Von Kai Rebmann
Am kommenden Sonntag findet in Nordrhein-Westfalen die Kommunalwahl statt. Der Urnengang gilt auch als erster kleiner Stimmungstest für die Arbeit der schwarz-roten Koalition in Berlin. Die CDU liegt in allen Umfragen meilenweit in Führung und wird sehr wahrscheinlich bei über 30 Prozent landen. Bei der SPD wird man sich mit einem Szenario befassen müssen, dass es für die einst stolze Arbeiterpartei in ihrem Kernland nicht einmal mehr für 20 Prozent reichen könnte, auch die Grünen müssen mit einem Absturz rechnen und könnten von zuletzt 20 Prozent auf 13 bis 14 Prozent fallen.
Klar im Aufwind befindet sich dagegen die AfD, die ihr Ergebnis der Kommunalwahl (5 Prozent) laut den jüngsten Prognosen verdreifachen könnten. Besonders im Ruhrgebiet, kleineren Kommunen in Ostwestfalen, aber auch in Städten wie Duisburg oder Gelsenkirchen bescheinigen Wahlforscher den Blauen ein enormes Potenzial.
Das wiederum – der eigene Absturz in Kombination mit dem Erstarken der AfD – lässt in linken Kreisen alle Alarmglocken schrillen. In einem phasenweise fast schon verzweifelt wirkenden Rundbrief (liegt reitschuster.de vor) schreitet die Gewerkschaft ver.di deshalb zu einer Art „betreutem Wählen“, damit ihre Mitglieder das Kreuzchen an der „richtigen“ bzw. vielmehr bloß nicht an der „falschen“ Stelle setzen.
Beim anstehenden Urnengang, so heißt es in dem Schreiben gleich zu Beginn, dürfe „nicht der Wahltrend zur Bundestagswahl entscheidend“ sein. Stattdessen müsse darauf geschaut werden, „wie die (nahbare) Politik vor Ort gestaltet wurde oder gestaltet werden soll“, empfiehlt der Landesbezirksvorstand NRW den Adressaten. Mit Blick auf die AfD erlebe man, dass im Kommunalwahlkampf, dass die rechten Parteien „mit menschenverachtenden, populistischen Aussagen auf Stimmenfang“ gingen und so „Hetze und Hass“ geschürt würden.
Viel mehr als das Wiederholen der üblichen Stereotype in Bezug auf die AfD scheint André auf der Heiden Fieback und Gabriele Schmidt, den Unterzeichnern des Rundbriefs, nicht einzufallen. Fast noch schlimmer aber: ver.di bedient sich im Wahlkampf exakt jener Instrumente, deren Nutzung sie der AfD massiv vorwirft – dem des Populismus, also das Herausschreien wohlfeiner Forderungen, ohne dafür konkrete Lösungen auf Lager zu haben.
Bündniserklärung gerät zur Selbstentlarvung
Als Teil einer Initiative, die sich „NRW muss investieren“ nennt, hat die Gewerkschaft einen umfangreichen Forderungskatalog aufgestellt, der darlegen soll, wie ab kommenden Montag, also dem Tag nach der Wahl, im bevölkerungsreichsten Bundesland alles besser werden soll.
In einer sogenannten „Bündniserklärung“ heißt es unter anderem: „Allein für die Bereiche Klima, Infrastruktur, Wohnen, Gesundheitswesen und Bildung sind in den nächsten 10 Jahren öffentliche Investitionen von rund 156 Milliarden Euro notwendig, um den Anschluss an die gesamtdeutsche Entwicklung nicht weiter zu verlieren.“ Für Klimaneutralität bis 2045 schreit ver.di nach 51,6 Milliarden Euro, für „25.000 neue mietpreisgebundene Wohnungen pro Jahr“ werden 35 Milliarden Euro veranschlagt, für die Beseitigung von Mängeln an sowie den Ausbau von Schulen, Hochschulen und Hochschulkliniken sollen 22,3 Milliarden Euro fließen und so weiter und so fort.
Aber: Woher das Geld kommen soll, diese Antwort bleiben ver.di und ihre Bündnispartner dem geneigten Leser ihrer Erklärung leider schuldig. Die einzige, wenn auch nur vermeintliche „Lösung“ versteckt sich etwas zwischen den Zeilen, wo es heißt: „Das Sondervermögen nach Artikel 143h Grundgesetz mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 500 Milliarden Euro kann die Grundlage für die Zukunft von NRW sein. Eine ausreichend finanzierte und gesicherte öffentliche Daseinsvorsorge ist und bleibt aus unserer Sicht essentiell für den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt und nicht zuletzt für die Stabilität unserer Demokratie. Deshalb ist die Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse (Artikel 109 und 115 GG) berechtigt.“
Mit „Sondervermögen“ meinen ver.di und Co freilich die unmittelbar nach der Bundestagswahl im Frühjahr aufgenommenen Rekordschulden. Genau diese Schulden sollen demnach also die „Grundlage für die Zukunft von NRW“ bilden? Und wenn linke Gewerkschafter über eine „Reform“ – oder in anderen Medien auch „Modernisierung“ – der Schuldenbremse reden, dann meinen sie damit selbstverständlich nichts anderes als deren Abschaffung und ersatzlose Streichung aus dem Grundgesetz.
Wirklich schlimm ist in den Augen von ver.di also immer nur der „Populismus der Anderen“. Im Deutschland anno 2025 scheint es hingegen längst zum Normalzustand geworden zu sein, den eigenen Wohlstand nur noch auf Pump und damit zu Lasten künftiger Generationen zu finanzieren. Einst edle Grundsätze, dass jede Ausgabe – auch solche im sozialen Bereich – irgendwo und irgendwie gegenfinanziert werden muss, spielen keine Rolle mehr. Das hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun, sondern ist das genaue Gegenteil davon!
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: i-am-helen / Shutterstock.com
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