Gleich drei renommierte Fahrradfirmen aus Deutschland feiern in diesen Tagen 20-Jahres-Feste: Im April 1995 wurde Velotraum gegründet. Im gleichen Jahr begann Riese & Müller mit der Auslieferung des Faltrades „Birdy“ und transformierte so vom Accessoire-Hersteller zum Fahrradanbieter. Und vom 17. bis 19. April schmeißt die Mountainbike-Schmiede Nicolai ihre große 20-Jahres-Party. Ein Jubiläum, ein Werkstoff (Aluminium) und doch drei sehr unterschiedliche Philosophien und Wege zum Erfolg, wie Gunnar Fehlau, Fahrradexperte und Geschäftsführer des pressedienst-fahrrad, im Gespräch mit den Geschäftsführern der Jubilare herausfand.
[pd-f/GuF] Der Fahrradbranche werden zwei Geburtsstunden zugesprochen: Im Rahmen der ersten europaweiten Industrialisierungswelle zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Fahrrad binnen weniger Jahrzehnte vom elitären Freizeitgefährt zum Vehikel der ersten Welle individueller Massenmobilität. Ab den 1980ern eröffnen sich zwei Entwicklungsstränge: Die spaßorientierte Mountainbike-Bewegung, ausgehend von der Westküste der USA, und die ökologische Bewegung in Zentraleuropa. Auf der einen Seite Adrenalinsause im Marin County. Auf der anderen Seite Radfahren als ökologische Verhaltensweise und damit in Zeiten von Waldsterben und Tschernobyl-Atomunfall auch als politisches Statement. Von Beginn an haben sich beide Radwelten auf der technischen Ebene ausgetauscht. So finden sich an den ersten Mountainbikes, wie sie etwa Tom Ritchey gebaut hat, französische Tretkurbeln – seinerzeit Standard am europäischen Reiserad. Umgekehrt haben die europäischen Alltagsradler die stabilen Komponenten und Laufräder der Mountainbiker an ihren Rädern übernommen. Seit Mitte der 1990er lässt sich aber auch feststellen, dass die beiden Radkulturen zusammenwachsen.
Die drei Jubilare stehen dafür beispielhaft. So hat Stefan Stiener, „Mr. Velotraum“, nach einem Sportunfall Anfang der 1990er aufs Rad umgesattelt und die Sportlichkeit des Mountainbikes zwar lieben gelernt, dessen fehlende Abstimmung aufs Reisen jedoch bemängelt. Die Fusion von MTB-Technik mit den Anforderungen an ein modernes Reiserad musste er in Eigenregie vornehmen. Ich hatte 1993 die Möglichkeit, eines seiner ersten Räder für das damalige ADFC-Mitgliedsorgan „aktiv Radfahren“ zu testen. Mein Fazit: „Das Velotraum muss selbst für 28-Zoll-Anhänger als Alternative betrachtet werden. Für die Fans der kleinen Laufräder, die Komfort suchen, kann das neue Reiserad nur einen Velotraum-Aufkleber am Oberrohr haben.“
Auch beim Hersteller Riese & Müller ist der Gründungscocktail aus den Zutaten MTB-Technik und europäische Anwendungsrealität gemixt. Markus Riese und Heiko Müller waren fasziniert von der Idee eines Faltrades, das sich flexibel mit Bahn, Auto & Co. kombinieren lässt. Ihre Ansprüche an Fahrdynamik und -tempo waren allerdings nicht an den billigen Klapprädern der 1970er orientiert, sondern „an ultraleichten und voll durchgetunten Alu-Mountainbikes aus den USA“, wie sich Firmengründer Müller erinnert. Binnen drei Jahren Entwicklungszeit kreuzten die beiden MTB-Fahrdynamik und -technik mit den Anforderungen an Intermodalität und urbanes Fahrradfahren. 1995 wurden die ersten „Birdy“ genannten Falträder verkauft. Eines der ersten Exemplare konnte ich im Sommer 1995 im Rahmen der Bergisch Gladbacher Liegeradtage auf Rad- und Feldwegen testen. Mein Urteil war ähnlich dem des Radmagazins „Tour“, das im Sommer des gleichen Jahres das Birdy testete – Redakteur Robert Kühnen schrieb: „Der Newcomer unter den Falträdern startet gleich durch. [ … ] Fazit: Das Birdy bietet zu einem attraktiven Preis in unserem Testfeld die beste Synthese aus Fahren und Falten.“
Bei Karlheinz Nicolai hatte die Initialzündung die umgekehrte Wirkrichtung: Er hatte viel Spaß mit den ersten Mountainbikes, schüttelte als Maschinenbaustudent und aktiver Motocrosser jedoch den Kopf über den Entwicklungsstand der MTB-Technik. So zog er aus in die USA, um dort das Mountainbike weiterzuentwickeln. Ein besonders umfassender Entwicklungs- und Produktionsauftrag brachte in Deutschland 1995 als Spross die Nicolai GmbH hervor. Noch heute ist es sein Ansatz, den kindlichen Fahrspaß Mountainbike durch immer neue Innovationen zu bewahren.
1. Wie alles anfing
Gunnar Fehlau (F): Was hat bei euch zu dem Entschluss geführt, Fahrräder zu bauen?
Stefan Stiener, Velotraum (S): Ich kam über den Sport, über das Erleben, den Spaß zum Fahrrad. Mich hat aber auch schon immer die Technik fasziniert – relativ einfach und überschaubar, aber wenn man tiefer einsteigt voller Komplexität und Potenzial. Erst waren es Rennräder, die wir dann aber auch schon für Reisen umgebaut haben, also die ersten Randonneure: irgendwie so ein „Le Mans“-Rahmen von Centurion, ausgestattet mit Ösen und Dreifach-Kurbelgarnitur. Dem Rennradsport haben wir uns nicht wirklich zugehörig gefühlt, der war uns zu eng, zu muffig, zu traditionell, auch nicht innovativ genug. Das MTB kam dann 1988/89, da waren wir sofort dabei, und zwar volle Lotte, mit allem, was damals gut, neu, teuer und besonders angesagt war. Wir waren wahrscheinlich das erste Kellergeschäft, das Gary Klein hatte, Specialized oder Rocky Mountain.
Heiko Müller, Riese & Müller (M): In den Achtzigerjahren gab es hochwertige Fahrräder im Wesentlichen in den Bereichen Mountainbike, Rennrad und Reiserad. Den ersten hochwertigen Tourer habe ich für 3.000 DM gekauft – unglaublich viel Geld zum damaligen Zeitpunkt. 1988 habe ich das erste Cannondale-MTB gekauft. Ich bin damals Rennrad gefahren, Mountainbike, und war mit dem Rad auf Reisen. Was uns aber fasziniert hat, war, die Technik der vollgefederten Mountainbikes in die Stadt zu bringen.
F: Kalle, du hattest ja schon so ein bisschen skizziert, dass ihr im Prinzip eine Ausgründung eines amerikanischen Entwicklungsauftrages seid.
Karlheinz Nicolai, Nicolai GmbH (N): Also, um das genauer zu erklären, muss ich anmerken, dass ich, bevor ich mich selbständig gemacht habe, Fahrrad – das heißt Mountainbike – sozusagen als Trainingsmobil gefahren bin, aber eben auch Motocross und Enduro. Daher kannte ich damals die ganze Fahrwerkstechnik von Motorrädern sehr genau. Da gab es schon Dämpfer mit Zug- und Druckstufenregelung, hydraulische Federung und so weiter, und ich fand es immer unfair, dass sozusagen der Handel bzw. die Marken für den Endverbraucher beschlossen haben, dass man so etwas an einem Fahrrad nicht braucht.
2. Märkte, Preise, Positionen
F: Was hat euch denn wieder vom Mountainbike abwandern lassen?
S: Das Massengeschäft ist prinzipiell nicht kundenspezifisch genug. Der Preis steht einfach an allererster Stelle. Wir haben dagegen schon immer den Weg gewählt, individualisierte Produkte zu machen, Produkte, die ein eigenes Profil haben.
M: Die Mountainbikes waren ja voll auf der Überholspur, als wir so richtig eingestiegen sind. Aber schon 1995 haben wir gesagt: „Das ist ein Massenmarkt, der ist für uns nicht mehr interessant. Wir suchen neue Nischen, in denen wir uns austoben können.“ Uns hat dann tatsächlich das Thema Alltagsrad mit moderner Qualität viel mehr interessiert.
N: Es gab im Fahrradfachhandel sehr viele mittelmäßige Produkte. Wir haben die Produkte, die wir fahren wollten, selbst gebaut, haben uns Urlaub genommen und sind am Gardasee fahren gegangen. Schon damals sind wir mit Mountainbikes mit 150 mm Federweg rumgefahren, wo sich alle nur an den Kopf gefasst haben. Heute fährt jeder so einen Federweg, selbst in einer Enduro-Veranstaltung. Den Technologietransfer aus einer anderen Branche haben wir genutzt, um uns zu etablieren.
3. Die Wendung zur Geschäftsidee
F: Erklärt dieser Fokus auf die schnelle Übertragung neuer Technologien auch, warum ihr die Rahmen am Ende mit so einer hohen Fertigungstiefe selbst macht?
N: Ja, wir konnten einen Technologietransfer realisieren, ohne dass die Produkte aus Asien den langen Seeweg haben. So waren wir immer in der Lage, eine Ecke vor der Konkurrenz lieferfähig zu sein. Das haben wir als Mechanismus genutzt und etabliert.
M: Wir haben gesehen, dass es unglaublich viel Spaß macht, mit den vollgefederten Mountainbikes auch in der Stadt rumzufahren und sie im Alltag zu benutzen. Aber der Alltag stellt natürlich andere Anforderungen an ein Fahrrad. Das fängt ganz banal bei Schutzblechen und Gepäckträgern an und geht bis zu einem tieferen Durchstieg, um bequem aufzusteigen. All diese Themen waren beim Mountainbike nicht gelöst und das führte dann letztendlich zu unserer ersten Produktpalette an vollgefederten Alltagsrädern – genau diese Verknüpfung zwischen der Technik der vollgefederten Mountainbikes und den Anforderungen im Alltag.
4. Faktor: Emotion
F: Fahrrad ist bei euch mehr als ein Rahmen und zwei Räder – nicht nur technisch betrachtet. Welchen Stellenwert nimmt die emotionale Komponente ein?
S: Ich sage mal so: Wir laden unser Produkt emotional auf, ja. Aber wir schauen, dass das Versprechen auch eingehalten wird. Ich bin mir sicher, dass es für die Menschen, die wir ansprechen wollen, einfach immer ein tolles Gefühl sein wird, mit einem Fahrrad unterwegs zu sein, auf das ich mich verlassen kann, das für mich gemacht worden ist, wo ich sage, das gehört schon ein Stück weit zur Reise dazu, dass man sich ein tolles Fahrrad leistet.
M: Fahrradfahren ist Lifestyle und der findet nicht isoliert in der Freizeit statt. Ein Rad, das als täglicher Begleiter taugen soll, muss alltagstauglich sein. Das heißt aber noch lange nicht, dass es alltäglich aussehen muss. Wir sind nicht die einzigen, die Falträder bauen, aber das Birdy erkennt man sofort.
N: Es kommt nicht nur auf das Was, sondern auch auf das Wie an. So wie sich der speziell angefertigte rahmengenähte Schuh nicht nur handwerklich auf einer besonderen Ebene befindet, sondern auch eine emotionale Aura versprüht, so tut dies auch der individuell gefertigte Rahmen. Diese Emotionen sind eine Qualität an sich, aber die Basis ist natürlich ein handwerklich und technisch perfektes Produkt. Das kann von keiner Emotion ersetzt werden, sondern nur deren Nährboden sein.
5. Gemeinsamkeit: Aluminium
F: Stefan, Ihr habt angefangen mit Stahl und seid dann irgendwann auf Alu geschwenkt. Warum früher Stahl, warum heute Alu und was kommt morgen?
S: Zunächst war Stahl relativ einfach, als wir angefangen haben, eigene Rahmen bauen zu lassen. Wir sind mit Stückzahl 50 gestartet. Zieh da mal einen Lieferanten an Land! Fündig wurden wir damals bei der Firma Fort in Tschechien, aber die haben halt nur Stahl gemacht. Unsere Fahrräder hatten aber immer auch sportliche Gene, das Multifunktionale, das Leichte, Agile. Irgendwann haben wir gesagt: „Mensch, wir würden gerne was aus Aluminium machen.“ Ich komme aus einem technischen Beruf und weiß um naturwissenschaftliche Parameter, Trägheitsradius und so weiter. Aluminium bietet uns alle Möglichkeiten, die wir brauchen. Zum Beispiel auch Fahrräder für sehr große Leute zu konstruieren, ohne dass die Rahmen fünf Kilo wiegen und grauenhaft aussehen. Wir haben nie eine Wissenschaft oder Philosophie draus gemacht, sondern einfach gesagt, wir nehmen das sinnvollste, beste Material. Deshalb haben wir auch noch ein, zwei Stahlrahmen im Programm, für Globetrotter, die jahrelang unterwegs sind und das Ding irgendwann, irgendwo reparieren lassen müssen. Karbon macht im Alltagsbereich keinen Sinn und geht im Reiseradbereich gar nicht. Wenn ich mir Reiseberichte von unseren Kunden angucke, wundere ich mich manchmal, dass unsere Räder das überleben. Missbrauch auf höchster Stufe, was da teilweise getrieben wird.
M: Für mich ist Aluminium das perfekte Rahmenmaterial. Man kann viele Dinge machen, die man mit anderen Werkstoffen nicht realisieren kann – gerade bei vollgefederten Konzepten. Ich sehe auch den Werkstoff Karbon beim Alltagsrad als nicht besonders glücklich an. Einfach weil im Alltag viele Gefahren lauern, die den Fahrradrahmen nachhaltig und unbemerkt schädigen können. Das habe ich beim Rennrad oder beim Mountainbike in der Form nicht, so ein Rad hüte ich wie meinen Augapfel, häng mir das ins Wohnzimmer oder wie auch immer und lass es garantiert nicht unbeaufsichtigt irgendwo stehen. Ich weiß genau, wenn dem Rahmen irgendwas zugestoßen ist, ich kann das untersuchen und beurteilen. Tatsächlich sehe ich auch das Recyclingthema beim Karbonrad nicht gelöst. Es gibt da keine schlüssigen Konzepte, und deswegen finde ich nach wie vor den Aluminiumrahmen in der Summe, auch der Materialeigenschaften, ganz klar als idealen Werkstoff.
N: Das stimmt! Okay, Alu braucht erst mal eine gewisse Energie in der Herstellung, ist dann aber unendlich recycelbar. Außerdem ist es kein Kompromiss. Aluminium ist sehr leistungsfähig. Ich kann viele Dinge umsetzen, die ich in Stahl oder Karbon in der Skalierung, die wir als Nicolai GmbH haben, nicht umsetzen kann. Zum Beispiel haben wir sehr ausgeklügelte Lagerungen, Dichtungen, mechanische Unterbaugruppen, und da stößt man dann beim Werkstoff Stahl, der vor zwanzig Jahren noch sehr en vogue war, schnell an Grenzen. Wir finden Alu gut und bleiben dabei. So vor zehn, fünfzehn Jahren hatten wir das Gefühl, als ob wir auf einem aussterbenden Ast säßen, aber Reindustrialisierung und Fertigung auch von Aluminiumrahmen wird wieder ein Thema hier in Europa. Das hängt damit zusammen, dass die Kosten auch in Asien steigen und der ökologische Wahnsinn der Seefracht über die Meere immer weiter deutlich wird.
6. Unterschiede, Dogmen
F: Wie wichtig sind, ich sage es mal bewusst, Dogmen für den Unternehmenserfolg? Velotraum verbucht man ja zum Beispiel voll auf 26 Zoll und da arbeitet ihr ja wirklich alle Konzepte drum herum. Wie wichtig ist das so für die Positionierung und aus welchen Überlegungen leitet sich das ab?
S: Also ich sehe das nicht als Dogma, sondern mehr als Alleinstellungsmerkmal, als klare Aussage, einfach um dem Kunden auch ein Stück weit Orientierung zu geben, weil der Markt heute so vielfältig ist. Wir haben schon früher über Schaltungsarten diskutiert, heute tun wir das auch bei Bremsen. Wir diskutieren über Materialien und jetzt diskutieren wir auch noch über drei verschiedene Laufradgrößen. Wir wollen uns klar positionieren und sehen in der Summe der Eigenschaften 26 Zoll für unsere Art von Arbeit immer noch als eine sehr gute Basis. Sollte 26 Zoll aber tatsächlich in der Breite auslaufen, finden also die ganzen innovativen Entwicklungen dort nicht mehr statt, sind wir im Prinzip schon für die Weichenstellung auf 650B aufgestellt. Aber ich bin der Meinung, dass wir mit diesem Laufradgrößenwirrwarr, der sicherlich im Sport- und Spezialradbereich seine Berechtigung hat, den Kunden nicht unbedingt was Gutes getan haben und letztendlich vielleicht auch unseren Umsätzen nicht. Ich habe das Gefühl, dass viele Leute einfach sagen: „Ach, jetzt warte ich mal, bis sich das beruhigt hat, und dann schau ich noch mal. Mein altes Rad tut es ja noch.“
F: Bei Riese & Müller ist das Dogma ja nicht die Laufradgröße, sondern das Prinzip Vollfederung. Wie steht es darum?
M: Wir haben ja mit unserer Zweitmarke Blue Label vor einigen Jahren das Tor geöffnet für nicht vollgefederte Konzepte. Das erlaubt uns, in der Kernmarke Riese & Müller die reine Lehre weiter zu pflegen. Aber letztendlich war das eine pragmatische Entscheidung. Wir hatten den Wunsch, uns zu verbreitern und ein weites Spektrum an Rädern anzubieten. Da mussten wir uns aus verschiedenen Gründen auch von der Vollfederung verabschieden. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass das perfekte Rad vollgefedert ist, aber es gibt eben auch Kunden, die das nicht wünschen, und das mussten wir respektieren lernen. Wie etwa am Rennrad, mag es ja durchaus sinnvolle Gründe geben, warum ein Rigid oder zumindest ein Hardtail das richtige Fahrrad für irgendeine Anwendung ist. Und da haben wir inzwischen Pragmatismus vor Dogmatismus gestellt.
F: Nicolais Dogma ist zum Beispiel, dass ihr kaum Rohre biegt, sondern alles über Frästeile regelt. Was ist die Idee dahinter und wie viel Bestand hat die Idee?
N: Grundsätzlich sind wir erst mal funktionsgetrieben, aber natürlich muss man in einer gigantisch großen Branche gewisse Alleinstellungsmerkmale haben. Also muss ein Produkt erkennbar sein. Und solange im Rennsport ein Fahrer, der auf unserem Produkt, mit geraden Rohren oder unserer Federungstechnologie, eine schnellere Zeit fährt als mit einem Karbonteil, das hier und da noch einen Schwung mit reinkonstruiert hat, gibt es für uns keinerlei Handlungsbedarf. Solange wir unsere Entwicklungsziele erreichen können mit unserer Genetik – und da sage ich jetzt extra nicht Dogma -, sehen wir keinen Grund, etwas anders zu machen. Es ist halt eine Art Kunstwerk. Nehmen wir den Vergleich, haben wir bestimmte Maltechniken, auf die wir stolz sind und die wir möglichst beibehalten. Außerdem bauen wir ja Build-to-Order, also nur Dinge, die bereits verkauft sind. Diesen ,handgenähten Schuh“ möchte unser Kunde genau so haben. Wir kriegen Dutzende von E-Mails, wo genau das drin steht: „Wir finden das super, dass Ihr nicht den Hydroforming-Wahnsinn mitmacht.“ Nur schon mal als Teaser für die Eurobike: Wir werden eine im Steuerrohrbereich sehr innovative Schmiede-Fräskombination einsetzen, die wieder ein Quäntchen besser ist als ein Hydroforming-Rohr, um bestimmte technische Eigenschaften darzustellen. Also, wir folgen nicht irgendwelchen Strömungen, nur weil es sie gibt, sondern wir suchen unseren Weg mit unserer „Maltechnik“.
7. Motor: Unternehmensgröße
F: Hat man als kleinerer Hersteller Angst, dass man entkoppelt wird von technischer Entwicklung, weil man bestimmte Sachen erst ab bestimmten Losgrößen kriegt, weil man eben nicht auf Augenhöhe mit einem Automobilzulieferer sprechen kann?
S: Ich würde es nicht Angst nennen, aber es ist einfach etwas, was man im Fokus behalten muss. Zum Teil muss man sich von bestimmten Produkten eventuell verabschieden, auch wenn man sie gerne machen würde. Wir hätten zum Beispiel gerne mal einen Bosch-Motor mit Velotraum kombiniert, waren aber komplett außen vor. Inzwischen haben wir eine andere, wirklich passgenaue Lösung für den Einstieg in das Thema gefunden.
F: Umgekehrt verpflichten spezielle Absprachen mit großen Herstellern ja durchaus zu bestimmten Stückzahlen. Aber ich denke mir den Markt jetzt so in Bällen oder Blasen: Wenn die einen Bälle immer größer werden, dann werden ja auch die Zwischenräume zwischen den Bällen größer, wo dann wieder ein kleiner rein passt.
S: Genau, das ist wie ein guter Beton, der braucht bei der Körnung eine gewisse Zusammensetzung. Da gibt es große Kiesel, kleine und den Zement. Wir haben noch so wahnsinnig viele Leute da draußen, die egal in welchem Radbereich – und speziell in unserem Segment – so unglaublich unbedarft sind. Bei uns stehen immer noch Leute im Betrieb und staunen über die Rohloff: „Was, seit wann gibt es denn das?“ Ja, ich glaube, jetzt seit sechzehn Jahren. Also da ist noch Luft.
F: Wie abhängig seid ihr bei Riese & Müller zum Beispiel von den Motorenherstellern, inwieweit kann man sich da noch mit eigenen Ideen emanzipieren?
M: Also ich betrachte es jetzt eher als die Aufgabe der Fahrradhersteller, die Integration des E-Bikes weiter voranzutreiben. Ich sage immer, das E-Bike von heute ist das Auto von 1920. Da sind wir wirklich noch ganz am Anfang. Wir schrauben noch Komponenten und Motoren an irgendwelche Rahmen und Gepäckträger dran, und ich habe da so eine Vision, dass aus dem E-Bike in den nächsten Jahren ein komplett anderes Produkt wird – das von der Designsprache, von der Wahrnehmung, von der Anpassbarkeit an verschiedene Personen viel mehr zu einem Fahrzeug wird, ähnlich wie der Vespa-Roller in den sechziger Jahren das motorisierte Zweirad revolutioniert hat. An der Stelle kommen natürlich auch die Komponentenhersteller ins Spiel, denn ich glaube, es wird in Zukunft immer wichtiger, dass man gemeinsam Produkte entwickelt, die zusammenpassen, die als finales Produkt zu einem integrierten Fahrzeug werden.
F: Ist es für euch auch ein Antriebsmoment für das doch sehr starke Wachstum in den letzten Jahren, dass man erst ab einer bestimmten Größe mit Bosch oder anderen Komponentenherstellern auf Augenhöhe diskutieren kann?
M: Auf jeden Fall. Also wir sehen eine Riesenchance für den E-Bike-Markt, und wir wissen einfach, dass man als Hersteller einerseits eine gewisse Größe am Markt braucht, um etwa im Fachhandel die nötige Wichtigkeit zu haben, und auf der anderen Seite gilt das genauso für die Komponentenhersteller. So haben wir die letzten Jahre unsere Pflöcke eingeschlagen, unser Vertriebsnetz aufgebaut, um für den nächsten Schub, auch den nächsten Wachstumsschub, gerüstet zu sein. Andererseits haben wir zum Beispiel einen sehr, sehr engen Kontakt zu Bosch, auch was Neuentwicklungen angeht, und da werden wir durchaus gefragt, was der Markt braucht. Das Gleiche gilt selbst für Shimano, wo wir mit den Leuten aus Japan sprechen und die uns dann befragen bezüglich irgendwelcher Entwicklungen. Dafür braucht man schon eine gewisse Größe, und das macht natürlich Spaß, wenn man merkt, man hat da einen Einfluss und kann Ideen gemeinsam umsetzen und gemeinsam Produkte schaffen, die mehr sind als die Summe ihrer Teile.
F: Nicolai ist ja im Orchester der Mountainbike-Hersteller eher kleiner. Wie stellt ihr sicher, dass ihr da trotzdem weit vorne mitspielt?
N: Ein einfacher Mechanismus ist es, immer zu fragen. Selbst wenn einem die Ideen mal ausgehen, reicht es, wenn man hinterfragt, welche Dinge bei einem Bike nicht technisch, sondern historisch begründet sind. Das Thema Kettenschaltung etwa kommt jetzt immer mehr unter Druck. Das in Kombination mit der Systemintegration wird genügend Themen für uns geben, auch die nächsten zwanzig Jahre mit dem Ball immer ein bisschen vor der Konkurrenz zu sein. Wir werden dieses Jahr zum Beispiel das erste vollgefederte Mountainbike bringen, das ein Pinion-Getriebe und einen Gates-Riementrieb mit richtig viel Federweg kombiniert. Genauso sehe ich es in der E-Bike-Entwicklung, wo ich mehr als Lohnentwickler tätig bin, als dass wir das Thema in der Firma Nicolai aufgreifen. Hier ist es die logische Konsequenz, dass die Schaltung und der Motor zusammenzuwachsen, weil die Schaltung – ein historisch gewachsenes Element – mit dem Elektromotor sozusagen vergewaltigt wurde.
8. Zielgruppe
F: Bei Velotraum scheint die Erfolgsidee, dass ihr nur die Zielgruppe im Blick habt. Und die ist speziell – nämlich genau der eine Kunde, der gerade vor einem steht. Richtig?
S: Ja, genau. Bei uns ist es die Nähe zum Kunden und seinen Bedürfnissen. Wir haben über die Jahre eine Kompetenz entwickelt und gehen damit trotzdem schlank und produktiv um. Mit unserem Baukastensystem bieten wir eine kuratierte Auswahl dessen, was der Markt hergibt und was uns in jedem einzelnen Fall sinnvoll erscheint. Nicht alles wird ermöglicht, aber alles, was Relevanz und Wirksamkeit erzeugt. Da können wir dem Kunden wirklich Dinge bieten, die eine Betriebsgröße, wie sie Riese & Müller etwa hat, einfach unmöglich macht. Das ist schon eine Frage des Maßstabs. Was uns fehlt, wäre eine Produktion wie sie Nicolai hat. Da kommen wir inzwischen immer wieder an Grenzen. Wir könnten noch viel bessere Produkte machen im Sinne von „passender für den Kunden“, wenn wir eine komplett eigene Fertigung hätten und nicht immer Rücksicht auf die Befindlichkeiten und Möglichkeiten Asiens nehmen müssten. Wobei die Möglichkeiten dort sehr, sehr groß sind, bei uns geht es mehr um Befindlichkeiten, sprich: die ewige Diskussion um Stückzahlen, um Entwicklungszeiten und -kosten. Das ist das, was uns momentan eher ausbremst.
F: Wer kauft ein Riese & Müller-Rad?
M: Fangen wir mit dem Birdy an. Ein Faltrad ist meist ein Zweitrad, das im Urlaub oder Alltag seinen großen Auftritt hat. Es wird in irgendeiner Weise mit anderen Verkehrsmitteln wie Bus, Bahn, Wohnmobil oder PKW kombiniert. Für den einen ist es das „kleine Rad für zwischendurch“, für andere eine tragende Säule alltäglicher Pflichtmobilität, die durchs Birdy ein bisschen Fahrspaß und damit Lebensqualität erhält. Die Fahrer unserer E-Bikes legen Wert auf Qualität und Komfort. Ihnen verleiht der E-Motor einen dauerhaften Rückenwind und die Vollfederung sorgt für Komfort. Viele von ihnen entdecken mit dieser Kombination aus Motorunterstützung und Federung das Radfahren völlig neu.
N: Es klang ja oben schon öfter an. Wir haben Kunden, die unsere technische Innovationskraft schätzen, und es gibt Kunden, die schlicht gerne ein in Deutschland gefertigtes Rad fahren möchten.
9. Faktor: Infrastruktur
F: Wenn die zunehmende gesellschaftliche Wahrnehmung fürs Fahrrad als Verkehrsmittel sich noch stärker infrastrukturell niederschlägt, brauche ich dann in fünf Jahren eigentlich noch ein vollgefedertes Alltagsrad? Wir sind gerade von der Tankstelle hier rüber gefahren mit dem Auto und haben gedacht: „Boah, sind das hier schlechte Radwege, kein Wunder, dass hier das vollgefederte Alltagsrad groß wird.“ Wenn ich dann aber gucke, was bei uns zuhause gerade an Radwegen oder Radschnellwegen gebaut wird, muss ich sagen: Die sind so gut, dass man mit dem Auto eigentlich auf den Radweg abbiegen will, weil der besser ist.
M: Für bestimmte Anwendungen mag auch ein ungefedertes oder nur mit Federgabel versehenes Rad durchaus richtig sein. Wie gesagt, wir haben da ein bisschen unseren Dogmatismus abgelegt. Ich will jetzt auch nicht den Kunden immer nur auf das eine Rad bringen, sondern denke, er ist mündig. Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Das heißt, man kommt nicht drum herum, an der einen oder anderen Stelle Produkte anzubieten, die vom ursprünglichen Markenkern abweichen, aber trotzdem gut sind und für diese Anwendungen einfach das Optimum bieten. Der Ansatz ist, dass man sagt: „OK, wie muss denn ein Rad aussehen für einen Kunden, der sagt, er möchte auf die Heckfederung verzichten?“ Das ist dann genau so eine Herausforderung, der man sich stellen kann, und mit zwei Marken lässt sich das ja auch gut positionieren.
F: Welche Infrastruktur braucht ein Velotraum-Rad?
S: Nehmen wir das Thema Radreise … hier gibt es zwei Lager. Die einen Velotraum-Fahrer wollen eine wohlorganisierte, gut kartographierte und damit planbare Infrastruktur, wie sie die vielen Flussradwege oder etwa der Bodensee bieten. Am anderen Pol finden sich die Radler, für die ein gewisses Überraschungsmoment, das Unplanbare und Spontane einen Großteil der Faszination an Radreisen ausmacht. Da denke ich vor allem unsere Stammkundschaft bei den klassischen Reiserädern, unter denen sich eine ganze Reihe Welt-Umradler tummelt. Das zeigt sich aber auch bei unserem Reise-Fatbike Pilger. Mit diesen breiten Reifen und den damit verbundenen Möglichkeiten treten Infrastruktur und Untergrund noch weiter in den Hintergrund.
F: Wie verhalten sich Nicolai-Räder und Infrastruktur zueinander?
N: Als engagierte Mountainbiker gibt es für uns zwei Aspekte. Zum einen natürlich die Trailsperrungen und Beschränkungen in der Natur. Zum anderen die Bikeparks. Gerade diese speziell auf die Bedürfnisse der Biker und Möglichkeiten moderner Bikes abgestimmten Strecken sind eine perfekte Bühne für unsere Bikes: Hier kann sich ein Nicolai-Rad technisch beweisen und seine emotionale Energie versprühen. Wer mit unseren Bikes auf einem Flowtrail einzigartigen Spaß hat, der schreibt dies nicht nur der Strecke, sondern auch dem Rad zu. Womit er auch ganz richtig liegt.
10. Modellvorlauf, Entwicklung, Produktionsgeschwindigkeit
F: Vorsprung heißt Produktions- und damit Entwicklungszeit. Bei euch bedeutet das also antizipieren, was die Leute im Alltag brauchen könnten? Und auch den Mumm haben, eine Idee ein zweites Mal aufzugreifen, wenn ich „Gemini“ und „Load“ in Verbindung bringen will?
M: Also, wir würden heute kein Fahrrad mehr bauen, wo wir eine Stückzahl von 150 Stück im Jahr erwarten. Das war vor zehn, fünfzehn Jahren anders.
F: Aber vielleicht zeigt das Beispiel Gemini und Load ja auch, wie Konzepte durch den Einsatz eines Motors einfach an Attraktivität gewinnen können.
M: Klar, also gerade das Thema Transportrad ist ja noch komplett am Anfang und, wie du sagst, durch den Motor überhaupt erst marktfähig geworden. Ich sehe da eine große Entwicklung, die diesem Produktsegment noch bevorsteht. Natürlich mit einem völlig geänderten Konzept, aber zumindest die Idee Lastenrad mit E-Antrieb haben wir da wieder aufgegriffen. Das ist momentan noch kein Massenprodukt, aber ich gehe davon aus, dass sich dieses Segment positiv entwickeln wird, weil eigentlich jeder, der das mal länger benutzt hat, feststellt, dass man damit viele Mobilitätsaufgaben bewältigen kann. Während Nicolai sagt, wir sind einfach schnell in technischer Umsetzung, weil wir eine hohe Fertigungstiefe haben, sind wir einfach sehr gut und früh dabei, Ideen aufzugreifen. Wir sehen die Zielgruppe, bevor sie für die Großen eine Relevanz hat, bedienen sie, und in der Zeit haben wir unsere Ernte eingefahren.
S: Offen gesagt, haben wir uns weitgehend von einer statischen Planung abgekoppelt. Freilich ist es nützlich, die mediale Energie einer Messe für die Vorstellung neuer Räder oder Generationen zu nutzen, aber letztlich präsentieren wir Modelle, wenn sie fertig sind und wir bereit sind, sie liefern zu können. Ein Velotraum-Rad ist kein Mitnahmeartikel, sondern das Ergebnis eines langwierigen Prozesses. Einen Teil machen wir für uns in der Entwicklung, das nimmt viel Vorlauf in Anspruch und darf es auch. Der zweite Teil findet dann mit dem einzelnen Kunden bei der individuellen Anpassung statt.
N: Wir machen bekanntermaßen auch viel Entwicklungsarbeit für anderen Marken und Firmen. Insofern sind wir eigentlich in einem Dauerzustand schöpferischer Ingenieursarbeit. Dass dies solide geschieht und das Ergebnis erst auf den Markt kommt, wenn es fertig ist, ist für unsere Firmenkunden genauso wichtig wie für unsere Nicolai-Kunden. Einen festen Modellzyklus im Jahrestakt gibt es bei uns nicht. Wir haben eine Taktung für neue Rahmen und Rahmenoptionen und eine Taktung für die Spezifikationen der Komplett-Bikes. Diese richtet sich in erster Linie nach der Verfügbarkeit neuer Komponenten. Wenn sich da etwas Sinnvolles tut und ausgereifte Bauteile zu bekommen sind, können wir schnell reagieren. Da warten wir auf keine Messe oder andere äußere Termine.
11. Standards
F: Welchen Stellenwert nimmt bei euch das Thema Standardisierung ein?
S: Also bei uns steht das zum Beispiel im Bereich Bremsen immer wieder im Raum. Wir würden heute am liebsten alle Fahrräder nur noch mit Scheibenbremsen machen, weil wir dann einfach auch schon mal mit den Laufradgrößen viel flexibler wären. Auf der anderen Seite erleben wir tagtäglich, dass für viele Leute, so wie sie die Räder nutzen, die Felgenbremse immer noch wahnsinnig wichtig ist. Und da bin ich der Meinung, dass die Komponentenindustrie nicht zuhört.
F: Wir haben das an ein paar Stellen so ein bisschen angeschnitten. Es gibt ja einerseits dieses Optimierungsstreben, andererseits den Konstanzgedanken. Die sind in Konkurrenz, und das trifft sich ja am ehesten bei dem, was man gerne Standards nennt. Ich würde das ja eher Bemaßungen nennen, weil man bei Standard irgendwie denkt, man könnte sich da lange drauf verlassen. Aber Standard heißt ja nur, dass sich gerade ein paar Leute darauf geeinigt haben, dass das das nächste große, wichtige Ding ist. Mal anders gefragt: Auf wie viele Standards muss man sich festlegen, wenn man eine Größe hat wie Riese & Müller?
M: Natürlich ist das ein Thema, die Komponentenvielfalt nicht komplett ausufern zu lassen. Bei uns ist der Prozess eigentlich immer der, dass wir uns Komponenten auswählen, die wir für sinnvoll halten. Aus diesem Pool picken wir heraus, welche Komponenten wir dann für welches Modell einsetzen. Dabei schauen wir, dass die Vielfalt nicht zu groß wird. Trotzdem haben wir jetzt zum Beispiel fünf Laufradgrößen bei uns in der Produktion, von 18 bis 29 Zoll. Klar, wenn man in der Produktpalette eine gewisse Bandbreite abbilden will. Beim Thema Bremsen versuchen wir zum Beispiel schon, die Vielfalt deutlich zu reduzieren. So dass wir sagen, okay, es gibt bestimmte Komponenten, die funktionieren gut und die setzen wir dann auch an einer Vielzahl von Rädern ein. Ich brauche keine zehn verschiedenen Bremsen an unseren Rädern. Also das muss man schon optimieren. Das heißt aber auch, sich zu überlegen, an welchen Stellen Vielfalt sinnvoll ist.
N: Standards sind dafür da, eingeführt, verbessert und dann wieder abgesetzt zu werden. Um so weiter sich beispielsweise das Mountainbiken ausdifferenziert, desto weniger Gültigkeit erhalten Standards über eine gesamte Radkategorie. Nehmen wir nur einmal die Laufradgröße. Viele Jahre spielte sich MTB nur in 26 Zoll mit Reifenbreiten zwischen 1,75 und 2,5 Zoll ab. Seit einigen Jahren bewegen wir uns zwischen 24 und 29 Zoll bei Breiten von 1,75 bis 4,8 Zoll. Damit ist ein Quasi-Standard verschwunden, und viele neue Möglichkeiten haben sich aufgetan. Eine Herausforderung für Hersteller und Händler, eine Chance auf mehr Individualität für den Fahrer.
12. Komponenten
F: Welche Rolle spielen Komponenten und deren Innovation für euer Konzept?
S: Zum Teil sehr wichtig, aber um ein Gegenbeispiel zu bringen: Ob eine Shimano-XT-Gruppe 30 oder 33 Gänge hat, ist für uns vollkommen irrelevant. Schöne Reifenentwicklungen oder Reifen-Felgen-Konzepte können dagegen total interessant sein und für uns ganz neue Fenster aufmachen, wie beim „Pilger“.
F: Wie wichtig ist bei Riese & Müller diese Wechselwirkung? Das Birdy hat ja seine Performance erst dadurch richtig entwickeln können, dass auf einmal Standardqualitätskomponenten auch in kleinen Größen zu kriegen waren.
M: Ja, das ist richtig. Komponenten spielen natürlich eine wichtige Rolle. Wir wählen die Komponenten aber sorgfältig entsprechend der Konzepte aus und versuchen, unsere Produktpalette nicht künstlich aufzublasen, sondern klar voneinander differenzierte Produkte anzubieten. Innerhalb eines Rahmenmodells konzentrieren wir uns dann auf drei oder vier maximal verschiedene Ausstellungsvarianten, um ganz klar sagen zu können, für den Kunden ist das die perfekte Schaltungskomponente oder Ausstattung. Inzwischen kann man auch bei uns durchaus mal eine Vorjahres-Deore-Schaltung oder DX-Schaltung verbauen, ohne dass ein Aufschrei durch die Klientel geht. Beim Mountainbike ist das natürlich eine völlig andere Geschichte, da muss immer die neueste Gruppe dran sein, weil die Kundschaft sich allabendlich durch die entsprechende Literatur auf dem neuesten Stand hält. Ich denke, unsere Kunden interessieren sich eher für das Konzept, für den Nutzen, für die Funktionen, als jetzt für jedes einzelne Teil. Aber es ist natürlich bei uns umso wichtiger, dass die Komponenten ordentlich funktionieren, das heißt, dass die Zuverlässigkeit hoch ist und die Wartungsintervalle lang.
F: Wie ist das bei Nicolai?
N: Wir nehmen die Komponenten sehr genau unter die Lupe. Alles was neu raus kommt, wird erst mal gefiltert und was wirklich nur Marketing ist, aber keinen Mehrwert bietet, aussortiert. Die Produkte, die dann wirklich Sinn machen, beim Simplifizieren, wie jetzt zum Beispiel 1 x 11, sind alle sehr, sehr gut einsetzbare Entwicklungen. Daneben ist Langlebigkeit bei unseren Rahmen ja ein großes Thema. Entsprechend haben wir auch bestimmte Anforderungen an die Komponenten. Es kann ja nicht sein, dass ein Mountainbike-Fahrer drei Mal in der Saison sein Innenlager wechseln muss. Vor zwei Jahren haben wir angefangen, komplette Bikes anzubieten, weil die Kunden heute wenig Zeit haben und es viele gibt, die unserer Auswahl der besten Komponenten vertrauen. Das ist aber immer noch ein relativ kleiner Teil; der typische Nicolai-Kunde hat im Keller eine besser ausgestattete Werkstatt als sein Fahrradhändler, kennt sehr genau alle Komponenten und baut sich das Rad selbst zusammen.
13. Reifenbreiten sind die neuen Durchmesser
F: Stefan, ihr kriegt von Shimano oder Sram die gleiche Komponentenkiste geschickt und baut da jeweils drei völlig unterschiedliche Räder raus, die in sich aber eine geschlossene Logik haben. Das finde ich ja total spannend. Trotzdem oder gerade deshalb gibt es in jedem Bereich Dinge, die die Entwicklung verändert haben. Also bei euch mit Pinion oder Rohloff, die Fahrrad einfach anders gemacht haben. Mit Blick auf tatsächliche oder potenzielle Velotraum-Kunden: Wo sagst du, das sind die Komponenten und technischen Bereiche, wo ich mir a) was wünsche oder wo ich b) noch etwas sehe? Was wird der nächste Impulsgeber sein?
S: Also für uns ist es wirklich zum einen die Reifenentwicklung, aber dann würde ich gleich auch die Systementwicklung Reifen-Felge nennen – nicht so sehr die Laufradgröße, da reagieren wir einfach auf das, was sich am Markt durchsetzen wird.
F: Reifenbreite ist die neue Reifengröße?
S: Das ist sicherlich ein ganz wesentlicher Aspekt, auf den wir ein besonderes Augenmerk haben. Aber die Impulse generieren wir nicht unbedingt selbst oder die Zulieferer. Eine Besonderheit von Velotraum ist ja, dass wir sehr stark direkt mit dem Kunden arbeiten. Nur die Hälfte unseres Geschäfts geht über Händler, das andere machen wir vor Ort. Wir betreuen so langsam schon Generationen innerhalb einer Familie, und da kommt dann irgendwann die Generation, die sagt, jetzt möchte ich in dem und dem Bereich gerne Unterstützung haben. Das wird für uns weiterhin ein Thema sein, das wir allerdings auf einer kleinen, velotraumspezifischen Flamme kochen.
F: Kalle, welche Impulse siehst Du bei der Reifenfrage?
N: Die Weiterentwicklung der Komponenten ist natürlich auch die Grundvoraussetzung für neue und bessere Produkte auf unserer Seite. Wir müssen jetzt momentan erst einmal Erfahrungen sammeln mit 27,5-Zoll-plus-Bereifung. Manche Sachen underraten wir auch manchmal, wie zum Beispiel das Produkt Fatbike, was einen Megaspaß macht. Da hat man eigentlich gar nicht mit gerechnet und sagt jetzt: „Hoppla, das haben wir jetzt mal total unterschätzt, wie viel Mehrwert beim Radfahren man dadurch induzieren kann“. Die tiefe Kenntnis jeder Komponente, die neu raus kommt, ist wichtig für den weiteren Erfolg auch von Nicolai. Aber wir sind natürlich sehr stark vernetzt mit der Industrie und werden auch oft gefragt: „Was sollen wir denn jetzt mal machen?“ Da kann man auch gut ein wenig steuern. Oder wir versuchen unsere Ziele zu erreichen, indem man dem einen oder anderen Komponentenhersteller schon mal einen Schubs in eine Richtung gibt.
M: Laufradgrößen folgen der Funktion und der Verfügbarkeit geeigneter Komponenten. Das Birdy-Faltrad entfaltet seine Fahrdynamik erst vollends, seit es geeignete Hochdruckreifen auch in 18-Zoll-Größe gibt. Umgekehrt muss man aber auch nicht alle Größenmöglichkeiten um ihrer selbst Willen anbieten. Wir bieten die kleinen Rahmenhöhen mit 26-Zoll-Rädern an, die großen gibt es in 29 Zoll. Das macht technisch, ergonomisch und fahrdynamisch Sinn. So halten wir das auch in Zukunft.
14. Perspektiven: Scheibenbremse
F: Ich würde gerne noch einmal auf den Punkt Bremsen zu sprechen kommen. Warum ist es verfrüht, das Ende der Felgenbremse auszurufen?
S: Ein Stück weit hängt das mit einer gewissen Alltagsverblödung zusammen. Alltagstauglichkeit heißt ja auch, dass man einfache Dinge noch selbst machen kann. Bei der Scheibenbremse geht es dagegen so weit, dass die Leute nicht in der Lage wären, ein Laufrad mit Scheibenbremse auszubauen und wieder einzubauen, ohne dass sie Leib und Leben riskieren. Das ist bei unseren Kunden zum Teil so. Und deshalb ist die Felgenbremse für uns weiterhin ein total wichtiges Thema. Das Blöde ist, dass die einzige hydraulische Bremse von Magura kommt und die ihr eigenes Brot backen. Das Produkt wird extrem stiefmütterlich behandelt. Also früher oder später müssen wir uns davon verabschieden, weil wir einfach keine vernünftige Hardware mehr dafür bekommen, wo wir sagen können, „Wow, das ist immer noch eine gute Lösung“.
F: Scheibenbremsen sind ja auch ein sehr gutes Beispiel für den Transfer von Mountainbike- oder Sporttechnik in den Alltag. Ihr habt sie verbaut und seid für Modelle im norddeutschen Raum wieder davon abgekommen, wegen der Problematik der einfach nicht durchgeheizten Systeme.
M: Genau, also wir haben irgendwann angefangen, das Schwachbremsverhalten von Bremsen zu beurteilen. Das haben wir früher gar nicht in Erwägung gezogen, ist aber ein Punkt, warum für manche Modellreihen die klassische HS33 doch die bessere Bremse ist als die Scheibenbremse.
N: Für uns ist Mountainbiken ohne Scheibenbremse einfach nicht mehr denkbar.
15. Veränderung: Internet/Ersatzteile
F: Stefan, jetzt kommt eine Frage genau für dich: Im Zeitalter von Internet und Kurierdiensten, wo ich eigentlich jedes Ersatzteil binnen 72 Stunden an jeden Flecken des Planeten bringen kann – warum gibt es da bei einem Reiserad noch die Argumentation mit der Reparierbarkeit?
S: Da gibt es eine erhebliche Differenz zwischen der virtuellen Realität, von der immer mehr meinen, dass es auch die Realität der Dinge sei, und dem tatsächlich Möglichen. Das Besorgen des richtigen Ersatzteils ist nicht immer so einfach, wie man sich das vorstellt. Wir haben jetzt erst ein schönes Beispiel gehabt, da haben selbst in Australien die Leute das Zeug nicht aus dem Zoll gekriegt. Für mich fing die Fahrraddiaspora manchmal in Kroatien oder irgendwo in Italien schon an, wo es nicht mehr so einfach ist, Teile zu bekommen.
F: Also doch nicht alles Gold, was glänzt. Wie hat sich die digitale Revolution des letzten Jahrzehnts bei Riese & Müller niedergeschlagen?
M: Das Internet ist ein riesiges Schaufenster, in dem auch wir aktiv sind. Hier wird sich informiert und ausgetauscht. Das ist gut, wichtig und richtig. Doch das Internet ersetzt keine Probefahrt und keinen Service vor Ort, deshalb gibt es unsere Räder nicht im Internet zu kaufen.
F: Und Nicolai?
N: Das Internet erlaubt es uns, mit Kunden, Fans und Freunden von Nicolai rund um den Globus einfach in Kontakt zu bleiben. Das ist für uns ein wichtiger Faktor für das internationale Geschäft und für Kunden aus den Regionen, in deren Nähe sich kein Nicolai-Händler befindet. Unser Erfolg stützt sich auch aufs Internet.
16. Modellzyklen
F: Gibt es den Velotraum-Zyklus und wie steht der zum Branchenzyklus?
S: Wir haben schon auch ganz leicht noch diesen Branchenzyklus. Er hat sich abgeschwächt, keine Frage. Aber dadurch, dass wir mit dreißig Händlern zusammenarbeiten, bringen diese den Rhythmus ein Stück weit mit. Wir erleben einfach, dass viele Händler mental irgendwann im Oktober, November in den Wintermodus schalten. Sicherlich aus dem Grund, dass sie zum Teil einfach tief erschöpft sind, zum anderen aber auch, weil sie das schon immer so machen. Wir haben den Vergleich bei uns vor Ort und da sehen wir schon, dass wir teilweise im Januar höhere Auftragseingänge verzeichnen als vielleicht im Juli oder August. Das ist etwas, da müssten wir die Händler ändern, um vom Saisonzyklus wegzukommen. Das können wir nicht, also schauen wir, wie wir damit klarkommen. Zur Eurobike ist das für uns ein notwendiges Übel, weil sie einfach sehr teuer und sehr personalressourcenintensiv ist. Das kann für ein kleines Unternehmen schon ein Problem sein. Deshalb versuchen wir, unsere Neuheiten dort zu präsentieren. Aber insgesamt laufen bei uns die Entwicklungen meistens durch. Und wenn es sich strategisch oder terminlich doch ergibt, dass man zur Eurobike „Hier!“ schreien kann, dann machen wir das. Ansonsten juckt uns das aber auch nicht besonders.
F: Zum Thema Saisonzyklus habt ihr drei ja doch unterschiedliche Ansätze. Stefan hat gerade das Wechselverhältnis zwischen Saisonzyklus und Neuheitenzyklus bei Velotraum erklärt. Seid ihr durch euer Wachstum und eure Vertriebsnetzoptimierung, Heiko, näher am bisherigen Zyklus der Branche dran? Und wie beständig siehst du diesen Zyklus für die Zukunft?
M: Wie beständig der ist, das weiß ich nicht. Aber es ist tatsächlich so, dass wir voll in diesem Zyklus sind. Die Präsentation der neuen Produkte findet um die Eurobike herum statt. Dann Vororder, die die Händler schreiben und dann dementsprechend der Abverkauf über die Saison. Was wir allerdings versuchen, ist, dass wir über das ganze Jahr lieferfähig sind. Was wir also umgekehrt nicht machen ist, dass wir 90 Prozent unserer Verkäufe über die Vororder abwickeln, die spielt bei uns eine deutlich kleinere Rolle. Wir haben den Anspruch, dass wir unsere Kunden das ganze Jahr über bedienen können. Das liegt auch daran, dass bei uns die Räder von den Kunden speziell ausgewählt werden. Selbst wenn es letztlich nicht so viele Optionen gibt wie hier bei den Mitsprechern rechts und links, aber allein über die Möglichkeiten die du hast, das Rad auszuwählen, ergeben sich so viele verschiedene Produkte, dass ein Händler natürlich nicht mehr alle vorhalten kann. Das heißt, das klassische Geschäft, dass der Händler die Produktplatte im Laden zeigt und dann in der Saison die Kundenbestellungen individuell platziert, das ist bei uns auch so, und insofern versuchen wir das ganze Jahr über entsprechend lieferfähig zu sein. Um damit noch einmal auf den Saisonzyklus zu kommen, sind wir schon ziemlich nah am gewohnten Ablauf und ich sehe da jetzt auch kurz- oder mittelfristig keine Abkehr davon.
F: Der zweite Aspekt, über den man dann diskutiert, ist ja die Jahrestaktung. Muss man jedes Jahr etwas Neues bringen?
M: Nicht notwendig. Wir haben auch Modelle, die über mehrere Jahre durchlaufen. Bei uns laufen Farben zum Beispiel über mehrere Jahre, was nicht unbedingt üblich ist in der Branche. Also wir achten schon darauf, dass ein Modell und auch eine spezielle Modellausstattung über zwei, drei, vier Jahre relativ konstant auf dem Markt bleibt. Natürlich gibt es da jedes Jahr kleinere Komponentenanpassungen. Die gibt auch der Markt vor. Wenn mein Zulieferer seine Komponenten wechselt, dann habe ich keine andere Chance, als die auch bei uns anzupassen. Wir haben aber den Anspruch, eine langfristige Produktgestaltung beizubehalten. Für uns und unsere Kunden ist es der Worst Case, wenn sie sich im Mai oder im Juni ein neues Fahrrad kaufen, um dann im August festzustellen, dass das Modell eigentlich veraltet ist. Das wollen wir unbedingt verhindern und deswegen ist uns diese Konstanz so wichtig.
F: Wir haben über Jahrestaktung gesprochen, den Eurobike-Rhythmus sowie Beständigkeit und Verlässlichkeit bei den Produkten. Was haben wir aus deiner Sicht vergessen, Kalle?
N: Die sportlichen Fahrer oder die Menschen, die sich neue Mountainbikes kaufen, die regt das oft ziemlich auf, dass was vor zwölf Monaten gepredigt wurde, heute auf einmal nicht mehr stimmen soll. Von daher gibt es auch eine Kundschaft, die sich Konstanz wünscht, und die Konstanz versuchen wir zu erreichen, indem wir zum einen Komponenten so auswählen, dass wir wissen, sie funktionieren einfach. Wir hypen nicht das Neue so sehr, dass das Alte als Müll angesehen wird, denn dann ginge man einfach despektierlich mit dem Kunden um und mit dem Geld, das er vor zwölf Monaten ausgegeben hat. Nur weil ich bedingungslos die neuen Dinge feiere, habe ich noch kein beständiges Geschäft geführt. Zum anderen bringen wir ein Produkt, wenn es fertig ist und nicht, weil die Eurobike vor der Türe steht. Je älter wir werden, desto weniger lassen wir uns von solchen Veranstaltungen beeindrucken. Vor allem, weil bei der Eurobike alle schreien, dass sie etwas Neues haben. Da wird man ohnehin nicht so sehr gehört. Dieses Jahr haben wir sogar unsere Hausmesse antizyklisch auf den 17. bis 19. April gelegt, um zum Saisonstart neue Produkte zu präsentieren. Wir werden auch noch ein Pressecamp im Sommer machen, zu dem wir Neuheiten zeigen werden. Aber Produkte werden gemacht, wenn sie getestet sind, wenn sie validiert sind und wenn sich herausgestellt hat, dass sie besser sind als das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Wir sind auch an der Stelle gar nicht so getrieben, weil wir das Glück haben, dass wir unterschiedliche Kunden, unterschiedliche Rhythmen haben. Deswegen können wir auch von einer Vollauslastung sprechen, was die Produktion angeht. Es gibt Kunden, die fangen im August an zu planen, weil sie im November das neue Bike haben wollen, das sie über den Winter aufbauen und mit dem sie im Frühjahr starten. Es gibt die Kurzentschlossenen, die wollen im Frühjahr auf dem neuen Rad sitzen. Dann gibt es die, die das Bike vom Kumpel fahren und sagen: „Verdammt, so eins will ich jetzt auch“. Die kaufen halt im Juli oder August. Also von daher sind wir – Gott sei Dank – diesem Rhythmus nicht so stark unterworfen. Die neuen Reifenbreiten bringen jetzt auch mehr Spaß im Winter. Diese Saisonalität stellt uns nicht vor schlimme Herausforderungen, in keinster Weise.
17. Preise, Werte, Qualität
F: Stefan, du hast eben gesagt, Velotraum verzeichne im Februar höhere Auftragseingänge als zum Beispiel im Juli. Denkst du, das liegt daran, dass sich die Kaufentscheidung von kurzfristigen Fragen nach Saison oder Witterung desto mehr entkoppelt, je mehr die Menschen bereit sind, in ihr Rad zu investieren?
S: Unbedingt. Also ich erinnere mich an Zusammenkünfte, als 30 cm hoch Schnee lag und man dachte: „Mein Gott, da kommt doch kein Mensch“. Unsere Kunden kommen ja von überall her. Aber alle vereinbarten Termine wurden eingehalten. Teilweise ohne Probe zu fahren, haben die Kunden sich sehr aufwändige, teure Räder machen lassen. Ich schließe mich da meinen Vorrednern an: Auf die Wertbeständigkeit von solchen teuren Produkten, wird ein sehr, sehr großes Augenmerk gelegt. Auch in Sachen Haltbarkeit. Zehn Jahre werden da gern einfach unterstellt, ohne überhaupt darüber zu sprechen. Und das teilweise bei einer strammen Nutzung. Wir erleben manchmal, dass die Leute sagen: „Mein Rahmen ist jetzt zehn Jahre alt, ich würde den neu beschichten lassen“. Und dann versuchst du ganz vorsichtig zu fragen, ob es sich lohnt, einen zehn Jahre alten Rahmen neu beschichten zu lassen, mit Ablaugen und allem drum und dran.
F: Gut, aber dann kommt die Emotionalität wieder ins Spiel.
S: Genau, das hat ganz stark diesen Aspekt, ja natürlich.
F: Heiko, ist in den letzten zwanzig Jahren der Erstkäufer immer mehr zum Testfahrer geworden? Kommen die Produkte heute von der Komponentenseite zu früh auf den Markt? Ist es schlau, als Hersteller manchmal zu warten, bis die Komponenten ihre Kinderkrankheiten abgelegt haben? Kann man überhaupt warten? Könnt ihr bei einem neuen Bosch-Motor sagen: „Wir warten erst mal ein halbes Jahr, bevor wir den verbauen“?
M: Das kannst du natürlich nicht mehr machen. Mein Eindruck ist allerdings auch, dass die Produkte, die neu auf den Markt kommen, deutlich ausgereifter sind als vor zwanzig Jahren. Sowohl die Zubehörprodukte als auch die kompletten Fahrräder. Die Fahrradhersteller von heute gehen mit ganz anderen Teststandards an die Räder heran. Alle haben über die letzten Jahre enorm viel E rfahrung gesammelt. Als wir angefangen haben, vollgefederte Alltagsräder anzubieten, gab es dieses Produktsegment in der Form überhaupt nicht. Es gab die klassischen Stahlfünfeckrahmen, mit denen die Leute auf Tour gegangen oder im Alltag gefahren sind, und es gab vollgefederte Mountainbikes. Aber das hochwertige Alltagsrad mit Federung gab es nicht. Wir haben uns damals unsere eigenen Teststandards überlegt und über die Jahre unsere Kriterien angepasst, unsere Berechnungsgrundlagen und natürlich auch die Berechnungsverfahren deutlich verbessert. Also wir sind längst weg davon, dass ein Rad auf den Markt kommt und in den ersten ein, zwei Jahren erst mal größere Reklamationswellen auf uns zukommen. Das war in der Pionierzeit anders, und das hängt ganz klar damit zusammen, wie sich Produktgruppen und Anwendungen entwickelt haben und welche Erfahrungen dort gesammelt wurden.
F: Kalle, was ist mehr gewachsen, die Qualität der Produkte oder die Sensibilität und der Anspruch der Endverbraucher?
N: Wenn man die Branche retrospektiv betrachtet, gibt es die drei Firmen auch, weil es vor 20 Jahren so viele schlechte Fahrräder gab. Heute zu überleben ist umso schwieriger, weil das nicht mehr so ist. Gerade im Fachhandel ist die Anzahl der guten Fahrräder enorm gewachsen. Und so lieb mir manchmal kleine Zulieferer sind: Sie werden immer weiter verdrängt, denn man wird heute zum Beispiel ungern einen neuen Stoßdämpferhersteller spezifizieren. Man weiß nicht, ob dieser Dämpfer funktioniert und der Hersteller über die Mechanismen verfügt, die Funktion konstant über die ganze Serie zu gewährleisten. Das ist das Gute an den großen Herstellern. Man kann sich ein Stück weit drauf verlassen, dass die Produkte nicht so schlecht sind wie vor zwanzig Jahren. Umgekehrt ist es ein klares Statement und auch die Herausforderung für die nächsten zwanzig Jahre, dass wir als Kleine hier am Standort Deutschland, wie schon vor zwanzig Jahren, immer noch das um ein Quäntchen bessere Fahrrad liefern. Das denke ich, eint uns drei. Ich denke auch, dass wir alle Firmen sind, die die Großen der Branche morgens um sieben auf der Eurobike besuchen, wenn wir selbst noch nicht da sind, und dass diese dann sehr genau hinsehen, was wir gerade so treiben. Das liegt in der Natur der Sache, und ich denke schon, dass wir alle drei so stark gewachsen sind, dass wir unseren Vorsprung halten können. Jetzt und für die nächsten Jahre, da bin ich mir ziemlich sicher.
18. Geometrie & Ergonomie
F: Wenn ich darauf schaue, wie sich in den letzten zwanzig Jahren Fahrräder verändert haben, sehe ich beim Mountainbike, dass das Thema Geometrie richtig Fahrt aufgenommen hat. Die Längen, Winkel, allgemein die Passform hat sich dramatisch verändert. Ist das das nächste große Thema für euch, Kalle? Die Kunden haben bei Nicolai schneller als in der Großserie die Chance, ganz besondere geometrische Wünsche umzusetzen, die mit dem eigenen Fahrstil, dem eigenen Körper oder dem bevorzugten Terrain zu tun haben. Ist das nächste große Thema Ergonomie?
N: Ja. Denn Geometrie, Ergonomie, Fahrwerk, das hängt alles zusammen. Die Art und Weise, wie Mountainbike gefahren wird, ändert sich. Wenn ich heute in einen Bikepark nach Kanada fahre, da wird so Fahrrad gefahren wie vor 25 Jahren Motorrad gefahren wurde. Die Geschwindigkeiten, die Querbeschleunigungen, die Kurvengeschwindigkeiten, all diese Dinge waren vor zwanzig Jahren so nicht existent. Wenn ich in solche Bereiche gehe, muss ich auch die Geometrien ändern, also längerer Radstand, flacherer Lenkkopf, tieferes Innenlager. Nicht in erster Linie, weil die Fahrräder von damals alle schlecht waren, sondern weil die Leute heute völlig anders Mountainbike fahren als vor zwanzig Jahren. Das wird nicht mehr im Schneckentempo um den Baum gezirkelt, sondern lieber auf flowigen Trails gefahren, auf denen man dann auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h kommt. Das war in dieser Form damals gar nicht möglich. Heute habe ich Federungskomponenten, die vieles platt bügeln, was mir im Weg herum liegt. Trotzdem muss ich immer wieder die letzten drei Prozent on top herausholen, um mich weiter zu entwickeln. Das faszinierende an unterschiedlichen Sportlergenerationen ist ja, dass das immer noch dieselben Menschen sind, mit den gleichen Genen. Aber jede weitere Sportlergeneration ist seltsamerweise zu viel höheren Leistungen fähig. Wir freuen uns immer wieder, wenn wir die neuen Fahrer mit den neuen Fahrstilen erleben. Daher kommt auch gleichzeitig der Drive, die neue Idee, was jetzt geschehen muss, um das Fahrrad zu dieser Zeit wieder ein Stückchen besser zu machen. Sei es die Reifengröße, ein längerer Radstand, andere Winkel, das sind die Themen heute, die waren vor sieben Jahren kein Thema.
F: Stefan, ein anderer Anwendungsbereich, aber das gleiche Thema bei euch, oder?
S: Geometrie stellt bei uns nur einen Teilaspekt dar, wir verfolgen ja von Anfang an einen viel umfassenderen Ansatz. Selbstverständlich ist Ergonomie beim Reiserad ein Riesenthema. Im Extremfall verbringt der Kunde auf unseren Rädern Wochen am Stück im Sattel. Wie Kalle schon sagt, lernen wir da natürlich auch von den Bedürfnissen unserer Kunden, auch wenn die Veränderungen der letzten zwanzig Jahre vielleicht nicht so extrem sind wie im Mountainbike-Bereich. Es ist sicherlich so, dass das Ergonomiethema beim E-Bike und Alltagsrad nicht so im Vordergrund steht wie beim Mountainbike oder Rennrad und deshalb oft insgesamt zu wenig beachtet wird. Ich denke, das liegt einfach daran, dass man im Alltag an dieser Stelle toleranter sein kann, weil man nicht das berühmte letzte Prozent aus seinem Körper herauskitzeln muss.
F: Heiko, eine Steilvorlage für dich als Hersteller elektrifizierter Alltagsräder, oder?
M: Ich würde umgekehrt sagen, Ergonomie ist ein wichtiger Faktor, der Menschen oft vom Radgenuss abhält. Das erklärt(e) zum Beispiel auch den Erfolg unserer analogen Räder: Dank Vollfederung und ergonomischem Rahmendesign waren sie viel komfortabler zu fahren als die meisten anderen Räder der Zeit. Dies hat sich durch den E-Antrieb nochmals verstärkt und hier bleibt nach wie vor ein großes Potenzial, bei grundlegend ähnlicher Technik auch weiterhin für die Alltagsanwendung bessere Räder zu verwirklichen.
19. Standort Deutschland
F: Was bedeutet für euch Deutschland als Standort eurer Unternehmen? Welche Vor- und Nachteile seht ihr?
S: Ein klares Problem für uns ist nach wie vor das Image der Fahrradbranche. Ich habe es wirklich schwer, gute neue Leute zu finden.
F: Ihr seid auch mitten in einer Autoregion, das verschärft das vielleicht noch.
S: Genau – und das kann sich kaum einer vorstellen. Wir bilden ja auch aus. Kürzlich hatte ich wieder eine Schulklasse da, und für die war das echt neu, dass es Firmen da draußen gibt wie Velotraum oder Riese & Müller oder sogar Nicolai. Man muss denen zeigen, dass es auch im Fahrradbereich total interessante Jobs gibt, tolle Firmen. Die meisten kennen ja nur ihre krautigen Fahrradhändler, die bis zur völligen Selbstaufgabe schuften. Da ist ja nichts sexy, so toll das Produkt auch ist!
F: Heiko, was genau heißt bei euch eigentlich Produktionsstandort Deutschland?
M: Wir kaufen die Rahmen in Asien ein, von einem Zulieferer, mit dem wir schon zwanzig Jahre zusammenarbeiten, der Rest wird hier in Deutschland montiert.
Ein wichtiges Thema bei der Produktion vor Ort ist natürlich der Kostendruck, von den Mieten bis zu den Personalkosten. Da musst du extrem scharf kalkulieren, wenn du die klassischen 499- oder 799-Euro-Trekkingräder anbietest. Aber auch im Premiumsegment, wo du vielleicht etwas Spielraum hast in der Kalkulation, wirst du am Markt verglichen und musst viel Geld dafür ausgeben, deinen Preis zu erklären. Der damit natürlich noch steigt. Das ist ein gewisser Teufelskreis. Dann über die Jahre ein Wachstum zu finanzieren mit der hiesigen Kostenstruktur, das ist schon eine echt harte Aufgabe. Da hätte man es natürlich im Ausland mit allen Vorzeichen ein bisschen leichter. Aber auf der anderen Seite stehe ich zu dem Standort und ich lebe auch gerne in Deutschland. Dann muss ich mich mit den Rahmenbedingungen arrangieren.
F: Kalle, ihr baut Rahmen komplett in Deutschland, was ist deine Perspektive?
N: Ich denke, dass die Rahmenfertigung nach Europa zurückkommen wird – und zwar bei den ganz Großen. Denn wenn zum Beispiel ein namhafter Hersteller etwa 60.000 seiner E-Bikes mit Mittelmotor pro Jahr verkauft, dann bedienen die sich jetzt schon dreier Fabriken in China. Für 60.000 Räder im Jahr kann man sich auch hier eine automatisierte Produktionslinie hinstellen. Also fängt es genau da wieder an, wo es zuerst ausgestorben ist, bei den Megastückzahlen.
Der nächste Aspekt ist das Vor-Ort-Argument: Beim Gemüse achte ich ja auch darauf, dass es aus der Nähe stammt. Ebenso kann man sich mal fragen, wo das Fahrrad herkommt. In den USA wird damit sehr offensiv umgegangen: Ein hiesiges Produkt, das sichert amerikanische Arbeitsplätze. Natürlich kann der Preis dann nicht das Hauptargument sein.
Der Standort Deutschland bringt aber auch unternehmerische Probleme mit sich: Baugenehmigungen, die drei Jahre dauern oder Bankfinanzierungen, die aus seltsamen Gründen abgelehnt werden … so eine allgemeine Unternehmerunfreundlichkeit. Man wird mit knallharten Erwartungshaltungen des Staates konfrontiert, die man bedienen muss. Wenn z. B. meine Sekretärin Tage damit zubringt, Statistiken auszufüllen, fühlt man sich manchmal wie eine gemolkene Kuh.
M: Ja, das kann ich bestätigen. Das ist auch echt noch mal härter geworden in den letzten Jahren. Ich habe das Gefühl, es kommen jedes Jahr drei neue Verordnungen hinzu, Entsorgungsstatistik und dergleichen …
N: Oder Brandschutz zum Beispiel. Am Ende muss man es vielleicht so sagen, dass der Vorteil geordneter Strukturen in Deutschland an anderen Stellen genauso zum Nachteil werden kann.
20. Zukunft von …
… Nicolai
F: So gleich ihr mit eurem generellen Anspruch seid, das bessere Produkt abzuliefern, so unterschiedlich definiert ihr es. Der eine mit Performance, der andere mit Alltagsnutzung und Nutzwert, der dritte mit Reiselanglebigkeit und Ergonomie. Es ist spannend, dass es da drei Firmen gibt, die mit unterschiedlichen Ideen drei Mal Erfolgsgeschichten darstellen. Wir haben jetzt aber die ganze Zeit über eure Eigenwahrnehmung gesprochen. Lasst uns zum Schluss doch mal die Perspektive wechseln. Stefan, wo ist Nicolai in zwanzig Jahren? Bauen die die Rahmen für euch?
M: Willst du dann die Provision einsacken?
F: Ja, da war doch was. Irgendein Geschäftsmodell muss ich ja auch intensivieren.
S: Spaß beiseite, ich sehe da hervorragende Perspektiven, wenn die Fremdentwicklung nicht zu viele Ressourcen verbraucht und sich die Firma Nicolai sozusagen nicht verzettelt – und wenn sie es schafft, weiterhin diese Produktion im eigenen Land durchzuziehen. Etwas skeptischer bin ich nämlich bei der Frage, ob die Aluminiumrahmenproduktion wirklich wieder nach Deutschland zurückkommt. Ich glaube, dass das für lange Zeit noch ein extremes Alleinstellungsmerkmal bleibt, diese Möglichkeiten vor Ort zu haben, seine eigenen Ideen stringent umzusetzen, ohne auf Partner angewiesen zu sein. Und klar, mit dem Quer-Know-How aus dem Motorcross-Sport und sonstigen Ingenieursarbeiten ist genügend Vorsprung und Input da, um eben immer diese kleine Nuance vorne dran zu sein. Ob die Velotraum-Rahmen mal bei Nicolai gefertigt werden? Ich denke, da muss Nicolai aufpassen. Wenn sie zu viel Fremdproduktion reinnehmen, bleibt vielleicht zu wenig Kapazität übrig. Aus unserer Sicht wäre eine Kooperation durchaus wünschenswert – nicht für das Volumen unserer Produkte, weil dann einfach der Preis zu hoch würde, aber für so ein paar Spezialitäten, wo wir sogar gerne noch kleinteiliger werden würden. Sollten sich bei Nicolai mal Kapazitätsüberhänge ergeben, sehe ich also wunderbare Möglichkeiten. Man muss halt immer schauen, mit wem man zusammenarbeitet, weil es unter den Kleinen viele gibt, die relativ klamm sind.
… Velotraum
F: So Heiko, du hattest jetzt ein paar Minuten Zeit, dir zu überlegen, wo Velotraum …
M: Velotraum? Also, ich hatte gerade schon über Nicolai nachgedacht.
F: Nee, dann hätte Stefan wieder über sich reden müssen.
M: Ja, das stimmt.
F: Das war sogar Geisteswissenschaftlermathematik.
M: Also ich denke, dieses Streben nach Individualität in allen Bereichen ist ein Thema, was auch auf Dauer Bestand haben wird. Ich sehe das auch in anderen Branchen: Der Wunsch, sich mit dem Produkt, was ich benutze, abzuheben vom Massenmarkt und einfach für mich das richtige Produkt zu finden, das ist keine Mode für mich, sondern ich will fast sagen ein Grundbestreben der Menschheit. Jeder hat so seinen Bereich, in dem er sich austoben will. Es ist ganz wichtig, dass Velotraum, wie in den letzten zwanzig Jahren, diese speziellen Kunden im Blick hat und immer wieder technisch up-to-date ist. Du darfst nicht den Fehler machen, irgendwann in Nostalgie abzurutschen, sondern musst ständig vorne dran bleiben, musst aktuelle Marktströmungen, aktuelle Technologien auf dem Schirm haben. Das Thema Individualität ist ein wichtiges und insofern sehe für die nächsten zwanzig Jahre keine Notwendigkeit, diese Grundausrichtung über den Haufen zu werfen. Ob das dann 700 oder 15.000 Fahrräder sind, wird sich zeigen, aber die schieren Stückzahlen sind ja gar nicht das, was euch bewegt, sondern der Anspruch, eine solide Firma zu sein, die ein bestimmtes Segment bedient.
F: So, kannst du bitte noch folgenden Satz s
Der pressedienst-fahrrad hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem guten Fahrrad und dessen Anwendung mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Denn wir sind der Meinung, dass Radfahren nicht nur Spaß macht und fit hält, sondern noch mehr ist: Radfahren ist aktive, lustvolle Mobilität für Körper und Geist. Kurz: Radfahren ist Lebensqualität, Radfahren ist clever und Radfahren macht Lust auf mehr…
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