Von Kai Rebmann
Wenn von einem „Gipfel“ in den Berliner Elfenbeintürmen die Rede ist, sorgt das bei vielen Bürgern inzwischen für ein mulmiges Gefühl. Der Tenor, der dabei zumindest unterschwellig immer mitschwingt, ist der von vielem Reden und wenig Handeln. Diese Erfahrung mussten jetzt auch einige Promi-Köche machen, die in Berlin zwar vorsprechen durften, mit ihren Sorgen und Nöten aber offensichtlich nicht wirklich durchdrangen.
Der aus mehreren Formaten bekannte TV-Koch Frank Rosin beklagte via Instragram vor allem die ausufernde Bürokratie und die horrenden Abgabelasten, die viele Restaurant über kurz oder lang zum Aufgeben zwängen. „Der Westen“ zitiert den Unternehmer so: „Es muss eine krasse Veränderung geben, sonst wird die Gastronomie in zwei bis drei Jahren drastisch reduziert, weil man nicht mehr fähig ist, ein Restaurant zu betreiben. Einfach, weil es ökonomisch nicht mehr möglich ist.“
Via Instagram bemängelte Rosin insbesondere, dass nicht alle Parteien bereit gewesen seien, sich die Gastronomen wenigstens anzuhören: „Die Parteivertreter von CDU, SPD und FDP waren heute im Gespräch mit uns Gastronomen und Zulieferern anwesend. Die Grünen waren nicht anwesend und wollten anscheinend nicht dabei sein.“
Eine andere Partei – Sie ahnen sicher schon, welche – war dagegen offenbar gar nicht erst eingeladen worden. Trotzdem betonen die Kollegen vom „Westen“, dass bis auf die Grünen Politiker „aller wichtigen Parteien“ mit am Tisch gesessen hätten.
Mehrwertsteuer wieder zurück auf 7 Prozent?
Die zentrale Forderung der Gastronomen richtete sich an eine Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent. Diese war während der Corona-Jahre eingeführt worden und zu Beginn des Jahres 2024 entgegen der Kanzler-Garantie wieder zurückgenommen worden. Konkrete Zusagen blieb die Politik in diesem Punkt jedoch schuldig, so dass Rosin und Co lediglich eine Art Absichtserklärung mitnehmen konnten, dass die Parteien „die sieben Prozent Mehrwertsteuer befürworten“ würden.
Hinzu kommen seit Jahren explodierende Kosten bei Lebensmitteln, Löhnen und insbesondere der Energie, die die Restaurants nicht mehr kostendeckend an die Kunden weitergeben können. The Duc Ngo, der in Berlin sieben Restaurants betreibt, sagte der B.Z.: „Keiner traut sich, ein Steak, das 30 Euro kostet, um 25 Prozent zu erhöhen – aber genau das bräuchte es, um kostendeckend zu arbeiten.“ Selbst mit seinen gut laufenden Betrieben habe er im vergangenen Jahr kaum etwas verdient.
Denn die professionellen Gastgeber wissen: Immer mehr Menschen in Deutschland müssen den Gürtel nach Jahren der Regression deutlich enger schnallen – und beim Essen wird oft zuerst gespart. Signifikante Preiserhöhungen würden einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung vom Restaurantbesuch quasi ausschließen und das sei „eine Katastrophe“, klagt Ilona Scholl vom „Tulus Lotrek“ in Kreuzberg.
Das Sterben der Gastronomie bleibt freilich nicht allein auf Berlin begrenzt, sondern hat sich zu einem bundesweiten Phänomen entwickelt. Neben dem Kostendruck macht der Fachverband DEHOGA dafür vor allem die Bürokratie verantwortlich. Allein 14 Stunden pro Woche sei ein Unternehmen nur damit beschäftigt, Dokumentationen und sonstige bürokratische Pflichten zu erfüllen, rechnet der Verband vor.
‚Entlastungsallianz‘ wirbt für massiven Bürokratieabbau
Der Landesverband Baden-Württemberg hat vor eineinhalb Jahren eine sogenannte „Entlastungsallianz“ gegründet, die sich den Bürokratieabbau in der Gastronomie auf die Fahnen geschrieben hat. Die DEHOGA veröffentlichte in diesem Zusammenhang eine nicht vollständige Liste mit fünf besonders haarsträubenden Beispielen.
Jugendschutzgesetz: Alle Gastronomen mussten den Aushang des Jugendschutzgesetzes erneuern – weil sich das Datum auf dem Papier geändert hatte. Wer das vergaß, musste mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro und/oder einem Eintrag im Gewerbezentralregister rechnen.
Sondernutzung für Außengastronomie: Der entsprechende Antrag ist jedes Jahr aufs Neue zu stellen, selbst dann, wenn sich die Rahmenbedingungen für die Nutzung nicht geändert haben. Neben dem Zeitaufwand fallen so auch jedes Jahr wieder überflüssige Gebühren an.
Bio-Gerichte nur mit teurem Zertifikat: Auch wenn Gastronomen nur ab und zu oder ausnahmsweise, etwa auf der Tageskarte, ein Bio-Gericht anbieten wollen, müssen sie ein zeit- und kostenintensives Zertifizierungsverfahren durchlaufen – inklusiver aller Betriebsbeschreibungen des Lieferanten, Aufzeichnungspflichten und Bezugsquellen.
Doppelte baurechtliche Prüfung bei Übergabe der Konzession: Selbst wenn ein Betrieb von den Eltern auf deren Kinder übergeht und sich in den Räumlichkeiten nichts geändert hat, wird ein neues Konzessionsverfahren für den Alkoholausschank fällig.
Allergen- und Zutatenverordnung: Entsprechende Zutaten müssen entweder auf der Speisekarte oder in einem separaten Aushang gekennzeichnet werden. Der DEHOGA bezeichnet das als „praxisuntauglich“ und „unflexibel“ und sieht darin eine „unverhältnismäßige Überregulierung“ der Gastronomie. Anstelle „beipackzettelähnlicher Speisekarten“ wirbt der Fachverband für eine individuelle Beratung und Bewirtung am Gast.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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