Von Kai Rebmann
Eines der größten Probleme der Politik im Deutschland anno 2025 (aber auch schon in den Jahren zuvor) ist wohl, dass sich die Protagonisten inzwischen meilenweit vom Volk entfernt haben. Anders ist es kaum zu erklären, dass einfache Bürger wegen nichtig erscheinender „Beleidigungen“ immer öfter Post von der Staatsanwaltschaft bekommen oder gar Hausdurchsuchungen im Morgengrauen über sich ergehen lassen müssen.
Möglich macht dies Paragraf 188 StGB „Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“; also dem, was gemeinhin auch als „Majestätsbeleidung“ verstanden wird. Bei einer Verurteilung drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe, kein Pappenstiel also.
Frisch genährt wurde die Debatte über Sinn oder Unsinn dieses Paragrafen zuletzt durch eine Anzeige von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der sich von einem Rentner aus Bayern nicht als „Schwachkopf“ bezeichnen lassen wollte. Kritik an dieser Dünnhäutigkeit hagelte es vor allem aus den Reihen der Union, die sich in Zeiten des Wahlkampfs offenbar besonders volksnah präsentieren will.
Bundesweit mindestens 55 Strafanzeigen
Aber: Eine Umfrage der Kollegen der „Jungen Freiheit“ in den Büros der Ministerpräsidenten zeigt, dass es vor allem Politiker der CDU sind, die mithilfe der Staatsanwaltschaften mit Kanonen auf Spatzen schießen lassen. Bundesweit sind demnach in den vergangenen Jahren mindestens 55 Strafanzeigen gemäß Paragraf 188 StGB eingereicht worden.
Als sei diese Zahl nicht schon erschreckend genug, bildet sie womöglich nur die Spitze des Eisbergs ab. So wollte etwa die Sächsische Staatskanzlei mit Hausherr Michael Kretschmer (CDU) erst gar keine konkrete Auskunft erteilen: Gegen den Ministerpräsidenten gerichtete „Hasspostings“ oder sonstige Beleidigungen würden „aus grundsätzlichen Erwägungen“ den entsprechenden Stellen generell gemeldet. Welcher Paragraf dabei gegebenenfalls in Betracht komme, obliege jedoch den ermittelnden Behörden: „Insofern kann die Frage, ob Strafanzeigen nach Paragraf 188 StGB gestellt werden, nicht beantwortet werden.“
Wie so oft liegt die Wahrheit auch in diesem Fall zwischen den Zeilen. Geht Sachsen in die vorliegende Umfrage, die leider hinter einer Bezahlschranke veröffentlicht wurde, mit 0 Anzeigen (speziell nach Paragraf 188 StGB) ein, so bestätigt die Staatskanzlei andererseits explizit, dass „generell“ und schon „aus grundsätzlichen Erwägungen“ allem Anschein nach durchaus regelmäßig nach dem Staatsanwalt gerufen wird.
CDU-Länderchefs führen Ranking an
Andere Büros waren da auskunftsfreudiger. Aus Schleswig-Holstein wurden seit dem Jahr 2022 17 Strafanzeigen (Paragraf 188 StGB) gemeldet, bei denen Ministerpräsident Daniel Günther „als Geschädigter erfasst“ wurde. Doch auch in diesem Fall könnte die tatsächliche Zahl noch höher liegen, denn eine Sprecherin in Kiel betont: „Weitere Strafanträge sind gegebenenfalls von der Partei [der CDU also] gestellt worden, beispielsweise bei Vorfällen bei Parteiveranstaltungen.“
Dicht dahinter folgt Kai Wegner, ebenfalls von der CDU. Berlins Regierender Bürgermeister ließ demnach 12 Strafanträge nach Paragraf 188 StGB stellen. Diese Angabe bezieht sich jedoch ausdrücklich auf den Zeitraum ab 27. April 2023 und muss bei einem Vergleich mit Daniel Günther (Zeitraum „seit dem Jahr 2022“) oder anderen Länderchefs entsprechend berücksichtigt und ins Verhältnis gesetzt werden.
Auf Platz drei, gemessen nach den absoluten Zahlen, rangiert Rheinland-Pfalz. Seit April 2021 wurden in Mainz 11 einschlägige Strafanzeigen gestellt. Der von dort gemeldete Zeitraum „seit April 2021“ fällt jeweils in Teilen noch in die Amtszeit von Malu Dreyer sowie deren Nachfolger und seit Juli 2024 amtierenden Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer (beide SPD).
Auf den Plätzen dahinter folgen Mecklenburg Vorpommern mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und 10 Anzeigen, Sachsen-Anhalt mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und 4 Anzeigen sowie das Saarland mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und einer Anzeige.
Lückenhafte Dokumentation lässt auf höhere Dunkelziffer schließen
Keine Strafanzeigen nach Paragraf 188 StGB wurden laut eigenen Aussagen in Baden-Württemberg (Winfried Kretschmann, Grüne), Brandenburg (Dietmar Woidke, SPD), Bremen (Andreas Bovenschulte, SPD), Hamburg (Peter Tschentscher, SPD), Hessen (Boris Rhein, CDU) und Thüringen (Mario Voigt, CDU, sowie Bodo Ramelow, Linke) gestellt. Aus Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde jeweils mitgeteilt, dass eine entsprechende Erfassung nicht stattfinde.
Fazit: In Zeiten des offenkundigen Staatsversagens, in denen sich Gerichte und Staatsanwaltschaften bei wirklich schweren Straftaten als vollkommen überlastet und schlicht handlungsunfähig präsentieren, wirkt dieser von unseren Spitzenpolitikern zur Schau getragene Narzissmus umso absurder. So schafft es der Rechtsstaat, sofern er diesen Namen noch verdienen will, zum Beispiel seit Jahren nicht, „vollziehbar ausreisepflichtige“ Straftäter in ihre Heimat zurückzuführen.
Auf der anderen Seite wird Jagd auf Nicht-Impfärzte, nicht linientreue Journalisten oder eben die „ganz normalen“ Bürger gemacht. Dabei scheint insbesondere unseren Politikern in ihren Elfenbeintürmen (fast) jedes Mittel recht, um den Wähler – und damit den Souverän einer jeden funktionierenden Demokratie – zum Schweigen zu bringen!
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Screenshot Tiktok
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