• 11. Oktober 2024

Zugewanderter Judenhass, hinten anstellen – Für Friedman muss deutscher Antisemitismus einzigartig bleiben

ByJörg

Okt 10, 2024

Vorab ein paar Worte zu Michel Friedman. Der 68-Jährige ist Wirtschafts- und Medienanwalt, ehemaliges Mitglied des CDU-Bundesvorstands, Bestsellerautor und Fernsehmoderator. Sein Thema ist das Schicksal der europäischen Juden. Fast die gesamte Familie von Michel Friedman wurde in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet. Leben in Deutschland ist also per se eine Zumutung, aber Friedman hat die Herausforderung eines Lebens im Land der Täter angenommen.

Man muss es vielen jüngeren Menschen in Deutschland erklären, die über den Nationalsozialismus nur wenig erfahren haben. Gäbe es einen Pisa-Test explizit für neuere Geschichte, die Deutschen schnitten noch schlechter ab als schon in Mathematik und anderen Fächern.

Erklären muss man, dass der Deutsche für Michel Friedman als Deutscher Täter per se ist. Bald ein Jahrhundert nach dem industriell betriebenen Völkermord an den Juden gilt die nationalsozialistische Diktatur als eine von den Deutschen gewählte und gewollte. Ein Deutscher kann nur in Ausnahmen auch Opfer der Nationalsozialisten sein. Von den Kambodschanern unter den Khmer Rouge bis zu den Bürgern der DDR sind die Menschen Opfer der Diktatur. Für die Deutschen unter dem Nationalsozialismus gilt das allerdings nicht.

Warum ist das so?

Für den US-amerikanischen Autor Daniel Goldhagen, waren die Deutschen „Hitlers willige Vollstrecker“. Als zentrale Triebkraft des Holocaust identifizierte der Soziologe und Politologe einen gesamtgesellschaftlichen deutschen Antisemitismus.

Und die deutsche Journalistin Lea Rosh schrieb gemeinsam mit dem Historiker Eberhard Jäckel „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, ein Zitat aus dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan, in welchem die nationalsozialistische Judenvernichtung als eine Art mörderisches deutsches Meisterwerk thematisiert wird.

Michel Friedman war unter anderem Vizepräsident des Zentralrates der Juden. Und Friedman ist nie müde geworden, immer dort laut zu werden, wo er eine Gefahr sah, dass der Holocaust relativiert wurde oder wo er eine neue Form einer gruppenspezifischen Menschenfeindlichkeit unter den Deutschen erkannt haben wollte.

Bei Youtube nachzuschauen ist eine Begegnung zwischen Friedman und dem leider viel zu früh verstorbenen Künstler und Regisseur Christoph Schlingensief. Damals begleitete „Arte“ die beiden Prominenten „durch die Nacht“. Diese 70 minutenlange Sendung gehört längst zu den Klassikern der Fernsehunterhaltung. Jedenfalls dann, wenn man bereit ist, sich auf die so unterschiedlichen Charaktere einzulassen, wenn man die Protagonisten kennenlernen will.

Am vergangenen Mittwoch nun hielt Michel Friedman eine Rede im Wiesbadener Landtag. Allerdings nicht zum Jahresstag des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober, sondern zum 50. Todestag von Oskar Schindler, dem auch Friedman als Nachgeborener sein Leben verdankt, seine Eltern wurden von Schindler vor der Deportation und der Ermordung in den Vernichtungslagern bewahrt. Eine Rettung, sicher vergleichbar mit der berühmten Nadel im Heuhaufen.

Ein AfD-Abgeordneter hatte sich während der Rede Friedmans ein weißes Pulver unter die Nase gerieben, um damit abfällig auf einen Kokain-Besitz Friedmans in der so genannten „Friedman-Affäre“ hinzuweisen. Die Medien stellen sich heute also die Frage, wie man diese Provokation an einem Gedenktag für Oskar Schindler ahnden und verurteilen soll.

T-Online etwa schreibt:

„Während Redner an gerettete Juden erinnert – AfD-Politiker entsetzt bei Schindler-Gedenken mit Drogen-Geste“.

Was daran aber vor allem irritiert ist, dass es den Medien kein Wort der Entrüstung wert ist, wie Michel Friedman hier die Abgeordneten der AfD auf eine Weise diffamierte und beleidigte, die schon nach wenigen Minuten zwangsläufig einen Abbruch der Veranstaltung zur Folge hätte haben müssen, wo Friedman die Abgeordneten als Nachfolger der Nazis, als Undemokraten, geistige Brandstifter und Hetzer beschimpfte und verunglimpfte.

Das ist eines gewählten Parlamentes nicht würdig. Und schon gar nicht am 50. Todestag von Oskar Schindler. Das einladende Parlament selbst hat diesen Eklat billigend in Kauf genommen bzw. absichtsvoll provoziert. Warum sich Friedman hier so willig politisch gegen die AfD instrumentalisieren ließ, kann er nur selbst erklären.

Es soll hier auch erwähnt werden, dass Friedman mit „Judenhass“ Anfang des Jahres ein Buch unter anderem zum Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 geschrieben hat, dass jetzt um den 7. Oktober herum seine besondere Relevanz bekommen hat.

Friedmans Verlag hat in der Bewerbung für das Buch einen Satz des Autors besonders hervorgehoben:

„Ich werde den Antisemiten nicht verzeihen, dass viele Kinder die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit, die sie einmal in ihrem Leben hatten, wenn man sie fragte, ob sie Juden sind, am 7. Oktober verloren haben.“

Das allerdings können nicht die von Friedman als Nazis und Antisemiten beschimpften AfD-Abgeordnete in Hessen sein. Die AfD steht nach wie vor fest an der Seite Israels und ist weit entfernt davon, sich im Gaza-Krieg auf irgendeine Weise der pro-palästinensischen Linken und der auch vielfach pro-palästinensischen Ampelregierung anzunähern.

Michel Friedman steht spätestens mit dem 7. Oktober vor einem schwer aufzulösenden Konflikt. Sein Einsatz und Kampf gegen einen deutschen Antisemitismus sieht er in Deutschland von muslimischen Zuwanderern überflügelt. Und damit ist – jedenfalls für den Moment der eskalierenden Proteste – die Einzigartigkeit des von ihm und anderen identifizierten deutschen Antisemitismus in Gefahr.

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Friedman sagt dazu noch 2018 gegenüber einer Frankfurter Zeitung:

„Nach wie vor ist der deutsche Antisemitismus die größte Bedrohung. Auch die Linksextremisten schwafeln von den Verschwörungstheorien, die eine Schnittstelle mit den Rechtsextremen darstellt. In den letzten Jahren ist eine weitere Gruppe hinzugekommen. Ein Teil der arabisch-muslimischen Flüchtlinge, aber auch ein Teil der hier seit Jahrzehnten lebenden deutschen Muslime, sind auffällig geworden. Die Flüchtlinge sind größtenteils aus Diktaturen nach Deutschland gekommen. Die Staatsräson dieser Diktaturen ist es, den Hass auf Israel als Identitätsgrundlage mitzuliefern. Israel ist der jüdische Staat. Also richtet sich der Hass auch gegen die Juden.“

Das wiederum ist  schon deshalb als Relativierung des muslimischen Antisemitismus zu verstehen, weil Friedman hier im selben Kontext direkt weiterleitet hin zu einer Islamophobie bei Sarrazin und zu einer AfD, die Springerstiefel und die Glatze nur gegen Anzug mit Krawatte oder gepflegten Kleid getauscht habe.

Michel Friedman sprach vor dem Landtag. Außerdem hat er sich umfangreich in einem Gastartikel für die „Welt“ geäußert, der in dem Kontext auch in seiner Düsternis noch einmal eine besondere Aufmerksamkeit verdient, wenn der Autor titelt:

„Die hässliche Fratze des Islamismus prägt immer mehr den Alltag“.

Logische Konsequenz allerdings geht anders. Anstatt den zugewanderten Antisemitismus deutlich zu markieren, verliert sich der im hessischen Landtag wie ein Scharfrichter argumentierende Friedman im Nebulösen: Die deutsche Politik sei schuld. Aber nicht wegen ihrer Migrationspolitik – was bedeuten würde 1 plus 1 gleich 2 –  sondern Schuld am muslimischen Antisemitismus sei ein versagendes deutsches Erziehungssystem und das Bildungssystem an den Universitäten. Das ist auch dann noch Unsinn, wenn man die linksradikalen Jugendlichen einer womöglich antisemitisch agierenden Klimabewegung mitrechnet.

Michel Friedman ist hier so in seiner Rolle des Mahners eines einzigartigen deutschen Antisemitismus gefangen, dass es ihm nicht gelingt, gegen den importierten Antisemitismus aufzustehen. Denn das hieße gleichermaßen, Gefahr zu laufen mit jenen einer Auffassung zu sein, die man im Landtag als Nazis beschimpft hat.

Die Singularität des Holocaust wird bei Friedman vom Gedanken einer Singularität des deutschen Antisemitismus begleitet. Und damit neuerdings zu einer Verharmlosung eines muslimischen oder islamistischen Antisemitismus?

Friedman verfangen in der Friedman-Schleife:

„Wir Juden tragen nicht die Schuld und Verantwortung, dass es Judenhasser gibt. Wir Juden haben nicht den Auftrag, den Judenhass zu bekämpfen. Das wäre die Spitze der Pervertierung. Es ist der Auftrag der gesamten Gesellschaft. Und sie ist hilflos. Scheint, wie in den letzten Jahrzehnten, damit überfordert zu sein.“

Das allerdings macht explizit die AfD mit ihrer Kritik an der illegalen Zuwanderung überwiegend muslimischer Zuwanderer aus Afghanistan, Syrien und anderen Ländern des Nahen Ostens. Die Sorge vor Zuwanderern und Flüchtlingen aus Gaza und demnächst möglicherweise auch dem Iran, sollte naturgemäß immer auch eine vor einem importierten Antisemitismus sein.

Und der ist tatsächlich mit dem israelischen Vergeltungs- bzw. Verteidigungskrieg – oder sollte man mittlerweile von Kriegen sprechen? – auch in Deutschland explodiert. Es waren hier vor allem die AfD und die Neuen Medien, die schon früh und immer wieder vor dieser wachsenden Gefahr gewarnt haben.

Es ist ein Paradoxon, aber ein selbsterklärendes: Friedman beklagt eine fehlende Umarmung gegen den Antisemitismus, „statt Umarmungen gibt es aggressive Distanz“. Gleichzeitig stößt er die AfD, die hier sein natürlichster Umarmungspartner wäre, nicht nur weg, er beleidigt sie so abgrundtief, dass eine weißgepuderte Nase das kleinste Problem sein dürfte.

Besonders verwerflich: Der Landtag hat Michel Friedman vor allem deshalb eingeladen, um die AfD auf diese Weise zu beleidigen, von deren Abgeordneten man wiederum erhofft hatte, dass sie am Todestag von Oskar Schindler die Friedman-Beschimpfung über sich ergehen lassen wie Schuldige.

Und abschließend noch einmal ganz deutlich: Für Michel Friedman muss der deutsche Antisemitismus immer singulär bleiben. Und damit hat er jedenfalls aus der historischen Perspektive auch uneingeschränkt Recht.

Aber Friedman verliert sich hier in der Zeit: Denn gegenwärtig ist der muslimische oder islamistische Antisemitismus die größte Gefahr nicht nur für Juden in Europa, sondern für die europäischen Werte, die nach 1945 vor allem um eines kreisen und kreisen müssen: Nie wieder!

Hier wäre die AfD der natürliche Partner von Michel Friedman. Friedman sollte jetzt ein persönliches Gespräch mit der AfD-Führung suchen. Die gewünschte Umarmung wäre nach Friedmans Ausfällen im hessischen Landtag dann allerdings ihrerseits eine Überraschung.

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Author:
Alexander Wallasch

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