Eine 13-Jährige wird auf einem Volksfest Opfer einer Vergewaltigung – und niemand soll es erfahren. Keine Pressemitteilung. Kein Hinweis. Kein Wort. Stattdessen: Fast drei Wochen Tage Schweigen von Polizei, Staatsanwaltschaft und regionalen Medien.
Der Vorfall ereignete sich laut Behörden am 4. April 2025 am Rand des Volksfestes in Landsberg am Lech. Der mutmaßliche Täter: ein 15-jähriger Bekannter des Opfers aus der Schule. Laut Angaben der Kriminalpolizeiinspektion Fürstenfeldbruck laufen die Ermittlungen noch – die Staatsanwaltschaft Augsburg bestätigte auf Anfrage, dass kein Haftantrag gestellt wurde. Man habe die rechtlichen Voraussetzungen dafür nach § 72 JGG nicht als gegeben angesehen.
Was schwerer wiegt als die juristischen Feinheiten: dass weder Öffentlichkeit noch Medien in Kenntnis gesetzt wurden – nicht nach drei Tagen, nicht nach einer Woche, nicht einmal nach zwei Wochen. Erst als der Landtagsabgeordnete Andreas Jurca (AfD) am 22. April eine förmliche Anfrage an die Pressestelle der Staatsanwaltschaft stellte, setzte er damit einen Prozess in Gang, der nicht mehr aufzuhalten war. Die Behörde weigerte sich zwar, Jurca zu antworten („Sie sind kein Pressevertreter und haben somit keinen presserechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG.“). Doch der Abgeordnete schickte seine Anfrage und die Antwort dann in Kopie auch an den Bayerischen Rundfunk (BR), an die Augsburger Allgemeine (AZ) und an mich. Daraufhin kam Bewegung in die Sache – allerdings erst zwei Tage später.
Der Moment, in dem plötzlich öffentlich wurde, was man offenbar lieber unter der Decke gehalten hätte, lässt sich auf die Minute genau festhalten:
Chronologie des Schweigens:
– 22. April: Jurca informiert Augsburger Allgemeine und Bayerischen Rundfunk über den Verdacht und die Reaktion der Staatsanwaltschaft.
– 24. April, 14:22 Uhr: Meine Presseanfrage an die Staatsanwaltschaft.
– 24. April, 17:14 Uhr: Die Augsburger Allgemeine veröffentlicht den Artikel – zwei Tage, nachdem Jurca sie auf die Gerüchte hingewiesen hatte.
– 28. April, 10:23 Uhr: Die Staatsanwaltschaft antwortet auf meine Anfrage.
Die „Augsburger Allgemeine“ beginnt ihren Artikel mit dem Satz: „Aufgrund eines Anrufs bei der Augsburger Allgemeinen wurde ein Sexualdelikt jetzt öffentlich.“
Was sie nicht erwähnt: Zwei Tage zuvor hatte sie bereits wie ich die schriftliche Anfrage des Landtagsabgeordneten Andreas Jurca per in Kopie erhalten – inklusive Hinweis auf die brisante Tatsache, dass über die mutmaßliche Tat bislang niemand berichtet habe.
Der Satz vom „Anruf“ als Quelle der Information wirkt wie Realsatire.
Er ist eigentlich nur damit zu erklären, dass man in der Redaktion nie in die Kunst des E-Mail-Empfangs eingewiesen wurde – und offenbar nicht verstand, dass Jurcas zwei Tage zuvor versandte Mail auch an andere Adressaten ging.
Und einige davon konnten sogar lesen.
Aber wollen wir dennoch – oder gerade wegen dieser Ungeschicklichkeit – großzügig den Mantel der Unschuldsvermutung über die Redaktion ausbreiten:
Vielleicht arbeitet das kollektive Gedächtnis der Kollegen einfach nur selektiver als ein Parteitag in Wahlkampfzeiten – denn wer würde ihnen unterstellen wollen, dass sie bewusst zu dem gegriffen haben, was man gemeinhin eine glatte Unwahrheit nennt.
Was die journalistische Einordnung angeht, ist indes keine Milde statthaft:
Dass die Redaktion das Thema in nur 14 Zeilen abhandelt – ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass die mutmaßliche Tat zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Tage zurücklag und Behörden sowie Medien bis dahin geschwiegen hatten – lässt sich kaum anders werten als eine stille Komplizenschaft im Verschweigen.
Mehr noch: Dass die Augsburger Allgemeine, nachdem sie von Jurca informiert wurde, zwei Tage lang schweigt – und dann keine drei Stunden nach meiner Anfrage an die Staatsanwaltschaft plötzlich das Schweigen bricht – ist sicher einer von den vielen unerklärlichen Zufällen, die wir heute erleben, wenn es um unliebsame Themen geht.
Vielleicht haben die Kollegen in der Redaktion hellseherische Fähigkeiten.
Oder sie verfügen über Kenntnisse in Telepathie – etwa, wann kritische Konkurrenz heiklen Themen auf der Spur ist und bei der Staatsanwaltschaft nachfragt.
Auch, dass die Staatsanwaltschaft sich mit meiner Presseanfrage vier Tage Zeit lässt, ist bemerkenswert. Früher galt: Bei schweren Vorwürfen reagieren Staatsanwaltschaften prompt, sachlich und offen. Heute scheint das selektiver gehandhabt zu werden.
Der Verdacht drängt sich auf: Öffentlich gemacht wurde der Fall nicht aus Überzeugung, sondern aus Not. Nicht, weil man es für richtig hielt, sondern weil der Druck zu groß wurde und sich ein Bekanntwerden nicht mehr verhindern ließ.
Wer jetzt glaubt, es handele sich um einen tragischen Einzelfall, irrt leider.
Bereits bei der Vergewaltigung einer 15-Jährigen im August 2020 schwieg die Polizei zunächst tagelang – erst dank eines Polizei-Insiders, der aus Empörung des Schweigens der eigenen Behörde auf mich zukam, wurde der Vorfall bekannt. Auch hier waren die zeitlichen Zusammenhänge überaus merkwürdig, wie im Augsburger Fall (siehe hier).
Ebenfalls in Berlin wurden mehrere mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen 2023 von der Polizei lange verschwiegen – bis kritische Medienberichte den entscheidenden Druck erhöhten (siehe hier).
Auch nachdem ein Tunesier 2023 im sachsen-anhaltinischen Halle eine Schülerin so brutal vergewaltigte, dass das Mädchen tagelang im Krankenhaus liegen musste, kam es überhaupt erst zur Veröffentlichung, als unabhängige Portale den Behörden auf den Zahn fühlten (siehe hier).
Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Immer wieder dasselbe Muster: Schweigen. Verzögern. Verharmlosen.
Natürlich steht außer Frage, dass Minderjährige geschützt werden müssen – sowohl Opfer als auch Tatverdächtige. Aber schützt man ein 13-jähriges Opfer, indem man fast drei Wochen lang so tut, als sei nichts geschehen? Oder schützt man in Wahrheit ein fragiles Narrativ, eine politische Empfindlichkeit, eine bequeme Ruhe?
Wer in einem Fall wie diesem nicht informiert, produziert genau das, was angeblich vermieden werden soll: Gerüchte. Vertrauensverlust. Ohnmacht.
Der Rechtsstaat lebt von Transparenz. Und Vertrauen lebt von Klarheit.
Wenn aber die entscheidenden Informationen über einen mutmaßlichen schweren Übergriff auf eine Minderjährige im öffentlichen Raum nur dann publik werden, wenn die Gerüchteküche mehr als zwei Wochen brodelt, so laut, dass Abgeordnete und Journalisten massiv nachhaken, stellt sich eine einfache, aber unbequeme Frage:
Wer hat hier eigentlich wem gegenüber eine Informationspflicht – und wem gegenüber einen Schutzauftrag?
Die oben minutiös aufgeführte Chronologie von Presseanfragen und Artikel spricht für sich. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um sich dabei seinen Teil zu denken.
Aber sicher war einfach nur gerade niemand zuständig.
Wie so oft in diesem Land, wenn es um Realitäten geht, die nicht in die politische Agenda passen.
CDU unterschreibt ihr Ende – Koalitionsvertrag macht sie endgültig zu rot-grünem Erfüllungsgehilfen
„UN-fähig“ in New York: Wie Merz Baerbock peinlich nach oben rettet – und was dahinter steckt
Eine Billion neue Schulden – gesamte Union knickt feige ein! Der Bückling des Jahres vor Rot-Grün
Bild: Shutterstock.com
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de
Behörden verschwiegen Vergewaltigung von Kind durch bulgarische Paketboten…
Zwei Praktikanten vergehen sich im Lageraum brutal an einer 13-Jährigen, die Behörden behalten das monatelang für sich, Journalisten schlucken das – und machen dafür den Namen des Kindes öffentlich. Zum Fremdschämen.
Gruppenvergewaltigung in Rostock? Polizei verschweigt wichtige Details
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so wäre es ein handfester Skandal. Mit einer ausführlichen Beschreibung fahndet die Polizei nach den mutmaßlichen Tätern. Viel wichtiger aber ist, was dabei nicht erwähnt wird.
Frei nach Gruppenvergewaltigung: Für die ARD Erfolg statt Skandal!
Auf unfassbar dreiste Art redet es eine NDR-Journalistin schön, dass acht von neun Gruppenvergewaltigern in Hamburg auf freien Fuß kamen. Ich habe ihren Kommentar für Sie dechiffriert.