• 26. Dezember 2024

Die zwischen der Ukraine und EU-Mitglied Rumänien gelegene Ex-Sowjetrepublik Moldau hat richtungsweisende Entscheidungen getroffen.

ByJörg

Okt 20, 2024

Die zwischen dem Westen und Russland hin- und hergerissene Republik Moldau hat bei einer Präsidentenwahl und einem EU-Referendum die Weichen für ihre Zukunft gestellt. Nach einem ruhigen Verlauf und hoher Beteiligung schlossen die Wahllokale um 21.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MESZ). 

Nach Angaben der Wahlkommission in der Hauptstadt Chisinau begann die Stimmenauszählung in dem Land mit 2,5 Millionen Einwohnern, das wie die benachbarte Ukraine EU-Beitrittskandidat ist. Erste Ergebnisse werden am späten Abend erwartet. Präsidentin Maia Sandu hofft als Favoritin auf eine zweite Amtszeit Nachbarland von EU-Mitglied Rumänien. Weil sie zehn Mitbewerber hat, gilt eine Stichwahl in zwei Wochen mit dem Zweitplatzierten als wahrscheinlich.

Moldau müsse seine Zukunft unter den Bedingungen von Frieden und Freiheit selbst bestimmen, sagte Sandu von der Partei Aktion und Solidarität (PAS). «Ich habe gewählt, weil die Moldauer ihr Schicksal selbst bestimmen sollten und nicht Lügen und schmutziges Geld.» Die 52 Jahre alte Staatschefin lag in Umfragen vor der Wahl bei rund 36 Prozent Zustimmung. An zweiter Stelle folgte der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo als Kandidat der traditionell starken Sozialistischen Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon. Beobachter rechneten rund zwei Drittel der Kandidaten dem von Russland unterstützten Lager zu, das allerdings nicht geeint ist.

Vorwürfe der Einflussnahme auf Wähler

Moldauische Sicherheitsbehörden deckten vor den Abstimmungen Fälle von prorussischer Desinformation und Wählerbestechung auf. Als wichtiger Akteur gilt der ins Ausland geflüchtete moskautreue Oligarch Ilan Shor, der in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Betrug verurteilt wurde und gesucht wird.

Russland wiederum wirft der EU vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung zu nehmen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und bei einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Finanziert werden sollen etwa Arbeitsplätze, Wachstum, Dienstleistungen und Infrastruktur.

Präsidentin Sandu hatte vor der Wahl angekündigt, ihren reformorientierten Kurs fortzusetzen. Die Menschen in Moldau waren auch zu einem Referendum aufgerufen, mit dem der EU-Kurs des Landes in der Verfassung als «unumkehrbar» verankert werden soll. Laut Volksabstimmung soll etwa dieser Satz künftig in der Verfassung stehen: «Die Integration in die Europäische Union wird als strategisches Ziel der Republik Moldau erklärt.» Umfragen zufolge ist eine stabile Mehrheit von 50 bis 60 Prozent der Moldauer für einen EU-Kurs. 

Kritik am EU-Referendum

Auch am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentenwahl und das EU-Referendum verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das EU-Referendum. Ex-Präsident Dodon von der Sozialistischen Partei sprach von einem «rechtswidrigen Prozess», weil es sich nicht um ein Referendum gehe, sondern um eine Verfassungsänderung.

«Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgesetzt werden, doch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der EU sollten erst nach dem Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind», unterstrich Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.

Abstimmungen in Moskau und prorussischen Regionen

In der russischen Hauptstadt Moskau bildeten sich lange Schlangen vor der moldauischen Botschaft für die Stimmabgabe. Zugleich gab es Beschwerden, dass die Zahl der Wahllokale in Russland gezielt klein gehalten werde und nicht genügend Stimmzettel vorhanden seien. Das Außenministerium in Chisinau bezeichnete die Schlangen laut Medien in Moldau als künstliche Inszenierung.

Stark ist der russische Einfluss auch in der von Moldau abtrünnigen und von Moskau abhängigen Region Transnistrien, die an die Ukraine grenzt, sowie in der moldauischen autonomen Provinz Gagausien, in der die regionale Regierungschefin Irina Vlah als Kandidatin «für Frieden» antrat. 

Das Bewerberfeld dürfte auch deshalb so groß gewesen sein, weil viele Menschen mit Sandus Politik unzufrieden sind und seit ihrer Wahl 2020 zu wenig Fortschritte etwa im immer wieder angekündigten Kampf gegen Korruption in dem verarmten Agrarstaat sehen. Damals kam Sandu im ersten Wahlgang auf 36,2 Prozent und im zweiten Wahlgang auf 57,7 Prozent der Stimmen. Weil sie einen Verzicht auf russisches Gas durchsetzte, stiegen die Energiepreise, was viele Verbraucher ärgert.

Um Reformen umzusetzen, ist Sandu auf eine Mehrheit im Parlament angewiesen, die sie derzeit hat. Der politische Machtkampf in Moldau wird nach Einschätzung von Beobachtern seinen Höhepunkt bei der Parlamentswahl im kommenden Sommer erreichen. «Für eine starke politikgestaltende Rolle als Präsidentin ist ein loyaler Premierminister und eine Mehrheit im Parlament notwendig», sagte die Moldau-Expertin Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau der Deutschen Presse-Agentur. Sie erwartet nicht, dass Russland bei seinen Versuchen der Einflussnahme in dem Land nachlässt.

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