Viele Unternehmen und Verbraucher leiden weiterhin unter den hohen Energiepreisen, und eine wirkliche Entspannung der Lage scheint derzeit nicht in Sicht. Aktuellen Zahlen des Vergleichsportals Verivox zufolge liegt der Gaspreis für Neukunden derzeit bei etwa 9,91 Cent pro Kilowattstunde – fast doppelt so hoch wie zu Beginn des Jahres 2021, als der Preis noch bei rund 4,32 Cent pro kWh lag. Auch der Referenzpreis für den europäischen Gashandel, der TTF-Preis, steigt kontinuierlich, was zusätzliche Sorgen schürt. Besonders besorgniserregend sind die neuesten Daten von Gas Infrastructure Europe (GIE), die zeigen, dass die europäischen Gasvorräte so schnell sinken wie seit 2016 nicht mehr.
Die Bundesnetzagentur gibt zwar Entwarnung, indem sie betont, dass die Gefahr einer akuten Gasversorgungskrise aktuell als gering eingeschätzt wird. Der Speicherfüllstand in Deutschland liege mit über 90 Prozent im normalen Bereich für diese Jahreszeit. Trotzdem sei eine genaue Prognose schwierig, da unklar sei, wie sich der Winter entwickeln werde. Eine sehr kalte Wetterlage könnte den Gasverbrauch erheblich ansteigen lassen und somit die Situation in den Gasspeichern weiter verschärfen. Auch der Branchenverband Zukunft Gas sieht momentan keine akuten Versorgungsengpässe, warnt aber aufgrund der unsicheren geopolitischen Lage vor möglichen Risiken. Es sei weiterhin notwendig, den Notfallplan Gas, der seit 2022 in Alarmstufe ist, aufrechtzuerhalten, um auf etwaige Engpässe reagieren zu können.
Ein wichtiger Faktor für den raschen Rückgang der Gasspeicherstände sind laut Berliner Zeitung Wetterbedingungen wie die Dunkelflauten, die insbesondere im November zu einem erhöhten Gasverbrauch führten. Zudem ist es normal, dass die Gasspeicher im Winter leerer werden, da sie für den Sommer gefüllt und im Winter entleert werden. Dennoch bleibt die Frage, wie sich die Gaspreise weiterentwickeln werden. Laut Selina Stolzenbach von Zukunft Gas hängt die Preisentwicklung vor allem von der Wettersituation ab. Sollte der Winter besonders kalt ausfallen, könnte dies zu höheren Preisen führen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der mögliche Stopp des Gastransits durch die Ukraine zum Jahreswechsel, der zwar nicht als akuter Engpass gilt, aber Preissteigerungen zur Folge haben könnte.
Europa bezieht einen Großteil seines Gases aus Norwegen und den USA, doch die jüngsten US-Sanktionen gegen die russische Gazprombank könnten die Situation zusätzlich verschärfen. Bisher war diese Bank von Sanktionen ausgenommen, um die europäische Energieversorgung nicht zu gefährden. Mit den neuen Sanktionen könnte insbesondere Ungarn betroffen sein, das trotz des Lieferstopps von Gazprom weiterhin Gas über die Slowakei bezieht. Experten wie Torbjörn Törnqvist, CEO der Gunvor Group, warnen, dass diese Sanktionen die Energiesicherheit in Europa gefährden könnten.
Arne Lohmann Rasmussen, Chefanalyst bei Global Risk Management, sieht ebenfalls Risiken: Wenn die russischen Gaslieferungen schneller als erwartet ausbleiben und die Nachfrage hoch bleibt – beispielsweise bei einem harten Winter – könnte Europa am Ende der Heizperiode mit dramatisch niedrigen Gasreserven dastehen und unser bester aller Wirtschaftsminister ever hat sich ein weiteres Mal dramatisch getäuscht.
(SB)
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Author: Bettina Sauer
Journalistenwatch