• 28. Mai 2025

An die Waffen: Dieter Stein und der Ukrainekrieg der Bundesregierung

ByRSS-Feed

Mai 27, 2025

Zunächst einmal Respekt dafür, dass Dieter Stein jetzt Farbe bekannt hat. Aber wie viel Gewicht haben hier Gelb und Blau neben den deutschen Farben? Im Anhang gibt es Steins Rede ungekürzt. Vorab aber ein energisch formulierter Widerspruch.

Und weil sich Dieter Stein in seinem Spontanvideo als Wehrdienstleistender der Jahre 1988/89 vorstellt, will ich mit meiner Biografie nicht hinterm Berg halten: Ich war etwa zeitgleich Zivildienstleistender in der Asylantenbetreuung beim Sozialamt in Helmstedt. Und ich war es besonders lange, denn damals dauerte der Ersatzdienst zwanzig Monate. Also fast zwei Jahre, während derer ich als junger Mann nicht in Ausbildung sein oder studieren konnte, wie es meine weiblichen Schulkameraden und die Ausgemusterten taten.

Dieter Stein war damals 15 Monate im Wehrdienst. Das durchaus aufwendige Prozedere der Verweigerung war eine wohlüberlegte Gewissensentscheidung, die ebenfalls eine Beantwortung der Frage verlangte, die Stein an den Anfang seiner Ansprache an seine Leser stellte:

„Bist du bereit, Deutschland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen?“

Das musste ich damals mit Blick auf zwei verheerende Weltkriege kategorisch verneinen. Männer meiner Familie sind in diesen Kriegen elend gestorben, die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs mit all seinen kulturellen Umwälzungen hatten eben nicht dazu geführt, einen zweiten Durchgang unmöglich zu machen. Für einen dritten wollte ich nicht zur Verfügung stehen.

Über all diese Dinge musste sich ein bundesdeutscher junger Mann damals zwischen seinem 17. und 21. Lebensjahr Gedanken machen – für die in der DDR aufgewachsenen Männer war es unvergleichbar schwieriger, den Dienst an der Waffe zu verweigern.

Dieter Stein ging als 22-Jähriger den Weg seiner Vorfahren. Über seinen persönlichen Entscheidungsprozess erfährt man in seiner Rede nichts. Aber es gibt ein paar grundsätzliche Fragen in dieser Debatte: Für mich ist es nur schwer nachvollziehbar, warum sich der Patriot Dieter Stein hier für die Sache der Ukraine instrumentalisieren lässt. Denn nur darum geht es ja. Aber dazu gleich mehr.

Zu den großen Errungenschaften unserer Zeit gehört es nun mal, dass eine militärische Auseinandersetzung mit unseren Nachbarn undenkbar geworden ist. Niemand kann ernsthaft einen Militärschlag der Dänen, der Franzosen oder der Polen fürchten. Sicherlich ist auch das ein Verdienst der deutsch-europäischen Nachkriegspolitik.

Wer sich, wie jetzt Dieter Stein, 2025 fragt, ob man bereit sei, Deutschland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, der kann damit nur gegen Russland meinen, der liefert sich den Kriegstreibern aus, von Merz über Strack-Zimmermann bis Kiesewetter.

Es kann 2025 überhaupt nur eine Motivation dafür geben, zu fordern, Deutschland kriegstüchtig zu machen. Und Stein gesteht es ja ein, auch wenn er den entscheidenden Satz – wohlwissend seiner Bedeutung – hingehuscht hat: „Aber ich sehe, das ist momentan nicht der Fall.“ Nicht der Fall ist für Stein, „dass Hasardeure im Amt sind und Deutschland verantwortungslos in kriegerische Konflikte führen“.

Was wiederum nichts anderes bedeuten muss, als dass der Herausgeber der Jungen Freiheit die aktuelle Ukrainepolitik der Bundesregierung gutheißt.

Dieter Stein fragt nach der Bereitschaft, wie er es wörtlich formuliert, „mit dem eigenen Leben dafür einzustehen, dass diese Gemeinschaft, diese Nation überlebt“. Und er macht es zu einer Unzeit. Zu einer Zeit, wo „Gemeinschaft und Nation“ – Volk möchte offenbar auch ein Dieter Stein nicht mehr sagen – nicht von fremden militärischen Mächten bedroht werden, sondern von einer ideologisch gesteuerten Überfremdung, einer ideologisch bedingten Zerstörung der Wirtschaft und einer durch nichts zu rechtfertigenden Schicksalsfrage, die Deutschland an die Ukraine binden und gegen Russland aufstellen soll.

Ich kann keine Erklärung dafür finden, warum sich Dieter Stein wissentlich diesen Kriegstreibern unterwirft. Es kann ja nicht sein, dass der kluge Herausgeber dieser jahrzehntealten Publikation hier in einer fatalen Nostalgieanwandlung weiter in den Denkmustern des Kalten Krieges verhaftet ist. Oder noch undenkbarer: Hier immer noch das Feindbild des bösen Russen seiner Vorfahren mit sich herumschleppt.

Was mich besonders an diesem Stein-Text stört (den Text eines Journalisten den ich schätze), ist diese ungerechtfertigte Überheblichkeit und Arroganz jenen gegenüber, die anderer Auffassung sind. Für Stein ist das Nachdenken über Frieden und diplomatische Lösungen bereits das unnötige Produkt irgendwelcher „pazifistischer Formeln“ oder „irgendeines Geredes über Diplomatie“. Schlimmer: „totaler Schwachsinn. Vollkommen illusorisch.“

Dieter Stein wirkt da leider unglaubwürdig, wo er seine stereotypen Denk- und Handlungsmuster der 1980er Jahre in die Jetztzeit überträgt und mit Argumenten unterfüttern muss. Da muss der Verfechter eines „Leben-für-das-Vaterland-Geben“ bis ins „Rote Meer“ ausweichen, „wo Handelsschiffe von diesen Huthi-Rebellen“ angegriffen werden. Dieter Stein meint, „ohne in Militärbündnissen verbunden zu sein, könnte man das weltweite Handelsnetz auch der deutschen Handelsmarine und andere Dinge nicht schützen.“

Das allerdings ging bisher ja auch. Und es ging auch mit einer kleineren deutschen Berufsarmee. Und niemand hat das zudem vor dem Ukrainekrieg ernsthaft in Frage gestellt! Stein meint, die Sprengung der Pipeline sei der klare Beweis dafür: „Man kann es mit uns machen!“

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Dagegen will Stein nun aufrüsten bis tief in die Köpfe unserer jungen Männer? Das ist nun wirklich gefährlicher Unsinn. Denn wenn die USA dahinterstecken, sollten wir den USA dann den Krieg erklären? Oder hätte eine stärkere deutsche Marinepräsenz so einen Anschlag verhindern können? Natürlich nicht. Es sind doch dieselben Kriegstreiber in der Bundesregierung, die diesen Anschlag sogar noch gutheißen!

Noch etwas ist höchst erstaunlich: Dieter Stein erwähnt die Ukraine und einen Einsatz in der Ukraine mit keinem Wort. Aber diese Leerstelle dröhnt durch seinen gesamten Vortrag, dass einem die Ohren wehtun.

Hier folgt jetzt die ungekürzte Ansprache von Dieter Stein und seine Aufforderung, mit ihm darüber zu diskutieren. Ich habe dieses Angebot wahrgenommen. Jetzt sind Sie dran.

Aber vorab Dieter Stein:

„Bist du bereit, Deutschland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen? Im Ernstfall? Nach einer Umfrage von Forsa sagen nur noch 17 Prozent der Deutschen „Ja“ dazu. Ich finde das ein alarmierendes Zeichen. Es zeigt, wie gering die Wehrbereitschaft ist in Deutschland, wie wenigen es wichtig ist, im Ernstfall die eigene Nation zu schützen.

Ich habe selbst in den 80er Jahren, 1988/89 meinen Wehrdienst geleistet. Damals war Deutschland noch geteilt. Es war damals auch eine schwierige Frage, weil man im Ernstfall hätte auf Deutsche schießen müssen und weil vielleicht im Ernstfall sogar Deutschland zu einem atomaren Schlachtfeld geworden wäre. Trotzdem ist das eine essentielle Frage. Deutschland ist eine Nation, muss sich als Nation verstehen. Und wenn im Ernstfall nicht eine Mehrheit dazu bereit ist, auch mit dem eigenen Leben dafür einzustehen, dass diese Gemeinschaft, diese Nation überlebt, dann kann man sich fragen, warum dieser Staat, diese Gemeinschaft überhaupt noch eine Zukunft haben soll.

Früher war das vor allen Dingen auf der Linken eine Modeerscheinung, zu sagen, man verweigert den Wehrdienst, man ist gegen die Armee, gegen die Bundeswehr und hat das kultiviert, das ist nach wie vor so. Aber es macht sich jetzt auch „rechts“ diese Haltung breit: Ohne mich! Und manche sagen: Ja, für diese BRD bin ich nicht bereit zu kämpfen! Oder: Es ist die falsche Regierung im Amt! Aber man muss sich mal fragen: Sind denn auch Rettungssanitäter, sind Polizisten, das THW – sind auch die nur im Einsatz, wenn gerade die passende Regierung im Amt ist?

Natürlich ist entscheidend, dass nicht Hasardeure im Amt sind und Deutschland verantwortungslos in kriegerische Konflikte führen. Und darüber kann man sich hin und wieder natürlich streiten. Aber ich sehe das (ist) momentan nicht der Fall. Grundsätzlich gibt es aber die immerwährende Kritik, Deutschland wäre zu wenig souverän und Deutschland würde sich herumschubsen lassen, wäre erpressbar.

Ja, also man ist erpressbar, wenn man nicht selbst in der Lage ist, sich notfalls zu verteidigen. Wir konnten das sehen – Die Sprengung der Nord Stream Pipeline hat uns das auf dem Silbertablett serviert. Wir sind nicht in der Lage, unsere Infrastruktur zu sichern. Und in dem Zusammenhang sage ich zum Beispiel auch immer: Es ist mir fast egal, ob das die Amerikaner, die Polen, die Ukrainer oder die Russen waren, die die Nord Stream Pipeline gesprengt haben. Entscheidend ist, dass man uns gezeigt hat: Man kann es mit uns machen!

Wir haben keine intakte Auslandsaufklärung. Wir sind militärisch nicht in der Lage, unsere verletzlichen Leitungen zu schützen. Wir sind offensichtlich erpressbar. Und wenn wir das abstellen wollen, dann genügen dafür nicht irgendwelche pazifistischen Formeln oder irgendein Gerede über Diplomatie. Natürlich braucht man immer entscheidend Diplomatie und Verständigung, aber man muss im Ernstfall auch die Waffen auf den Tisch legen können. Man muss im Ernstfall in der Lage sein, sich zu schützen und potenzielle Gegner abzuschrecken. Und solange es Staaten gibt, solange wird wechselseitig getestet, wie schwach jemand ist.

Und Deutschland ist viel zu schwach. Und deshalb werden wir erpresst. Und sind wir verletzlich auf unseren Handelswegen. Sehen wir nur noch in das Rote Meer, wo Handelsschiffe angegriffen werden von diesen Huthi-Rebellen. Wer schützt diese Handelsschiffe rund um die Welt? Und auch hier: Es ist eine romantische Vorstellung zu sagen, Deutschland könnte aus Militärbündnissen austreten und irgendwie wie die Schweiz auf sich allein gestellt sein. Totaler Schwachsinn. Vollkommen illusorisch.

Ohne in Militärbündnissen verbunden zu sein, könnte man das weltweite Handelsnetz auch der deutschen Handelsmarine und andere Dinge nicht schützen. Also die Sachen sind viel komplizierter, als wir manchmal denken. Noch mal zurück zur Ausgangsfrage: Bist du bereit, im Ernstfall für Deutschland zu kämpfen? Schreibt es mir in die Kommentare. Ich bin sehr neugierig darauf auf das Für und Wider von euch. Ansonsten bleibt gut gelaunt und zuversichtlich. Euer Dieter Stein.“

Zur Quelle wechseln
Author:
Alexander Wallasch

Teile den Beitrag mit Freunden