• 27. Oktober 2024

Offene Gesellschaft: Kaum ein Begriff wird so häufig missbraucht

ByJörg

Okt 27, 2024

Gehören Sie zu denen, die noch Anmerkungen lesen?

Für die Jüngeren unter uns muss man das vermutlich erklären.
Also…

wissenschaftliche Beiträge haben sich früher dadurch ausgezeichnet, dass man die Gedanken, die – wenn man so will – erläuternde Nebengedanken darstellen, Nebengedanken, die den Argumentationsfluss stören würden, in Fussnoten verpackt hat. Das hat zuweilen lustige Ergebnisse zutage gefördert. Mein Favorit findet sich nach wie vor in Hans Alberts Traktat über kritische Vernunft und sieht so aus:

Klassisch.
Ein Viertel Text, drei Viertel der Seite engbeschriebene Anmerkungen.
Indes, dem Lesefluss nicht unbedingt förderlich, weshalb manche Verlage und Autoren dazu übergegangen sind, die Anmerkungen an das Ende des eigentlichen Textes zu verbannen, was dann gemeinhin dazu führt, dass die Anzahl der Leser, die Anmerkungen lesen, in die Knie geht.

Deshalb meine Eingangs gestellte Frage.

Wenn man nämlich Anmerkungen liest, dann findet man am Ende des Ersten Bandes der Offenen Gesellschaft von Sir Karl Raimund Popper eine Anmerkung zu seinem Gebrauch der Begriffe, offene und geschlossene Gesellschaft. In Abgrenzung zur Verwendung der Begriffe bei Henri Bergson schreibt Popper, sein Gebrauch basiere auf einer rationalistischen Unterscheidung, denn während in geschlossenen Gesellschaften magische Tabus anerkannt würden, die nicht hinterfragt werden dürfen, zeichne es Offene Gesellschaften aus, selbst Tabus kritisch zu hinterfragen, und es zeichne die Mitglieder einer offenen Gesellschaft aus, sich ein eigenes Urteil auf Basis einer kritischen Diskussion über Tabus zu bilden.

Der Begriff „Tabu“ ist – obschon es heute so viele gibt, wie zu keiner religiösen Vorzeit – etwas aus der Mode gekommen. Letztlich bezeichnet er einen in einer Gemeinschaft geteilten Glauben, der sakrosankt ist, also nicht hinterfragt und nicht diskutiert werden darf, sofern man sich in einer geschlossenen Gesellschaft befindet, in der es z.B. verboten ist, das Tabu des Klimawandels aus Menschenhand, den mystischen Glauben an diese unglaubliche zerstörerische Kraft von Menschen, der es einer Hohepriester-Kaste erlaubt, unglaubliche Profite zu generieren, zu hinterfragen. Das geht in einer Geschlossenen Gesellschaft nicht, aber in einer Gffenen Gesellschaft, die auf Kritik gebaut ist.

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Ausgehend von dieser „Anmerkung“ steigt der Ärger ob all derjenigen, die den Begriff der Offenen Gesellschaft mit klarem Bezug auf Popper, um sich in seinem intellektuellen Ruhm suhlen zu können, zweckentfremden und unter dem Etikett das Gegenteil, nämlich eine Geschlossene Gesellschaft umsetzen oder durchsetzen wollen. Das bekannteste Beispiel ist George Soros, der seine ideologische Anti-Toleranz-Stiftung, die zur Zerstörung traditioneller Werte gegründet wurde, „Open Societies Foundation“ genannt hat. Eine unglaubliche Perversion des Begriffs, die dadurch ins Extrem gesteigert wird, dass sich Soros explizit auf Popper berufen hat.

Indes, was Popper als Offene Gesellschaft bezeichnet, basiert auf dem Gegenteil von dem, was Soros in seiner ideologischen Bevormundungsstiftung umsetzen lassen will, es basiert auf Vernunft und Rationalität und Kritik an allem und jedem …

Aber lesen wir bei Popper:

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„Die hier eingenommene Position unterscheidet sich von der populären (ursprünglich platonischen) Ansicht, nach der die Vernunft eine Art ‚Vermögen‘ ist, das die Menschen in sehr ungleichem Ausmaße besitzen und entwickeln. Es ist richtig, dass nicht alle Menschen dieselben intellektuellen Gaben haben, und es ist auch richtig, dass die intellektuelle Begabung eines Menschen zu seiner Vernünftigkeit beitragen kann; aber das braucht nicht unbedingt der Fall zu sein. Intelligente Menschen können sehr unvernünftig sein. Sie können sich an ihre Vorurteile klammern und den Standpunkt einnehmen, dass die Gedanken anderer Menschen nicht der Rede wert sind.

Nach unserer Auffassung ist es jedoch so, dass wir nicht nur unsere Vernunft unseren Mitmenschen verdanken, sondern wir können sie an Vernünftigkeit auch niemals so sehr übertreffen, dass ein Anspruch auf Autorität gerechtfertigt wäre. Das Autoritarismusprinzip und der Rationalismus in unserem Sinne sind unvereinbar; denn das Argument, das die Kritik einschließt, und die Kunst, Kritik anzuhören, sind die Grundlage der Vernünftigkeit. Somit steht der Rationalismus in unserem Sinne in diametralem Gegensatz zu all den modernen Träumen von ’schönen neuen Welten‘, in denen das Wachstum der Vernunft durch eine höhere Vernunft beherrscht oder ‚geplant‘ wird. Die Vernunft und die Wissenschaft wachsen beide durch gegenseitige Kritik; die einzige mögliche Art, dieses Wachstum zu ‚planen‘, besteht in der Entwicklung von Institutionen, die die Freiheit dieser Kritik, das heißt die Freiheit des Denkens sichern.
[…]
Die Bedeutung, in der ich den Ausdruck ‚Rationalismus‘ verwende, wird vielleicht etwas klarer werden, wenn wir zwischen einem wahren Rationalismus und einem falschen oder Pseudorationalismus unterscheiden. Unter dem ‚wahren Rationalismus‘ verstehe ich den Rationalismus des Sokrates. Dieser Rationalismus besteht darin, dass wir uns unserer Beschränkungen bewusst sind, in der intellektuellen Bescheidenheit jener Menschen, die wissen wie oft sie sich irren und wie sehr sie sogar in bezug auf dieses Wissen von anderen abhängen. Es besteht in der Einsicht, dass wir von der Vernunft nich allzuviel erwarten dürfen; das Argumente kaum je eine Frage endgültig lösen können, obgleich sie das einzige Mittel zum Lernen sind, ein Mittel, das uns zwar nicht mit einem Schlage Klarheit verschafft, das uns aber die Möglichkeit gibt, klarer zu sehen als zuvor.

Was ich ‚Pseudorationalismus‘ nenne, ist der intellektuelle Intuitionismus Platons. Der Pseudorationalismus ist der unbescheidene Glaube an die Überlegenheit der eigenen intellektuellen Gaben. Er erhebt den Anspruch, eingeweiht zu sein und mit Sicherheit und mit Autorität zu wissen. Nach Platon haben (…) ‚alle Menschen‘ an der Meinung, sogar an der ‚wahren Meinung‘ Anteil: ‚aber die Vernunft‘ (oder die ‚intellektuelle Intuition‘) ‚kommt nur den Göttern und sehr wenigen Menschen zu‘. Dieser autoritäre Intellektualismus, dieser Glauben an den Besitz eines unfehlbaren Instruments für Entdeckungen oder einer unfehlbaren Methode; diese Unfähigkeit, einen Unterschied zu machen zwischen den geistigen Fähigkeiten eines Menschen und der Tatsache, dass er sein gesamtes Wissen sowie seine Fähigkeiten zu verstehen dem Verkehr mit seinen Mitmenschen verdankt, dieser Pseudorationalismus tritt oft unter dem Namen Rationalismus auf; er ist aber das diametrale Gegenteil von dem, was wir so nennen“ (265-266, BD.II).

Es reicht, die von uns hervorgehobenen Abschnitte zu lesen, um zu wissen, dass diejenigen, die sich davon überzeugt haben oder vorgeben, im Besitz der „Wahrheit“ zu sein und es sich auf dieser Grundlage anmaßen, anderen Vorschriften über deren Verhalten zu machen, Ergebnisse einer Geschlossenen und damit Feinde einer Offenen Gesellschaft sind.

Schon die Verweigerung jeder Diskussion über oder jeder Kritik am Klimawandel-Tabu, am vermeintlichen menschlichen Eingreifen in die Naturgewalten, bereits die Ausgrenzung derjenigen, die auf falsifizierende Beobachtungen hinweisen oder Kritik an einer für absolut gesetzten Behauptung, wie der, es gebe einen Impfstoff, der sicher und effektiv ist, üben, reicht aus, um zu wissen, dass man es mit autoritären Personen zu tun hat, die sich jenseits einer Rationalität, wie sie notwendig ist, um eine Offene Gesellschaft zu betreiben, angesiedelt haben, in einer Geschlossenen, einer autoritären, einer faschistischen Gesellschaft, und Demokratie ist nur in Offenen Gesellschaften möglich.


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Author: Michael Klein
Michael Klein

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