• 7. August 2025
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Es beginnt wie eine Glosse, ist aber ernst gemeint. „Was ist mit deutschen Männern über 60 los?“, fragt der „Focus“ in großen Lettern. Gemeint ist nicht: Was macht diese Männer aus? Oder: Warum fühlen sich viele nicht mehr vertreten? Gemeint ist: Warum ticken die plötzlich so falsch?

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Wer den Text liest, spürt schnell, worum es geht. Alte Männer, so das Grundnarrativ, sind eine Gefahr – für sich selbst, für die Demokratie, für den Fortschritt. Und weil man ihnen nicht mehr beikommt mit „Haltung“, Humor oder Fakten, wird der Werkzeugkasten erweitert: Jetzt hilft nur noch Psychologie. Oder besser gesagt: Psychologisierung.

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Wie ernst es dem Magazin mit dieser Diagnose ist, zeigt sich schon an der Autorin: Der Artikel stammt nicht etwa von einer Journalistin – sondern von einer Psychologin und Psychotherapeutin. Statt nach Gründen zu fragen, geht man gleich aufs Ganze. Nicht Recherche, sondern Couch.

SEDO

In der Welt des „Focus“ radikalisieren sich Rentner nicht etwa, weil sie sich entfremdet fühlen von einer Gesellschaft, die ihre Sprache, ihre Werte und ihre Erfahrungen immer offener ablehnt. Nein – sie tun es, weil sie einsam sind. Oder verwirrt. Oder depressiv. Vielleicht war’s auch Corona. Hauptsache, man muss sich mit ihren Argumenten nicht auseinandersetzen.

Diagnose statt Debatte

Statt sich die Mühe zu machen, mit diesen Männern zu sprechen – jenen angeblich „entwurzelten, abgehängten, radikalisierten“ Deutschen über 60 – wird über sie gesprochen. Die Autorin mutmaßt, viele der Männer fühlten sich „entmannt“. Sie spricht vom „patriarchal geprägten Selbstbild“, das nicht mehr in die Zeit passe. Und sie erklärt, sie hätten sich früher „gebraucht und respektiert“ gefühlt – heute aber „isoliert“. All das sind keine Zitate von Gesprächspartnern oder Forschungsergebnisse – sondern Deutungen der Autorin selbst.

Der Subtext ist klar: Diese Männer haben sich nicht etwa bewusst von den aktuellen Verhältnissen abgewandt. Sie verstehen die moderne Welt bloß nicht mehr. Und das Einzige, was man ihnen noch entgegenbringen kann, ist ein bisschen Pädagogik. Oder Mitleid. Oder staatlich geförderte Umerziehung.

Doppelmoral mit Prädikat ‘staatstragend‘

Wer bei all dem an „Omas gegen Rechts“ denkt, liegt nicht falsch. Denn während ältere Frauen, die politisch aktiv sind – im linken Spektrum – als moralisches Rückgrat der Republik gefeiert werden, wird der politisch missliebige Rentner zum Fall fürs Wartezimmer. Die Oma auf der Demo ist Zivilcourage. Der Opa mit einem missliebigen Tweet ist ein Problem.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Psychologie zur Entmündigung benutzt wird. In autoritären Systemen war es gängige Praxis, politischen Dissens als Krankheit zu deklarieren. In der DDR wurde der Begriff „Psychose“ großzügig ausgelegt, wenn es um politische Abweichler ging. Und in der Sowjetunion konnte man für Kritik am Sozialismus im schlimmsten Fall mit einer Diagnose wie „paranoide Persönlichkeitsstörung“ oder „schleichender Schizophrenie“ in der Psychiatrie landen. Dort wurden Regimekritiker nicht nur weggesperrt, sondern mit Medikamenten ruhiggestellt – systematische Repression im Namen der Wissenschaft. Dass sich deutsche Journalisten nun solcher Denkfiguren bedienen, ist keine Bagatelle – es ist ein Alarmsignal.

Und besonders absurd wird es, wenn man bedenkt, wer diesen Text veröffentlicht hat. Denn der „Focus“ war einmal als bürgerlich-konservative Alternative zu den rotgrün dominierten Medien gegründet worden – von Helmut Markwort, einem alten weißen Mann, der bis heute wöchentlich sein Tagebuch darin schreibt. Dass ausgerechnet dieses Magazin, für das ich selbst fast 16 Jahre lang tätig war, jetzt alte weiße Männer pathologisiert, ist mehr als eine stilistische Wende: Es ist eine Selbstverleugnung.

Und sie hat Geschichte: Die frühere Verleger-Gattin soll, so der Focus-Flurfunk, persönlich dafür gesorgt haben, dass ein Chefredakteur gehen musste – wegen eines allzu migrationskritischen Titelblatts. Nicht etwa aus publizistischer Überzeugung, sondern weil sie in ihren rot-grünen Partykreisen in Berlin schief angeschaut wurde. Heute führen ihre Kinder den Verlag – und wirken mindestens so rot-grün geprägt wie das Milieu, in dem sie sozialisiert wurden. Ideologie scheint auch hier ganz klar vor Wirtschaftlichkeit zu gehen. Wie im ganzen Land.

Was bleibt, ist ein journalistisches Phänomen: Ein Magazin sägt an dem Ast, auf dem es noch sitzt – oder besser: der es trägt. Und keiner im Haus scheint es zu merken. Oder genauer gesagt: Die auch beim „Focus“ mittlerweile mehrheitlich rot-grün tickenden Journalisten freut es, die wenigen anderen trauen sich nicht, zu widersprechen – oder sind längst hinausgedrängt worden.

Denn was wäre, wenn man das alles einmal umdreht? Wenn nicht der alte Mann das Problem wäre – sondern die Gesellschaft, die ihn entwertet? Was, wenn viele dieser Männer sich zurecht fragen, warum sie heute als „toxisch“ gelten, obwohl sie jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen, Steuern gezahlt haben – und nun zusehen müssen, wie ihre Erfahrungen nichts mehr gelten?

Was, wenn sie nicht krank sind, sondern wach?

Mein Vater – Jahrgang 1930 – sagte oft, dass es in der Hitlerzeit vor allem die Jungen gewesen seien, die besonders begeistert, fanatisch und blind mitmachten. Die Alten, so seine Erfahrung, seien tendenziell viel skeptischer gewesen. Nicht, weil sie moralisch besser waren, sondern weil sie mehr gesehen hatten, mehr Vergleiche kannten, weniger beeinflussbar waren. Und ohne irgendetwas gleichzusetzen: Es gehört nun einmal zur Natur des Menschen, dass mit dem Alter die Ideologie oft weicht – und der Blick auf das Wesentliche schärfer wird.

Gerade deshalb sind ältere Stimmen so wichtig – nicht, weil sie immer recht haben, sondern weil sie ein Gegengewicht zum jugendlichen Zeitgeist bilden. Wer sie zum Fall für den Therapeuten erklärt, will kein Gleichgewicht – sondern Herrschaft.

Das würde natürlich bedeuten, dass man zuhören müsste. Dass man sich infrage stellen müsste. Dass man aufhören müsste, sich die Welt schönzureden mit wohlklingenden Kampfbegriffen und Betroffenheits-Pädagogik. Dass man sich nicht mehr in der vermeintlichen eigenen moralischen Überlegenheit suhlen und auf Menschen mit anderer Meinung arrogant herabblicken könnte. Sondern mit ihnen reden müsste.

Aber genau das scheint für Menschen, die sich für überlegen halten, wie offenbar auch die „Focus“-Autorin, nicht aushaltbar, ja nicht mal denkbar. Also bleibt man lieber beim therapeutischen Reflex: Alte Männer? Müssen therapiert werden.

Wie früher im Sozialismus.

Widerstand zwecklos. Oder wie es im „Focus“ heißt: „Was ist mit ihnen los?“ Man möchte antworten: Nichts. Sie denken nur anders, als ihr es gerne hättet.

Und das – genau das – ist in einer Demokratie eigentlich erlaubt.

Zumindest noch. Es sei denn, man erklärt demnächst ganze Wahlkreise zu therapeutischen Sonderzonen.

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Bild: Screenshot ZDF Mediathek

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