Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, zum Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A).
Ausgangslage:
Wenn es darum geht, Stellenanzeigen zu formulieren, müssen Arbeitgeber äußerst sorgfältig sein, um den Anschein einer Diskriminierung zu vermeiden. „Junger dynamischer Mitarbeiter gesucht“ etwa ist als Formulierung gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Hier liegt eine Diskriminierung sowohl wegen des Alters als auch wegen der Geschlechtszugehörigkeit vor. Bewerber auf solche Stellenanzeigen, die abgelehnt werden und in der Folge eine Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen, haben gute Chancen, da die Beweislast im Hinblick darauf, dass keine Diskriminierung vorliegt, beim Arbeitgeber liegt. Arbeitgeber haben es in der Praxis nicht einfach, einen entsprechenden Beweis zu erbringen.
Umstritten sind die Fälle der so genannten AGG-Hopper. Das sind Menschen, die sich die für potentielle Arbeitnehmer günstige Rechtslage zu Nutze machen und sich eine dauerhafte Erwerbsquelle durch gezielte Bewerbung auf problematische Stellenanzeigen verschaffen wollen. Ist es für Ansprüche nach dem AGG erforderlich, dass der Bewerber ernsthaft an dem jeweiligen Job interessiert ist?
Fall:
Das Bundesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall die Ernsthaftigkeit der Bewerbung verneint. Der Bewerber war wenig überraschend ein Jurist. Dieser hatte sich nun auf ein Traineeprogramm eines Versicherungskonzerns beworben, obwohl er bereits einen Hochschulabschluss und jahrelange Berufserfahrung als leitender Angestellter und Rechtsanwalt gesammelt hatte. Das Programm richtete sich ersichtlich an Berufsanfänger, das Bundesarbeitsgericht nahm dem Bewerber schlichtweg nicht ab, dass er es mit der Bewerbung ernst meint. Nun stellt sich die Frage, ob auch in solchen Fällen Ansprüche nach dem AGG in Betracht kommen. Der Jurist verlangt 14.000 EUR Entschädigung.
Entscheidung:
Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?
Quelle:
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A) –
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 18. März 2013 – 7 Sa 1257/12
Fachanwaltsstipp Arbeitgeber:
Aufgepasst bei der Formulierung von Stellenanzeigen: Auch wenn der Europäische Gerichtshof zugunsten der Arbeitgeber entscheiden sollte, müssen sie nach wie vor beweisen, dass es sich bei dem Bewerber um einen AGG-Hopper handelt. Davon konnte der Arbeitgeber das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Fall überzeugen. In der Praxis ist das aber alles andere als einfach. Entsprechende Listen werden meiner Erkenntnis nach mittlerweile nicht mehr weitergeführt. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten sind diese auch äußerst problematisch. Das betrifft dann auch die Verwendung von auf solche Art gewonnenen Daten. Es bleibt in solchen Fällen dann oft nichts weiter übrig, als herum zu telefonieren, um gleichermaßen betroffene Arbeitgeber zu finden. Besser man lässt es gar nicht erst dazu kommen. Um Formulierungsprobleme bei Berufen zu vermeiden, die typischerweise auf ein bestimmtes Geschlecht (zum Beispiel Ingenieur, Sekretärin usw.) hindeuten, können Sie auf den Zusatz (M/W) zurückgreifen.
Fachanwaltsstipp Arbeitnehmer:
Wenn Sie Ansprüche nach dem AGG geltend machen wollen, müssen Sie zügig handeln. Gemäß § 15 Abs. 4 AGG muss ein Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach dem Zugang der Ablehnung bzw. dem Zeitpunkt, in dem man von der Ablehnung Kenntnis erlangt, schriftlich geltend gemacht werden. Es kann immer nur eine Entschädigung verlangt werden. Ein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder Berufsausbildungsverhältnisses oder wie im vorliegenden Fall der Teilnahme am Traineeprogramm ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 15 Absatz 6 AGG).
29.6.2015
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