• 30. März 2025

Wissenschaftler appellieren auf Fachkonferenz an die Bundesregierung, den Kampf gegen den Tabak ernst zu nehmen: „Senkung der Raucherquote gelingt, wenn der Ausstieg über den Umstieg ermöglicht wird“

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März 27, 2025
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Berlin (ots)

Am 26. März 2025 fand die 7. Fachtagung „Tobacco Harm Reduction – Erfolgversprechende Rauchentwöhnungsstrategien“ in der Hörsaalruine der Charité in Berlin statt. International renommierte Suchtforscher:innen aus dem Schwerpunktbereich Harm Reduction richteten den wissenschaftlichen Blick auf die Erreichbarkeit des erklärten Ziels der Bundesregierung, bis zum Jahr 2040 nur noch eine Raucher:innenquote von 5 % in Deutschland zu haben.

Veranstalter Prof. Dr. Heino Stöver richtete gleich zu Beginn einen klaren Appell an die neue Bundesregierung: „100 Milliarden Euro volkswirtschaftlicher Schaden, 127.000 Todesfälle, 450.000 stationäre Aufenthalte – alles verursacht durch Tabak. Trotzdem scheint das Thema in den Koalitionsverhandlungen keine Rolle zu spielen. Was wir brauchen, ist eine wirksame Tabakkontrollstrategie unter Einbeziehung von Tobacco Harm Reduction, und zwar jetzt.“

Auch wenn der sogenannte Tobacco-Harm-Reduction-Ansatz noch nicht Teil einer nationalen Gesundheitsstrategie in Deutschland ist, zeigten zahlreiche Wissenschaftler:innen auf der Konferenz, wie mit der Entwöhnung über risikoreduzierte Nikotinalternativen wie E-Zigaretten oder Nikotinpouches nachhaltige Erfolge erzielt werden:

Nicola Lindson, Associate Professor an der renommierten Oxford University, stellte die neuesten Ergebnisse des Cochrane Reviews zu E-Zigaretten vor. Demnach sei die E-Zigarette nach aktueller Studienlage eines der wirksamsten Mittel für die Rauchentwöhnung. Außerdem sollten Raucher:innen politisch nicht zu einem „quit vaping“ gezwungen werden, wenn sie dann zur Zigarette zurückkehren würden.

Karl Fagerström, einer der bekanntesten Tabakforscher und Erfinder des Fagerström-Tests zur Zigarettenabhängigkeit, betonte mit Blick auf Schwedens geringe Raucher:innenquote: „Schweden hat mit 22 % eine ähnlich hohe Nikotinkonsumrate wie Deutschland. Es gibt aber kaum Raucher:innen, und die Lungenkrebsrate ist deshalb die niedrigste in der gesamten EU. Risikoreduzierte Nikotinalternativen wie Nikotinpouches und Snus sind der Schlüssel, wenn es um die Risikoreduzierung des Konsums geht.“

Ben Youdan, Direktor von ASH (Actions for Smokefree New Zealand), referierte über die Erfolge der neuseeländischen Regierung bei der Bekämpfung des Tabaks mithilfe von E-Zigaretten: „Unser Gesundheitsministerium hat eine umfassende Aufklärungskampagne über risikoreduzierte Alternativen gestartet, um Menschen dazu zu bewegen, Vaping auszuprobieren, um mit dem Rauchen aufzuhören. Außerdem konnten Raucher:innen kostenfreie Vape-Starterkits bekommen. Vaping hat heute einen großen Anteil an der Senkung der Raucher:innenquote in Neuseeland.“

Clive Bates, Director des Beratungsunternehmens Counterfactual, kritisierte abertausende unnötige Todesfälle aufgrund gescheiterter Public-Health-Strategien und Regulierungen, die zu einem wachsenden Schwarzmarkt und einer dadurch bedingten Gefährdung Jugendlicher führten. „If you ban a product, it does not mean that it disappears, it just means that it is sold by somebody else“, so Bates nachdrücklich.

Prof. Dr. med. Knut Kröger, Leiter der Angiologie am Helios Klinikum in Krefeld, kritisierte die teils sehr emotional geführte Debatte beim Thema Rauchentwöhnung: „Wenn man älteren Patient:innen, die starke Raucher:innen sind und schon viele gescheiterte Entwöhnungsversuche hinter sich haben, zur E-Zigarette rät, gefährdet man nicht die Jugend, wie es einige Kritiker behaupten. Eine solche Kritik lässt sich durch die vorliegenden Daten schlicht nicht belegen.“

Ähnlich sah es auch Stephan Wiedemann, Leiter Bereich „Betreuung und Wohnen“ beim Verbund für integrative soziale und therapeutische Arbeit. Er referierte in einem spannenden Vortrag über ein Pilotprojekt, in dem Menschen aus dem betreuten Wohnen über die Möglichkeit aufgeklärt wurden, mit Hilfe der E-Zigarette vom Rauchen loszukommen. Auch sie erhielten kostenlose Vape-Starterkits. Mit Erfolg: In der abschließenden Erhebung würden fast 100 % der Teilnehmenden diese Methode weiterempfehlen. Wiedemann ermutigte andere Träger, solche Projekte ebenfalls umzusetzen, auch wenn sich die Politik mit der Förderung solcher Projekte noch schwertue.

Heino Stöver wertete die Veranstaltung, die jetzt jährlich in Berlin stattfinden soll, als vollen Erfolg. Die Konferenz habe gezeigt, dass Deutschland beim Kampf gegen die hohe Raucher:innenquote noch großen Nachholbedarf habe, gleichzeitig aber international zahlreiche effektive Strategien umgesetzt würden, die man sich zum Vorbild nehmen müsse. Konkret brauche es Aufklärung und Mittelallokation über risikoreduzierte Alternativen und eine Regulierung, die sich an der Schädlichkeit der Produkte orientiere.

„Es ist unverständlich, warum ich an 400.000 Zigarettenautomaten rund um die Uhr Tabak bekommen kann, während weit weniger schädliche Alternativen wie Nikotinpouches aufgrund von Verboten nur über den Schwarzmarkt zu bekommen sind“, so Stöver.

Videomittschnitte des Symposiums werden im Nachgang auf dem Youtube-Kanal von Prof. Dr. Stöver verfügbar sein. Sie finden diesen unter folgendem Link.

Die Präsentationen der Referent:innen werden in Kürze auf der Webseite des ISFF unter diesem Link zur Verfügung stehen.

Pressekontakt:

Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
Institut für Suchtforschung in Frankfurt (ISFF)
Prof. Dr. Heino Stöver
Telefon: +49 69 1533-2823 und mobil: +49 162 133 45 33
[email protected]

Original-Content von: Prof. Dr. Heino Stöver – Sozialwissenschaftliche Suchtforschung, übermittelt durch news aktuell

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