(Mynewsdesk) Gespräch mit Mirko Kisser, Vorstandsvorsitzender Verein Kreativwirtschaft Sachsen-Anhalt
Am 4. September findet erstmals der Tag der Kultur- und Kreativwirtschaft statt. Deutschlandweit öffnen Agenturen, Ateliers oder Büros ihre Türen für Besucher. Eine Branche im Fokus: Aber wo steht die Kreativwirtschaft im Gesamtbild? Wie lassen sich kreative Werte auch ökonomisch transportieren?: Ein Gespräch mit Mirko Kisser. Der 46-jährige Hallenser ist seit zwei Jahren der Vorsitzende des Vereins Kreativwirtschaft Sachsen-Anhalt (KWSA), dem Unternehmerverband der Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt, der als Plattform durch Wissens- und Erfahrungstransfers den kreativen Unternehmern zur Seite steht.
Sie sind Geschäftsführer eines Anbieters für mobile Anwendungen und vertreten als Vorstandsvorsitzender des KWSA die Interessen der Kreativen in Sachsen-Anhalt. Was begeistert Sie an der Branche?
Mirko Kisser: Am meisten begeistert mich der Erfindungsgeist, der in dieser Branche steckt. Die meisten Akteure möchten keine eingetretenen Pfade beschreiten, sondern suchen nach neuen Wegen und überraschenden Lösungen. Sie nehmen immer wieder neue Herausforderungen und Aufgaben an.
Als Geschäftsführer müssen Sie allerdings Ihre Firma so profitabel wie möglich führen. Sind Kreativität und profitables Arbeiten ein Widerspruch? Ja und nein. Kreative Arbeit kann nie zeitlich begrenzt gesehen werden. Oft müssen Zusammenhänge recherchiert oder Dinge analysiert werden. Man muss sich mit dem Wertesystem des Kunden auseinandersetzen. Die handwerkliche Leistung selbst dauert dann vielleicht nicht lange. Aber die Ideenfindung braucht manchmal eine ganze Nacht. Für Kunden ist der Aufwand oft schwer nachzuvollziehen.
Wie lassen sich ökonomische Werte der kreativen Arbeit überhaupt übersetzen?Dafür ist viel Kommunikation wichtig. Kreative müssen auch mit ihren Kunden ganz viel reden und ihnen aufzeigen, dass ein Entstehungsprozess nötig ist, um zu einem Ergebnis zu kommen. Das muss nicht immer als Briefing-Gespräch ablaufen, man kann daraus auch einen kleinen Workshop machen. Dann erhält der Kunde bereits eine Leistung und es wird für ihn einfacher, alles nachzuvollziehen.
Sprechen Kreative und andere Branchen unterschiedliche Sprache?Es gibt auf beiden Seiten Vorurteile und Missverständnisse. Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist, dass der Kreative genau versteht, was der Kunde möchte. Umgekehrt muss auch der Auftraggeber wissen, wie die Kreativen ticken. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl und gesundem Menschenverstand können sich aber beide Seiten gut verstehen.
Kommen viele Kreative und Künstler finanziell über die Runden?Leider gibt es einige, die kaum von den Erlösen ihrer kreativen Arbeit leben können. Gerade am Anfang des Berufslebens ist es für viele schwer, den Lebensunterhalt zu verdienen. Wir beobachten das beispielsweise bei Absolventen der Hochschulen, die als Selbstständige auf den Markt kommen. Die Anfangsphase ist oft sehr schwer, gerade für Einzelkämpfer. Sie müssen sich einen Kundenstamm und Netzwerke aufbauen. Für viele ist es jedoch schwer, mit kleinen Aufträgen über die Runden zu kommen. Meine Empfehlung ist, kleine Allianzen zu bilden, Kollegen zu suchen, die Dinge können, die man selbst nicht kann. Das erweitert die Projektmöglichkeiten.
Wie sollten Kreative reagieren, wenn ein potenzieller Auftraggeber den Stundensatz für zu hoch hält, sie aber der Meinung sind, dass er angemessen ist?Man sollte sich auf jeden Fall an anderen Branchen orientieren. Wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe, wird eine Meisterstunde auch mit 80 Euro berechnet. Ich habe noch nie erlebt, dass darüber diskutiert wird. In der Kreativwirtschaft passiert das aber leider wirklich immer wieder. Dem Kunden muss nachvollziehbar erklärt werden, dass vor dem Ergebnis ein kreativer Prozess stattfindet, der natürlich auch berechnet werden muss. Wichtig ist, sich nicht unter Wert zu verkaufen, schließlich hat man auch selbst Fixkosten zu decken und eine ordentliche Leistung muss eben bezahlt werden – genau wie in anderen Branchen auch.
Was muss sich ändern, damit die Wertschätzung der kreativen Arbeit weiter steigt?Dass die Kreativbranche jetzt überhaupt verstärkt in den Fokus der Gesellschaft gerückt ist, das ist schon mal ein großer Erfolg. Dafür hat unser Verein lange gearbeitet. Aber leider ist die Wertschätzung kreativer Arbeit noch nicht bei der Gesamtbevölkerung und in allen Branchen angekommen. Dort wird das sehr selektiv gesehen. Man kennt den Grafiker, den Fotografen oder Webdesigner, ordnet sie aber nicht der Branche zu und schätzt sie. Die Erstellungskosten und die Nutzungs-Entgelte sind zweierlei Sachen, das ist vielen Kunden nicht klar. Wenn man ein Auto kauft, darf man es nutzen, erhält aber nicht den Bauplan, um es weiterzuentwickeln. Wenn man das so plastisch erklärt und herunterbricht, verstehen das viele Kunden. Wir müssen einfach viel transparenter werden.
Wie definieren Sie den Wert kreativer Arbeit?
Letztlich ist kreative Arbeit immer Erfinder-Arbeit. Diesen Erfindergeist muss man mehr in den Fokus der Gesellschaft rücken. Das kann nicht jeder Mensch. Vom Kreativen wird fast täglich erwartet, dass er sich etwas Neues ausdenkt.
Wie sehr wird Ihrer Meinung nach der Fakt gesellschaftlich wahrgenommen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes beiträgt?
Punktuell wird das durchaus wahrgenommen, gesamtgesellschaftlich aber leider noch nicht. Ich sehe oft, wie erstaunt die Menschen sind, wenn sie hören, dass die Kreativen im Land so viel Wirtschaftsleistung haben, wie die chemische Industrie. Durch die Kleinteiligkeit der Unternehmen entsteht oft der Eindruck, dass die Kreativen eine untergeordnete Rolle in der Gesamtwirtschaft spielen. Damit sich das Bild ändert, muss noch viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Am besten geht das mit guten Geschichten oder mit solchen Wettbewerben wie BESTFORM, bei dem die Branchen zusammengebracht und die Erfolgsgeschichten erzählt werden.
Wie ist Ihre Prognose auf gesellschaftlicher Ebene? Die Branche hat auch hierzulande bereits viele neue Trends gesetzt. Aus ihrer Mitte kommen etwa der Open-Source-Gedanke, Coworking Spaces, Cloud-Dienste und schwarmbasierte Herangehens- und Arbeitsweisen. Wird das zunehmen? Oder abflauen?
Die ganze Branche ist gerade im Trend. Wir müssen aufpassen, dass es so bleibt. Aus der Kreativwirtschaft heraus entstehen in der Tat viele Impulse für die Arbeitswelten von morgen. Die Flexibilität in der Arbeitsweise, der Umgang mit Online-Diensten und Mobilgeräten gehört ganz selbstverständlich zur Branche.
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Ein neuer Ideenwettbewerb rückt in Sachsen-Anhalt die Zusammenarbeit von Kreativen mit anderen Partner in den Fokus. Mit „Cross Innovation“ unterstützt das Land die Arbeit von Netzwerken, die neue innovative Produkt- und Dienstleistungen weiter entwickeln. Es werden bis zu 90 Prozent der förderfähigen Projektkosten übernommen. Ab heute bis zum 4. November 2015 können sich Gruppen aus fünf Partnern bewerben. Weitere Informationen unter: www.ib-sachsen-anhalt.de
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