• 28. August 2025

Werte-Union im Bürgerkrieg – und mein Déjà-vu aus Russland

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Aug. 27, 2025
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Es gibt Muster in der Politik, die sich erschreckend oft wiederholen. Wer derzeit die Querelen in der Werte-Union verfolgt, dem drängt sich der Eindruck auf: Kaum sind mehrere Alpha-Persönlichkeiten in einer kleinen Partei versammelt, beginnen sie, sich gegenseitig zu bekämpfen. Der Gegner draußen verliert an Bedeutung, der Nebenmann wird zur Hauptgefahr.

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Wie konservative Medien wie „Tichys EInblick“ berichten – und dabei kaum verbergen, wie sehr sie das Schauspiel amüsiert –, ist der Machtkampf inzwischen offen ausgebrochen. Hans-Georg Maaßen fühlt sich von einer Mehrheit im Bundesvorstand ausgebootet – Jörg Meuthen, Sylvia Pantel, Schwarzer, Pfeifer, Pelz und Martens hätten eine eigene Fraktion gebildet, die hinter seinem Rücken Beschlüsse fälle. In Briefen an Vorstand und Mitglieder klagt er über „Machiavelli-Demokratie“, über Beleidigungen, Nötigungen und sogar „Tötungsphantasien“. 

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„Ich bin nicht bereit, als Gallionsfigur oder Frühstücksdirektor die Verantwortung für Schmutzeleien zu übernehmen“, schreibt Maaßen Seine Gegner werfen ihm im Gegenzug Autokratismus vor – er habe die Werte-Union geführt wie einst das Bundesamt für Verfassungsschutz.

SEDO

Hinzu kommen alte Rechnungen: Meuthen wirft Maaßen Nähe zur AfD vor, die durch ein gemeinsames Foto mit Alice Weidel sichtbar geworden sei. Frauke Petry, ebenfalls aus alten AfD-Schlachten schwer gezeichnet, tritt mit einer eigenen Liste in Baden-Württemberg gegen Meuthen an. Maaßen wirft Pantel in Nordrhein-Westfalen Missmanagement und persönliche Feindschaften vor. Im Förderverein verlor Maaßen ebenfalls Rückhalt – Ex-Admiral Kai-Uwe Schönbach zog sich, so jedenfalls ‚Tichys Einblick‘, wegen ihm aus dem inneren Führungskreis zurück und übernahm stattdessen den Förderverein und dessen Kasse. Kurz: Statt Einheit liefert die Werte-Union Drama.

Man muss sich die Szenen vor Augen führen: Ein Vorstand, der außerhalb der Gremien Beschlüsse fasst und den eigentlichen Bundesvorstand nur noch als Abnickgremium betrachtet – wenn man Tichy Glauben schenkt. Und, folgt man diesem Portal, eine Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, die aus persönlicher Antipathie sogar den eigenen Kandidaten im Wahlkreis fallen lässt. Dazu eine Spitze in Berlin, die einander mehr Beschimpfungen als Argumente entgegenwirft. Es geht längst nicht mehr nur um politische Differenzen – es sind offene Feindseligkeiten, die kaum noch zu kitten sind.

Als ich diese Briefe und Vorwürfe las, hatte ich sofort ein Déjà-vu. Ich habe solche Szenen in Russland erlebt – in den Jahren, als ich die Opposition beobachtete. Ein Spitzentreffen aller bekannten Anführer ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Man hatte sich versammelt, um endlich eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Da erhob sich ein Politologe, ein kluger Mann, kein Berufspolitiker, und sagte sinngemäß: „Das Ganze erinnert an die Titanic – während das Schiff sinkt, streiten Sie über die besten Kajüten.“ Treffender kann man das Drama der Selbstzerfleischung kaum beschreiben.

Auch dort kritisierten sich Oppositionelle oft härter gegenseitig als den Kreml. Wer nicht sofort zustimmte, galt schon als verdächtig – vielleicht ein FSB-Agent. Das Misstrauen war allgegenwärtig, manchmal begründet, oft paranoid. Und immer wieder gab es diese Stimmen im Brustton der Überzeugung: Nächstes Jahr werde das Regime fallen, Putin sei schwer krank, sein Ende stehe unmittelbar bevor. Das höre ich seit fünfzehn Jahren – das Regime steht immer noch.

Ich werde nie vergessen, wie der frühere Schach-Weltmeister und Kreml-Kritiker Garry Kasparow nach einer Festnahme und mehreren Tagen Haft aus der Gefängniszelle zurückkehrte. Er rief zwar weiter zu Demonstrationen auf, aber er selbst ging nicht mehr hin. Man konnte förmlich sehen, wie der Druck selbst die härtesten Figuren innerlich veränderte.

Natürlich: Deutschland ist nicht Russland. Hier gibt es keine Lager, keine Todesfälle im Gefängnis. Aber auch hier werden Regierungskritiker auf Demonstrationen von der Polizei geschlagen und sogar Abgeordnete kurzfristig festgenommen, es gibt Razzien im Morgengrauen, auch bei Abgeordneten, Konten werden gesperrt, Existenzen vernichtet, Karrieren durch Rufmord zerstört. Psychologische Folterinstrumente, wie man sie aus den Handbüchern von KGB und Stasi kennt – in einem Land, das sich demokratisch nennt.

Dass mich so vieles hier an Russland erinnert, halte ich nicht für Zufall. Putin und Merkel entstammen derselben Kaderschule, haben die gleiche politischen Sozialisation durchlaufen. Was ich in Russland erlebte, war für mich eine Schule, um auch in Deutschland die Mechanismen zu erkennen. Viele Westdeutsche haben bis heute keine Vorstellung davon, mit was für Methoden sie es inzwischen hier zu tun haben. Und sie sind blind für diese. Ja lachen über Menschen, die diese sehen – wie viele Ostdeutsche.

Aber zurück zur Opposition in Staaten, in denen die Demokratie entkernt wurde und es keinen fairen Wettbewerb gibt, keine demokratische Frischluftzufuhr. Das Muster bleibt dasselbe: Kleine Gruppen, große Egos, wenig Posten – und viel Druck von außen. Statt Inhalte gibt es Intrigen. Statt Geschlossenheit gibt es Briefe voller Vorwürfe. So verspielt man die Chance, eine reale Nische im politischen Spektrum zu besetzen.

Die russische Opposition scheiterte an Putin – und an sich selbst. Die Werte-Union scheitert bisher nur an sich selbst. In beiden Fällen zeigt sich: Der gefährlichste Gegner sitzt nicht draußen, sondern drinnen.

Dabei fällt umso mehr ins Gewicht, dass die Werte-Union eigentlich eine gewaltige Marktlücke füllen könnte. Es gibt viele Bürger, die mit der CDU und der CSU fremdeln, weil sie ihnen zu sehr nach links gerückt sind. Viele, die Rot-Grün für eine Zumutung halten. Und viele, die zugleich mit der AfD nichts anfangen können, weil sie dort zu viele Skandale und Provokationen sehen, zu viel Putin-Sympathie und USA-Hass. Diese Menschen suchen händeringend nach einer seriösen, verlässlichen, bürgerlichen Alternative, die fest im Westen verankert ist und nicht nach Moskau schielt. Eine Werte-Union könnte genau das sein – wenn sie geschlossen aufträte, wenn sie Sachpolitik statt Ego-Schlachten böte, Verlässlichkeit statt Intrigen.

Jörg Meuthen etwa hofft, in Baden-Württemberg ein starkes Ergebnis einzufahren. Es wäre ihm von Herzen zu wünschen – schon um zu zeigen, dass jenseits von AfD und CDU Platz für eine bürgerliche Kraft ist. Aber realistisch betrachtet wirkt diese Hoffnung – sehr, sehr diplomatisch ausgedrückt – sehr verfrüht. Eine Partei, die sich öffentlich im Streit zerlegt, überzeugt kaum jene Wähler, die gerade nach Stabilität und Seriosität suchen.

Als Journalist bemühe ich mich immer um Distanz zu allen handelnden Personen und Parteien. Aber ich kann nicht verhehlen: Auch ich hatte Sympathien für dieses Projekt. Gerade weil die politische Nische da ist und weil so viele Bürger auf eine verlässliche bürgerliche Stimme warten. Vielleicht ist es unfair, diese Sympathien zu verschweigen – doch umso größer ist meine Enttäuschung darüber, dass die Werte-Union diese Chance verspielt. Schon der Krach vor der Gründung, als Max Otte und Markus Krall sich im Streit mit Maaßen verabschiedete, hat mich sehr geschmerzt.  

Und dieser Schmerz geht noch weiter: Auch in der kritischen Medienszene, in der ich seit Jahren arbeite, erlebe ich dasselbe Muster. Leser schreiben mir immer wieder: Warum tun sich die kritischen Medien nicht zusammen? Warum bauen sie keine gemeinsame Gegenmacht auf? Die bittere Antwort lautet: weil sie sich oft mehr gegenseitig bekämpfen, als sie den eigentlichen Gegner kritisieren. Kaum einer gönnt dem anderen das Schwarze unter dem Fingernagel. Intrigen, Misstrauen, verletzte Eitelkeiten – es sind dieselben Mechanismen, die ich aus Russland kenne und die ich nun bei der Werte-Union wiedersehe.

Für jemanden, der sich einen Politikwechsel in Deutschland wünscht und unter der rot-grünen Hegemonie leidet wie ein Hund, ist es nur unter Schmerzen mit anzusehen, wie dramatisch die Werte-Union ihre Chancen weiter verspielt. Statt Einheit liefert sie Briefe voller Vorwürfe, statt Programmatik Putschgerüchte, statt Vertrauen Misstrauen. Und so bleibt die politische Nische unbesetzt – nicht, weil sie nicht da wäre, sondern weil diejenigen, die sie füllen könnten, zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind.

Es ist ein trauriges Schauspiel: Während Millionen Bürger nach einer Stimme suchen, die nicht rot-grün, nicht Merkel-CDU und nicht AfD ist, zerlegen sich die, die diese Stimme sein könnten, im Klein-Klein ihrer Intrigen. Sie spielen Titanic – und streiten imaginär um die besten Kabinen im Oberdeck, das weit außerhalb ihrer Reichweite ist, während das Schiff schon zu großen Teilen unter Wasser ist.

PS: Leicht fällt mir dieser Text nicht. Ich hätte mir gewünscht, über die Werte-Union anders schreiben zu können. Aber wer glaubwürdig sein will, muss auch dort denselben kritischen Maßstab anlegen wie bei allen anderen – gerade dann, wenn man Sympathien für die Ziele, die Ausrichtung und die Akteure hat. In Deutschland wird Kritik leider oft als Bösartigkeit empfunden; ich sehe das genau umgekehrt: Gerade wenn man etwas ernst nimmt und ihm Sympathie entgegenbringt, muss man es besonders kritisch begleiten. Denn nur Kritik hilft, Fehler zu erkennen und auszubessern.

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Bild: Shutterstok

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