Nato-Staaten machen jetzt Tempo bei der Ausrüstung der Ukraine mit westlichen Kampfflugzeugen: Der Transfer von F-16-Jets sei bereits im Gange, kündigten die USA, die Niederlande und Dänemark am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung am Rande des Nato-Gipfels in Washington an. Damit könnten die Maschinen noch diesem Sommer zur Abwehr des russischen Angriffskrieges zum Einsatz kommen.
Das Bündnis sichert der von Russland angegriffenen Ukraine zudem zu, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann. In dem Text für die Abschlusserklärung des Spitzentreffens wird der Pfad zur Mitgliedschaft als «irreversibel» bezeichnet, wie die Deutsche Presse-Agentur nach Abschluss der Verhandlungen über das Dokument erfuhr.
In dem Text wird noch einmal betont, dass eine formelle Einladung zum Beitritt erst ausgesprochen werden kann, wenn alle Alliierten zustimmen und alle Aufnahmebedingungen erfüllt sind. Dazu zählen Reformen im Bereich der Demokratie und Wirtschaft sowie des Sicherheitssektors.
Scholz zu Luftverteidigung: Prozess nicht abgeschlossen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte der Ukraine unterdessen weitere Hilfe in Aussicht und bezeichnete die bisherige Unterstützung für das Land mit Luftverteidigungssystemen als «großen Schritt». «Aus meiner Sicht ist dieser Prozess nicht abgeschlossen», sagte Scholz vor einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
«Danke, Olaf, für die Luftverteidigung», sagte Selenskyj zu Scholz.
Die USA, Deutschland und weitere Verbündete hatten der Ukraine am Dienstag zum Auftakt des Nato-Gipfels weitere Unterstützung zur Abwehr russischer Luftangriffe zugesagt. Die Ukraine hatte bereits im April sieben zusätzliche Patriot-Systeme gefordert, Deutschland hat drei davon bereits geliefert und darauf gesetzt, dass andere Nato-Staaten folgen.
Scholz sicherte D(SPD) hat den Verbündeten zu, dass Deutschland seiner Verantwortung als größte europäische Volkswirtschaft auch in schwierigen Zeiten nachkommen werde. «Daraus erwächst uns eine ganz besondere Verantwortung», sagte Scholz. «Und das kann ich hier ganz klar und deutlich sagen: Wir werden, ich werde dieser Verantwortung gerecht werden»,
Beitrittsperspektive bleibt Streitthema
Der Text für die Abschlusserklärung ist ein Kompromiss, der die unterschiedlichen Positionen im Bündnis zum Nato-Beitrittsprozess abbildet. Die Nato-Perspektive für die Ukraine ist innerhalb der Allianz seit langem ein Streitthema. So lehnen es Länder wie Deutschland und die USA ab, in der derzeitigen Situation eine formelle Einladung zum Beitritt auszusprechen. Grund ist vor allem die Sorge, dass ein solcher Schritt zu einer weiteren Eskalation des Ukraine-Krieges führen könnte.
Auf der anderen Seite stehen etliche andere Alliierte, die argumentieren, dass Russland klar und deutlich gezeigt werden sollte, dass es einen Nato-Beitritt der Ukraine nicht wird verhindern können. In dieser Logik besteht die Hoffnung, dass eine Einladung der Ukraine in die Nato sogar zu einem schnelleren Ende des Krieges führen könnte.
Die deutsch-amerikanische Position ist für die Ukraine vor allem deswegen problematisch, weil sie für Moskau ein Argument gegen die Aufnahme von Verhandlungen sein könnte. Eines der erklärten Kriegsziele von Kremlchef Putin ist die Verhinderung eines Nato-Beitritts des Nachbarstaates.
Eine Grundsatzeinigung zur Aufnahme der Ukraine hatten die Nato-Staaten eigentlich bereits im Jahr 2008 getroffen. Damals war bei einem Gipfeltreffen in Bukarest vereinbart worden, dass die Ukraine ein Mitglied der Nato wird – allerdings ohne jeden Zeitplan.
Mindestens 40 Milliarden Euro Militärhilfe
In dem Text für die Abschlusserklärung wird der Ukraine zudem zugesichert, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden Euro erhält. Das ist der Betrag, der auch in den vergangenen Jahren mobilisiert wurde.
Die Zusage bleibt deutlich hinter dem zurück, was der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ursprünglich gefordert hatte. Stoltenberg wollte, dass es eine Mehrjahreszusage gibt, um Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu zeigen, dass er nicht auf nachlassendes Engagement des Westens setzen kann. Unter anderem die USA wollten sich jedoch nicht langfristig verpflichten.
Russland kann bisher Luftüberlegenheit nutzen
Die Ukraine wehrt seit fast zweieinhalb Jahren eine russische Invasion ab und ist dafür auf ausländische Waffenlieferungen angewiesen. Russland nutzt seine Luftüberlegenheit für Angriffe auf die Infrastruktur des Landes, Bevölkerungszentren und die an der Front weitgehend ungeschützt kämpfenden ukrainischen Truppen. Sein von Russland angegriffenes Land brauche mindestens 128 Kampfflugzeuge, sagte Selenskyj bei einer Rede in der Ronald-Reagan-Stiftung in Washington. Russland könne täglich 300 Flugzeuge zu Angriffen auf die Ukraine einsetzen.
F-16-Jets, die Dänemark und die Niederlande bereitstellen
Bei der Lieferung geht es nun um F-16-Jets aus amerikanischer Produktion, die von Dänemark und den Niederlanden bereitgestellt werden. «Das Übergabeverfahren für diese F-16 ist jetzt im Gange, und die Ukraine wird diesen Sommer einsatzbereite F-16 fliegen», hieß es in der Erklärung. «Aus Sicherheitsgründen können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Einzelheiten bekanntgeben.» Die drei Staaten dankten außerdem Belgien und Norwegen für die Zusage, weitere Flugzeuge für Kiew zur Verfügung zu stellen.
Die Ausbildung ukrainischer Piloten und Bodenmannschaften für diesen Flugzeugtyp läuft seit Monaten. Doch bislang war noch keiner der Jets in der Ukraine eingetroffen. Sie sollen vor allem die ungehinderten Bombenabwürfe russischer Flugzeuge unterbinden.
US-Präsident tritt ohne Panne auf
US-Präsident Joe Biden kündigte bei dem Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Verteidigungsbündnisses an, die USA und weitere Nato-Staaten wollten Kiew zusätzliche Ausrüstung zur Abwehr russischer Luftangriffe liefern. Biden, der nach seinem verpatzten TV-Duell unter besonderer Beobachtung steht, brachte seinen Auftritt fehlerfrei über die Bühne, allerdings mithilfe eines Teleprompters. Der Demokrat, der in diesem Jahr Gipfel-Gastgeber ist, kämpft derzeit an allen Fronten darum, seine Kandidatur für die Präsidentenwahl im November zu retten.
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