Was für eine paradoxe Situation: Je lauter Politiker von der Bedeutung freier Medien sprechen, desto tiefer greifen sie in die Tasche, um diese vermeintliche „Unabhängigkeit“ mitzugestalten. Wobei allein schon der Begriff „mitgestalten“ verräterisch ist. Ursula von der Leyen brachte es in ihrer jüngsten Rede vor dem EU-Parlament auf den Punkt – unfreiwillig: „Fakten zählen, die Wahrheit zählt.“ Kaum war das Misstrauensvotum gegen sie überstanden, applaudierten öffentlich-rechtliche Sender, EU-nahe Agenturen und institutionell alimentierte Portale. Und das vielleicht nicht nur aus Überzeugung.
Denn kaum beachtet von der breiten Öffentlichkeit – und schon gar nicht kritisch durchleuchtet – ist ein wachsendes Netzwerk von Medienförderung entstanden, das aus Brüssel betrieben wird. Millionen fließen jährlich in europäische und außereuropäische Medienprojekte. Offiziell zur „Stärkung unabhängiger Berichterstattung“ und „Bekämpfung von Desinformation“. Doch wer hinschaut, entdeckt ein anderes Muster: Das Geld fließt bevorzugt dorthin, wo Pro-EU-Narrative bedient werden. Und wer zahlt, der bestellt eben nicht nur die Musik – sondern manchmal auch gleich den Text.
Thomas Fazi, ein italienischer Investigativjournalist, hat die Fäden dieses Systems entwirrt, wie jetzt die „Berliner Zeitung“ – leider hinter einer Bezahlschranke – berichtet. In einem Bericht für MCC Brussels – einem ungarischen Thinktank, der prompt als „rechts“ abqualifiziert wurde, damit man über den Inhalt nicht sprechen muss – listet der Italiener auf, wie aus öffentlichem Geld eine Art institutionelle Einflussnahme wird. Rund 80 Millionen Euro schüttet die EU jährlich für Medienförderung aus. Begünstigt: Agenturen wie dpa, Deutsche Welle, Euronews, Arte, aber auch Kommunikationsagenturen, die das Geld wiederum weiterleiten. Dass Euronews mit 230 Millionen Euro ganz oben steht, wirkt da fast schon folgerichtig – schließlich braucht EU-Euphorie ja ein sendefähiges Zuhause.
Förderung, Framing, Faktenfreiheit
Die Namen der Programme klingen harmlos bis hochmoralisch: „Journalism Partnerships“, „IMREG“, „Stars4Media“, „EDMO“. Doch die Inhalte lassen aufhorchen. So heißt es bei einem ukrainischen Projekt, das von der EU mit über drei Millionen Euro finanziert wird, Ziel sei „die Förderung der EU-Integration“. Bei einem anderen: „Demystifizierung der EU“. Und auch Kinder sollen künftig über „therapeutische Märchen“ in Cartoons auf Linie gebracht werden – so formuliert es eine Produzentin bei Suspilne, dem ukrainischen Kooperationspartner der Deutschen Welle Akademie.
Die EU selbst betont natürlich, alle geförderten Medien arbeiteten „in vollständiger redaktioneller Unabhängigkeit“. Nur, dass diese Unabhängigkeit mitunter an Bedingungen geknüpft ist. Fördermittel gibt es bevorzugt für Projekte, die den „Nutzen der Kohäsionspolitik“ betonen – also die Segnungen der EU-Strukturhilfe. Kritik? Ja, bitte – aber freundlich, konstruktiv und vor allem: nicht fundamental.
Ganz ehrlich: Wer glaubt, dass Millionen an Fördermitteln keinen Einfluss auf die Berichterstattung haben, der glaubt vermutlich auch, dass Pfizer aus reinem Altruismus Impfstoff verschenkt.
Besonders deutlich wird die perfide Strategie beim „European Newsroom“ (ENR), der unter Koordination der dpa Nachrichtenagenturen aus 24 Ländern zusammenführt, um ein gemeinsames EU-Narrativ zu erzeugen. Inhalte sollen „paneuropäische Perspektiven“ fördern. Wer einmal auf die ENR-Seite klickt, merkt schnell: Opposition oder Skepsis zur EU sind hier so selten wie Kritik an Pfizer bei einer EMA-Pressekonferenz.
Das System Brüssel: Wenn Meinung zur Ausschreibung wird
Der Verdacht liegt auf der Hand – und Fazi bringt ihn auf den Punkt: Es geht nicht um die bloße Unterstützung freier Presse, sondern um strategische Meinungsbildung im Dienste der EU. Medien werden nicht mehr kontrolliert – sie werden eingespannt. Nicht durch Zensur, sondern durch Fördertöpfe. Wer einmal vom süßen Honig der europäischen Programme gekostet hat, überlegt sich künftig zweimal, ob er bei bestimmten Themen allzu konfrontativ berichtet.
Das Tragische daran: Es funktioniert. Nicht mit Gewalt, sondern mit Struktur. Nicht mit Propaganda-Schreien, sondern mit PR-Sprech. Nicht mit Maulkörben, sondern mit Honoraren. Wer das kritisiert, wird nicht widerlegt, sondern delegitimiert – am besten als „rechts“, „extrem“ oder „desinformationsnah“. So wird auch Fazi regelmäßig abgekanzelt, obwohl seine Quellen öffentlich sind und seine Berechnungen eher konservativ. Dass sein Bericht sogar von Plattformen wie Euractiv aufgegriffen wurde, macht die Sache nicht besser – nur widersprüchlicher.
Was da entsteht, ist eine Medienlandschaft, in der das Fördersystem leise das Gewissen ersetzt. Kritische Stimmen werden nicht unterdrückt – sie werden eingesäumt. Zwischen Projektbeschreibung, Förderziel und Reportingpflichten bleibt wenig Platz für das, was echten Journalismus ausmacht: die Freiheit, unbequeme Fragen zu stellen – auch wenn sie der Geldgeber nicht hören will.
Finale: Wenn Tugend steuerlich absetzbar wird
Vielleicht hat Brüssel den Journalismus nicht gekauft – zumindest nicht im klassischen Sinne. Aber es hat ihn sanft eingespannt: mit warmen Worten, stabilen Fördertöpfen und der Aussicht auf ein Netzwerk, das alles richtig macht – nur eben nichts mehr falsch. Kritik wird nicht zensiert, sie wird zum Risiko. Wer die Hand beißt, die ihn füttert, gefährdet seinen Etat. Und so wird nicht recherchiert, sondern angepasst. Nicht kritisiert, sondern eingepreist – bis nichts mehr übrig bleibt an freiem Journalismus.
Und während man in Brüssel vom Kampf gegen „Desinformation“ schwärmt, fließt das Geld wie Sekt auf einem NGO-Empfang. So viel Pathos. So viel gute Absicht. So viel kontrollierte Freiheit.
Vielleicht ist das die neue Form von Zensur: eine, die sich nicht nach Repression anfühlt – sondern nach Projektantrag.
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