Die Kirche soll einen Ort der Gemeinschaft und des Glaubens bieten – doch was passiert, wenn ihre Vertreter offen Partei ergreifen? Genau das kritisiert ein engagierter Pfarrer jetzt in einem bemerkenswerten Brief an den Ex-Bischof und ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, der seine SPD-Mitgliedschaft seit seiner Wahl zum Bischof ruhen lässt.
Bedford-Strohm nahm an einer Demonstration gegen CDU/CSU teil – ein Auftritt, der für einen kirchlichen Amtsträger höchst fragwürdig ist. Der Pfarrer Jens Motschmann erinnert ihn daran, dass die Kirche kein politischer Akteur sein darf und ihre Glaubwürdigkeit verliert, wenn sie sich parteipolitisch instrumentalisieren lässt. Sein offener Brief hat eine derart klare Botschaft und ist so bewegend, dass ich es für wichtig, ja geradezu unumgänglich halte, ihn mit seiner ausdrücklichen Zustimmung hier in voller Länge wiederzugeben:
Jens Motschmann, Pfarrer i.R.
Herrn Landesbischof i.R.
Professor Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Sehr verehrter Herr Bischof Bedford-Strohm!
Ihre Teilnahme an einer Demonstration am 2. Februar gegen die Migrationspolitik CDU/CSU vor der Parteizentrale der CDU in Berlin hat mich sehr enttäuscht. Sie sagten am Sonntagmorgen im Interview mit dem NDR u.a.: „Zunächst geht es für mich dabei nicht um Parteipolitik…“ Dieser Satz klingt für mich nicht glaubwürdig, weil es Ihnen doch um Unterstützung einer Demonstration gegen den Beschluß einer Partei geht. Damit tragen Sie – natürlich ungewollt – zur gesellschaftlichen und kirchlichen Spaltung bei.
Unter den Parolen: „Wir sind die Brandmauer!“, „Laut gegen Nazis!“ oder „Aufstand der Anständigen“ steht diese Demonstration. Sie beteiligen sich dabei an einer Aktion, die den Menschen, die anderer Meinung sind, sagt,
dass sie unanständig sind. Herr Bischof, genau das ist unanständig!
Bitte, nehmen Sie zur Kenntnis, dass es unzählig viele Christen gibt, die sich jetzt bereits in den sozialen Netzwerken äußern, die in dieser Sache eine andere Überzeugung haben als Sie.
Sie können als Bischof der Evangelischen Kirche diesen Auftritt nicht mit gutem Gewissen verantworten. Sie wissen genau, dass wir als Amtsträger der Kirche die Verpflichtung eingegangen sind, uns an parteipolitischen Stellungnahmen und Demonstrationen nicht zu beteiligen. Das wäre nur zu verantworten in einem Land, in dem es keine Presse- bzw. Redefreiheit geben würde. Dort müßten wir, wenn wir denn den Mut hätten, „Mund der Stummen“ sein, wie es in der Erklärung der 1. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (Amsterdam 1948) nach der verbrecherischen Politik des Dritten Reiches formuliert wurde.
Wir leben aber in einer funktionierenden Demokratie, in der unsere jeweilige politische Überzeugung genügend lautstark artikuliert werden kann.
Dieses Thema ist nicht neu. Ich erinnere mich, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt in seinem Redebeitrag auf der 22. Sitzung der Zweiten Synode der Ev.-Luth. Kirche im Hamburgischen Staate am 23. Mai 1968 in Glücksburg warnte:
Ein Theologe, ein Bischof oder ein Pastor, der zum Beispiel in die allgemeine Politik eingreift, muß seine Amtsautorität dabei ausdrücklich und sichtbar und hörbar beiseitestellen. Er kann genausowenig im Talar eine politische Demonstration mitveranstalten, wie er etwa als Bischof von der Kanzel heraus in die Politik seines Landes eingreifen sollte.
Im politischen Bereich geht es um Ermessensentscheidungen, die notwendig verschieden ausfallen und deshalb nicht als ein angeblich gesamt-kirchlicher Konsens formuliert werden können.
Darum ist hier Zurückhaltung den kirchlichen Amtsträgern geboten.
Im Pfarrerdienstgesetz der EKD, Paragraph 34 heißt es darum ausdrücklich:
„1. Pfarrerinnen und Pfarrer haben durch ihren Dienst wie auch als Bürgerinnen und Bürger Anteil am öffentlichen Leben.
2. Auch wenn sie sich politisch betätigen, müssen sie erkennen lassen, dass das anvertraute Amt sie an alle Gemeindeglieder weist und mit der ganzen Kirche verbindet.
3. Sie haben die Grenzen zu beachten, die sich hieraus für Art und Maß ihres politischen Handelns ergeben.“
An diesen eigenen kirchenrechtlichen Vorgaben sollten sich auch kirchenleitende Persönlichkeiten halten. Die Grenzen politischer Betätigung eines kirchlichen Amtsträgers sind erreicht bzw. überschritten:
Wenn von ihm aufgrund seines besonderen Amtes in der Christengemeinde nun auch in der Bürgergemeinde eine besondere Sachkompetenz auf dem weiten Feld politischer Ermessensentscheidungen beansprucht wird.
Wenn von ihm im Vorfeld politischer Ermessensentscheidungen so argumentiert wird, als könne es vom Glauben her nur eine einzige Lösung geben. Auf diesem Wege wird aus einem subjektiven Urteil der Vernunft eine angeblich glaubensmäßig gebotene Position (status confessionis).
Derartige Grenzüberschreitungen in der Verkündigung der Kirche gefährden die Glaubwürdigkeit und den Bestand der Kirche. Ihre Folgen sind:
Politische Überfremdung kirchlichen Redens und Handelns, innere Zerrissenheit der Gemeinde, Folge: Zunahme von Kirchenaustritten.
Zu den vorrangigen Aufgaben der christlichen Verkündigung im politischen Raum gehört es, das Gewissen zu schärfen, Kontrahenten in der politischen Auseinandersetzung einen Ort des Gesprächs anzubieten und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern sowie dem inneren Frieden zu dienen.
Stellungnahmen, die eine parteipolitische Färbung haben, gehören nicht zu den Aufgaben der Kirche.
Ich hoffe, dass der Schaden, den Sie mit Ihrem Auftreten bei einer Demonstration gegen die CDU/CSU anrichten, begrenzt bleibt.
Ich grüße Sie mit allen guten Segenswünschen!
Jens Motschmann
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