Von Kai Rebmann
Am 28. September 2025 entscheidet das Schweizer Stimmvolk über das sogenannte „E-ID-Gesetz“. Die Junge SVP (Schweizer Volkspartei) hatte das Referendum gegen den umstrittenen Entwurf erhoben und dies unter anderem mit erheblichen Sicherheitslücken begründet. Zwei Wochen vor der Abstimmung wurden diese Bedenken durch einen vergleichsweise einfach aufgebauten Test des Chaos Computer Club (CCC) bestätigt.
Dem Hacker und CCC-Mitglied Martin Tschirsich gelang es einer Mitteilung der Organisation zufolge, „inhärente Schwächen der videobasierten Echtheitsprüfung physischer ID-Dokumente“ zu offenbaren. In dem Versuch wurde beispielhaft auf die Daten elektronischer Patientenakten zugegriffen sowie qualifizierte elektronische Signaturen erstellt. Dabei seien „keine relevanten Kosten“ entstanden und die verwendete Angriffstechnik sei auch für Laien zugänglich, wie es weiter hieß.
Bereits Ende 2023 konnte der CCC zeigen, dass auch die in Deutschland genutzte eID-Funktion des Personalausweises ähnlich anfällig für Menschen mit bösen Absichten ist. Einem Hacker namens „CtrlAlt“ gelang es damals, unter falschem Namen ein Konto bei einer großen Bank zu eröffnen. Anstatt der offiziellen „AusweisApp“ verwendete der Nutzer eine selbst programmierte App und konnte damit sämtliche Authentifizierungshürden überspringen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sah dennoch keinen Anlass zur grundsätzlichen Änderung der Risikobewertung der eingesetzten eID-Verfahren.
Sicherheitslücken bekannt, aber angeblich ’nicht relevant‘
Abseits solcher Spielereien, für die es neben dem entsprechenden Knowhow auch ein gewisses Maß an krimineller Energie braucht, warnt die Junge SVP aber vor weitaus drastischeren Folgen, die das E-ID-Gesetz zunächst für die Eidgenossen, danach aber auch für die Bürger anderer Länder mit sich bringen könnte. Im Zentrum der Kritik stehen dabei der Datenschutz und die angebliche Freiwilligkeit, auf der das angedachte Verfahren basieren soll.
Die ersten Fallstricke lauern schon bei der Registrierung. Ganz ähnlich wie beim oben erwähnten Beispiel der Kontoeröffnung bei einer Bank erfolgt die Registrierung bei der ID-App „Swiyu“ mittels eines – offiziell „sicheren“ – Verfahrens der elektronischen Identifizierung. Rolf Rauschenbach, Sprecher des Bundesamts für Justiz in Bern, räumt gegenüber der „Aargauer Zeitung“ zwar ein, dass die bestehenden Sicherheitslücken zwar bekannt, für die E-ID jedoch „nicht relevant“ seien. Schließlich werde das Selfie-Video, welches bei der Registrierung aufgenommen werden muss, mit dem beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) hinterlegten Foto abgeglichen und zudem gebe es „eine Reihe von Sicherheitsmechanismen“.
Womit direkt zwei weitere Punkte angesprochen werden, die die Kritiker ins Feld führen. Denn über das Aussehen dieser Sicherheitsmechanismen macht das Bundesamt für Justiz „aus Sicherheitsgründen“ ein regelrechtes Staatsgeheimnis. Einerseits wohl nachvollziehbar, andererseits entzieht man sich damit gewollt oder ungewollt auch jedem Stresstests des Systems durch Dritte, etwa die Hacker des CCC oder ähnlicher Organisationen. Die Selfie-Videos werden für die Dauer von insgesamt 15 Jahren gespeichert, „nach allen Regeln der Kunst“, wie das Bundesamt für Justiz versichert. Die Junge SVP sieht darin jedoch ein „enormes Risiko“ und befürchtet, dass die Daten so irgendwann auch im Darknet landen könnten.
Neues Machtinstrument für Big-Tech und den Staat?
Auch mit dem letzten Rest von Privatsphäre im Netz könnte es bald vorbei sein, sollte das E-ID-Gesetz in der vorgesehenen Form kommen. Die Kritiker sehen darin einen „Steilpass“ für Big-Tech-Konzerne wie Meta (Facebook, Instagram) oder X, die eine Registrierung per E-ID zur Voraussetzung für die Nutzung ihrer Plattformen machen könnten. Damit wäre es auch mit der Freiwilligkeit, die dem Verfahren zugrunde liegen soll, faktisch schnell vorbei.
Die damit ebenfalls verbundenen Bedenken bezüglich des Datenschutzes versucht das Bundesamt für Justiz mit dem Verweis auf strikte Einschränkungen bei der Nutzung der E-ID durch Tech-Konzerne oder andere Firmen zu zerstreuen. So sei es beispielsweise verboten, potenzielle Nutzer bzw. Kunden bei einer Registrierung via E-ID nach sensiblen Daten wie etwa die AHV-Nummer zu fragen, die der zweifelsfreien Identifizierung eines jeden Bürgers im Schweizer Sozialversicherungssystem dient.
Und was passiert, wenn sich Facebook und Co nicht daran halten? Dann würde der Bund vor solchen „dubiosen Anbietern“ warnen. Sanktionen seien hingegen nicht vorgesehen, wie Rolf Rauschenbach sagt und dabei den „liberalen Ansatz“ betont, der die Information der Bürger über deren Bevormundung stelle.
E-ID als nächster Schritt zum gläsernen Bürger?
Eines bleibt bei alledem jedoch klar – was einmal im Netz ist, bleibt auch dort! Daran ändern auch vermeintlich auf 15 Jahre befristete und „nach allen Regeln der Kunst“ durchgeführte Speicherungen oder noch so ausgeklügelt erscheinende, aber gleichwohl streng unter Verschluss gehaltene „Reihen von Sicherheitsmechanismen“ nichts.
Und was von Big-Tech genutzt werden kann – und damit früher oder später auch genutzt werden wird – steht dann natürlich auch sämtlichen weiteren denkbaren Akteuren im Netz offen, etwa den Betreibern von Online-Shops oder nicht zuletzt auch staatlichen Behörden. Der Weg vom digitalen Serviceangebot hin zum gläsernen Bürger ist damit nur noch ein sehr kurzer. Es braucht wahrlich kein ausgeprägtes Verschwörungsdenken, um sich unwillkürlich an ein Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild erinnert zu fühlen.
Bemerkenswert ist zudem, mit welcher Vehemenz das E-ID-Gesetz in der Schweiz offenbar durchgedrückt werden soll. Denn bereits am 7. März 2021 hat das Stimmvolk das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID), den unmittelbaren Vorläufer der aktuellen Vorlage, mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Es erscheint also fraglich, ob die Eidgenossen den alten Wein jetzt nur deshalb trinken, weil er in neuen Schläuchen daherkommt. Oder sich einmal mehr dagegen entscheiden, was sie im Gegensatz zu ihren deutschen oder sonstigen EU-Nachbarn auch können – der direkten Demokratie sei Dank!
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: i-am-helen / Shutterstock.com
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