. Wir reden viel mit ihnen darüber. Sollte es nötig sein, haben wir auch einen Psychologen, der mit ihnen sprechen könnte.
Wie versuchen Sie die Jugendlichen an das Leben in Österreich zu gewöhnen?
Uns ist zum einen wichtig, dass wenn sie jemanden zum Reden brauchen, auch jemand für sie da ist. Der zweite Punkt ist, dass sie so schnell es geht Deutsch lernen. Gleich am zweiten Tag haben wir mit dem Deutschkurs angefangen. Wir haben einen Lehrer, der viel Rücksicht auf sie nimmt und mit dem sie schnell Fortschritte erzielen werden. Die Jungs werden auch bald die Schule besuchen. Das ist wichtig, um auch mit anderen Jugendlichen in Kontakt zu kommen. Auch Nachhilfe bieten wir den Jungen an. Nur so haben sie später eine Möglichkeit, einen Schulabschluss zu bekommen und eine Ausbildung anzufangen. Seit letzter Woche spielen die vier auch Fußball im Verein bei uns in der Nähe. Da werden sie sich sicherlich auch mit anderen Jugendlichen anfreunden.
Was erhoffen sich die Jugendlichen von der Zukunft in Europa?
Alle vier sind erst einmal glücklich, in einem Land zu sein, in dem es Frieden und genug zu essen gibt. Ihnen gefällt es in Österreich und sie wollen hier auch bleiben. Der Asylantrag ist gestellt. Wir gehen davon aus, dass sie erst einmal bei uns bleiben können. Die Jungen wollen später einen guten Beruf erlernen und genug Geld verdienen, damit sie eine Familie in einem friedlichen Land gründen können. Das ist in Afghanistan nicht möglich.
Und welche Chancen haben sie, dieses Ziel zu erreichen?
Es wird nicht leicht für sie. Aber sie haben eine Chance. Wenn sie schnell Deutsch lernen und später einen Mittelschulabschluss (entspricht dem Hauptschulabschluss in Deutschland) schaffen, dann ist auch der Weg frei für eine Lehre. Bei SOS in Salzburg im Clearing-house haben es schon einige jugendliche Flüchtlinge geschafft. Ich wünsche mir natürlich, dass es unsere vier Jungen auch schaffen.
München,10.9.2015
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BU: Noch vor kurzem waren die Jungen Emal, Mohammad, Fardin und Savar auf der Flucht. Jetzt wohnen sie in der SOS-Familie von SOS-Mutter Ulrike Reisinger. Foto: Christian Lenzeder
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Die SOS-Kinderdörfer sind eine unabhängige soziale Organisation, die 1949 von Hermann Gmeiner ins Leben gerufen wurde. Seine Idee: Jedes verlassene, Not leidende Kind sollte wieder eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf haben, in dem es wie andere Kinder in Geborgenheit heranwachsen kann. Aus diesen vier Prinzipien ist eine global agierende Organisation entstanden, die sich hauptsächlich aus privaten Spenden finanziert. Sie ist heute mit 550 Kinderdörfern und mehr als 1.800 SOS-Zusatzeinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen, Ausbildungs- und Sozialzentren, Krankenstationen, Nothilfeprojekte und der SOS-Familienhilfe in 133 Ländern aktiv. Weltweit unterstützen die SOS-Kinderdörfer etwa 1,5 Millionen Kinder und deren Angehörige.
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