Von Kai Rebmann
Gibt es in Deutschland politische Gefangene? Der Fall eines ehemaligen FDP-Politikers und Laien-Richters am Landgericht Mönchengladbach wirft ein ganz neues Licht auf diese Frage und insbesondere auf deren Antwort. Udo van Neer hat den Fiskus jahrelang um insgesamt fast 38 Millionen Euro gebracht – und befindet sich nach wie vor auf freiem Fuß. Und das obwohl es im gerade begonnenen Prozess um eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren geht und die Beweislage gegen den Angeklagten offenbar dermaßen erdrückend ist, dass es sofort zu einem Geständnis kam.
Aber der Reihe nach: Udo van Neer ist ein in Viersen (NRW) sehr prominenter Autohändler und Lokalpolitiker. Die Geschäfte beim FDP-Mitglied laufen ab Mitte der 1980er-Jahre zunächst augenscheinlich so gut, dass er sich über die Jahre und Jahrzehnte gesellschaftliche und politische Kontakte aufbaut, die bis in höchste Kreise reichen – zu Zeiten von Helmut Kohl (CDU) und dessen Koalition mit der FDP sogar bis ins Kanzleramt. Der Absturz beginnt im Jahr 2009 mit den Nachwehen der Finanzkrise und bringt van Neer im Mai 2025 sogar ins Gefängnis, wenn auch nur kurzzeitig.
Anstatt Insolvenz anzumelden – und damit auch seinen gesellschaftlichen Status aufs Spiel zu setzen – gerät der Geschäftsmann vor gut 15 Jahren auf die schiefe Bahn. Mit fingierten Exporten von Luxusautos nach Asien, einem Gebiet, auf dem sich van Neer bis dato einen Namen gemacht hatte und zu viel Geld gekommen war, konnte das Unternehmen zunächst gerettet werden – und damit auch der „ausschweifende Lebenswandel“ weiter finanziert werden, wie es jetzt vor Gericht hieß.
Steilem Aufstieg folgt tiefer Absturz
Daneben tat sich der Autohändler als edler Spender für soziale Projekte in seiner Heimat hervor. Im Jahr 2013 wurde van Neer zum Laien-Richter am Landgericht Mönchengladbach berufen. Es folgten die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2015) und die Wahl zum Vize-Landrat (2020). Daneben zog der Politiker jedoch mit hoher krimineller Energie eine Betrugsmasche auf, mit der er den Fiskus und alle ehrlichen Steuerzahler um knapp 38 Millionen Euro brachte.
Und so funktionierte die Masche: die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass im Zeitraum 2009 bis 2023 mindestens 2.687 Autos nach Asien exportiert wurden, die es nie gegeben hat. Udo van Neer fälschte mehrere hierzu benötigte Dokumente, errechnete unter anderem die Fahrgestellnummern der Phantom-Autos – und holte sich dann vom Finanzamt die vermeintlich bezahlte Vorsteuer in Höhe von genau 37.668.409,01 Euro zurück. Im Zuge dieses Skandals musste der FDP-Politiker und Laien-Richter im Januar 2024 von allen Ämtern zurücktreten.
Gleich zum Prozessauftakt ließ van Neer über seinen Anwalt ausrichten: „Mein Mandat räumt die Anklagevorwürfe so ein, wie vom Staatsanwalt vorgetragen.“ Trotz dieses Geständnisses und mehr als 37,5 Millionen weiterer Gründe sieht die deutsche Justiz offenbar weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr, so dass sich der Angeklagte nach wie vor auf freiem Fuß befindet. Aus der U-Haft war van Neer am 4. August 2025 nach gut zweieinhalb Monaten entlassen worden – gegen Meldeauflagen und Zahlung einer vergleichsweise lächerlich anmutenden Kaution in Höhe von 10.000 Euro.
Justiz-Willkür ganz einfach erklärt
Ein Vergleich zum Fall Michael Ballweg drängt sich in diesem Zusammenhang geradezu auf. Der Gründer der Querdenken-Bewegung wurde von der deutschen Justiz ab dem 29. Juni 2022 aus fadenscheinigen Gründen mehr als neun Monate lang weggesperrt – angeblich aus Angst, er könne sich ins Ausland absetzen. Die Anklage stand dabei von Anfang an auf sehr wackeligen Beinen, was aber weder zu einer vorzeitigen Entlassung aus der U-Haft noch zu einer Einstellung des Verfahrens führte.
Ballweg wurde im Juli 2025 vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Übrig blieb letztlich eine Verwarnung wegen einer Hundematte und eines Parfüms. Privatausgaben, die Ballweg fälschlicherweise als Betriebsausgaben abgerechnet – und so Steuern in Höhe von genau 19,53 Euro hinterzogen hatte.
Ironischerweise muss – oder darf? – sich Udo van Neer vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten, an dem der FDP-Politiker bis vor nicht allzu langer Zeit als Richter noch ein- und ausging. Ganz sicher nicht das einzige Detail in diesem Fall, das beim objektiven und auf einen funktionierenden Rechtsstaat bauenden Beobachter einen mehr als nur schalen Beigeschmack hinterlässt…
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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