Offener Brief an den Flötisten Andreas Blau (von Michael Hasel)
(NL/3873174694) Am 20. Juni 2015 gab Andreas Blau sein letztes offizielles Konzert als Soloflötist der Berliner Philharmoniker. Mehr als 46 Jahre lang hatte Blau diese renommierte Position inne. In einem Offenen Brief an den herausragenden Solisten „a.D.“ würdigt Michael Hasel (zur Person siehe unten) sein großes Vorbild und lässt die Stationen von Blaus Leben und Wirken Revue passieren.
Lieber Andreas,
46 Jahre und 5 Monate Soloflötist der Berliner Philharmoniker – das ist etwas mehr als ein Drittel der Existenz dieser Institution. Was für eine Zeitspanne!
– Den dritten Chefdirigenten des Orchesters, Wilhelm Furtwängler, hast du noch als Kindergartenkind und aus den Erzählungen Deines Vaters miterlebt.
– Dann ein Probespiel und 1969 Eintritt in den philharmonischen (Alt-Herren-)Club, daraus resultierend das, wohl einzige, Manko in Deiner Karriere: mangelnde Probespiel-Erfahrung.
– Von den 34 Jahren der Ära Herbert von Karajan hast Du mehr als die Hälfte mit Kollegen wie Lothar Koch, Karl Leister, Gerd Seifert, Michel Schwalbé oder Ottomar Borwitzki aktiv gestaltet.
– Die gesamte Ära Claudio Abbado und fast die gesamte Amtszeit von Sir Simon Rattle durftest Du erleben.
– Auch den Weg von der DG-Schallplatte über Karajans TV-Produktionen bis hin zur Einführung der CD und Digital Concert Hall hast Du begleitet.
In der Flötengruppe ergibt sich ein ähnlich buntes Bild:
von den Charakteren noch aus der Furtwängler-Zeit, meinem Vorgänger Dr. Fritz Demmler und Günter Prill, über Deinen Lehrer Karlheinz Zoeller (dessen erste Frau Gertrud den Grundstein für Deine bis heute makellose Flötentechnik legte),den viel zu früh verstorbenen Johannes Mertens, das „Intermezzo“ mit James Galway, bis zu Wolfgang Dünschede am Piccolo.
1984 erscheine ich in diesem Bild für die letzten fünf Jahre mit Karajan, eine kürzere Episode mit Vincent Lucas; 1993 gewinnen wir dann Emmanuel Pahud dazu, 1997 Deine ehemalige Akademie-Studentin Jelka Weber, zwei sehr kurze „Gastspiele“ von Marcella Kratz und Virginie Riebel, bis wir schließlich ab 2013 mit Egor Egorkin, auch er Akademist von Emmanuel und mir, zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine komplett besetzte Flötengruppe hatten.
Verzeih mir bitte diese ganzen Aufzählungen, aber sie zeigen eigentlich nur meine Hilflosigkeit: Was zu sagen? Dass eine riesige Lücke entsteht, wenn jemand mit solch einem Erfahrungsschatz und einer derartigen Geschichte (wirklich im historischen Sinne!) nicht mehr neben mir sitzen wird.
Ich erspare mir hier jede weitere „Lobhudelei“ über Dein Maßstäbe setzendes Flötenspiel. Jeder, der am 20. Juni 2015 Dein letztes offizielles Konzert mit dem Orchester hören durfte (Brahms: Violinkonzert, Debussy: Images pour orchestre, Enescu: Rhapsodie Nr. 1 – Christian Tetzlaff / Sir Simon Rattle), weiß, was die Philharmoniker über all die Jahre an Dir gehabt haben.
Danken möchte ich Dir hier aber noch einmal ganz besonders für Deine Integrität dem Orchester gegenüber. Du hast Dein Können stets ohne jede Eitelkeit in den Dienst der Sache gestellt: Du warst immer bestens vorbereitet und beim Konzert topfit, egal, wie langweilig oder spannend das Programm war, wie schlecht oder genial der Dirigent, wie widrig oder inspirierend die Umstände. Dazu warst Du immer pünktlich, freundlich und hart aber fair im Umgang mit Kollegen und Studenten. Das möchte ich als den wahren, in unseren Reihen so oft bemühten „Philharmonischen Geist“ bezeichnen, der nicht nur für alle Berliner Philharmoniker, sondern für jeden Orchestermusiker das Vorbild sein sollte.
Danke von Herzen für all dies!
Ich wünsche Dir, dass der kommende Lebensabschnitt genauso spannend, inspirierend, bunt und erfüllt sein wird, wie es Deine Zeit bei den Berliner Philharmonikern gewesen ist.
Dein
Michael
Michael Hasel ist seit 1984 Flötist bei den Berliner Philharmonikern und Gründungsmitglied des Philharmonischen Bläserquintetts Berlin. Weitere Infos zu seiner Person unter diesem Link: www.windquintet.com/michael-hasel
Über das Philharmonische Bläserquintett Berlin:
Das Philharmonische Bläserquintett Berlin wurde 1988 noch in der Ära Herbert von Karajan gegründet. In der traditionsreichen Geschichte der Kammermusikvereinigungen der Berliner Philharmoniker ist es das erste kontinuierlich zusammenarbeitende Bläserquintett.
Zuhörer wie Kritiker sind sich darin einig, dass es dem Ensemble gelungen ist, den Sound des klassischen Bläserquintetts quasi neu zu definieren. Das Repertoire des Ensembles umfasst neben dem gesamten Spektrum der Quintettliteratur auch Werke in erweiterter Besetzung. Das leidenschaftliche Engagement des Ensembles für das Quintettrepertoire fand mit dem Label BIS Records den perfekten Partner. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit erhielten weltweit hervorragende Kritiken – so gelten viele der zahlreichen CD-Einspielungen bereits als Referenzaufnahmen.
Konzertverpflichtungen führten das Ensemble bisher in fast alle europäischen Staaten, nach Nord- und Südamerika, Israel, Australien, China, Japan und Taiwan. Das Philharmonische Bläserquintett ist außerdem gern gesehener Gast bei internationalen Festivals. Rundfunk- und Fernsehproduktionen des Ensembles werden international ausgestrahlt.
Weitere Informationen zum Philharmonischen Bläserquintett Berlin finden sich auf der Homepage des Ensembles unter www.windquintet.com
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