Manchmal schreibt sich der Wahnsinn von selbst. Oder besser: Er wird geschrieben – von Journalisten, die offenbar völlig vergessen haben, wie oft sie selbst in eben jenem Modus agieren, den sie anderen jetzt empört vorwerfen.
Der „Spiegel“ hat am 15. Juli einen bemerkenswerten Text veröffentlicht. Titel: „Diese Akteure stehen hinter der Netzkampagne gegen Brosius-Gersdorf.“ Inhalt: Menschen haben Mails geschrieben. Medien haben berichtet. Politiker haben reagiert. Und das alles – halten Sie sich fest – nicht im Sinne der SPD.
Das Ergebnis? Ein publizistischer Notruf, als würde Karlsruhe gerade von Telegram-Gruppen übernommen.
Doch was genau empört den „Spiegel“ eigentlich so sehr? Und wie schafft es ein Blatt, das selbst seit Jahren an publizistischen Frontlinien kämpft, plötzlich in die Rolle des schutzbedürftigen Opfers zu schlüpfen?
Ich habe den Text einmal Zeile für Zeile gelesen – keine angenehme Aufgabe, wie ich gestehen muss. Aber immerhin müssen Sie das nun nicht mehr tun. Bei dieser Fleißarbeit habe ich zwölf besonders aufschlussreiche Passagen herausgegriffen. Sie stehen pars pro toto für eine Denk- und Schreibweise, die Kritik zur Kampagne erklärt, legitime Zweifel zur Desinformation uminterpretiert – und dabei genau jene Methoden anwendet, die sie anderen vorwirft.
Hier die kleine Dechiffrierung eines großen Selbstbetrugs.
Zitat 1:
„Vorausgegangen war dem Eklat eine orchestrierte Aktion von Abtreibungsgegnern, rechten Medien und dem Umfeld der AfD.“
Man ahnt es sofort: Wer nicht für Brosius-Gersdorf ist, muss Teil eines rechten Netzwerks sein. Dass die Kritik an ihrer Kandidatur auch aus der CDU kam – geschenkt. Dass sogar die „FAZ“ Zweifel meldete – irrelevant. Hauptsache, man kann den Komplex in ein sauberes Feindbild pressen: Abtreibungsgegner, Rechte, AfD. Fertig ist der medienmoralische Dreiklang des Bösen.
Zitat 2:
„Nicht nur in den Postfächern der Abgeordneten, auch in den sozialen Netzwerken hatte vorher ein Sturm gegen Brosius-Gersdorf getobt.“
Sie merken: Wenn es gegen einen linken Kandidaten geht, ist es ein „Sturm“. Wenn „Correctiv“, „Tagesspiegel“ oder „Monitor“ mit dem Holzhammer auf missliebige AfD-nahe Juristen eindreschen, ist das hingegen investigativer Journalismus. Willkommen in der Welt der semantischen Doppelmoral.
Zitat 3:
„War das Scheitern der Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf wirklich das Ergebnis einer orchestrierten Kampagne?“
Eine interessante Frage – zumal man sie nie hört, wenn linke NGOs Kampagnen gegen konservative Richter, Ärzte oder Professoren lostreten. Der mediale Konsens lautet dort: Gut so, endlich mal Druck! Aber wehe, Bürger mit anderen Werten nutzen dieselben Werkzeuge.
Zitat 4:
„Der Nachrichtendienst X steche als Diskursarena unter allen Plattformen besonders heraus.“
Früher hieß das: Twitter ist der Ort für progressiven Protest. Heute ist X eine „Diskursarena“, in der sich „rechtspopulistische Kampagnen“ tummeln. Man könnte auch sagen: Die Plattform ist nicht mehr so gefiltert wie früher – und genau das ist das Problem aus Sicht derer, die am liebsten das Meinungsmonopol hätten.
Zitat 5:
„Dabei wurden ihre vermeintlich linksextremen Positionen im Detail analysiert und dramatisiert.“
Kennen Sie das noch? Die Zeit, als ein alter Facebook-Post oder ein Interview-Schnipsel aus Studienzeiten ausreichte, um CDU-Männer in die ewige mediale Verdammnis zu schicken. Heute nennt man dieselbe Methode „Dramatisierung“ – weil sie sich gegen eine SPD-Kandidatin richtet.
Zitat 6:
„Es beschädigt unsere Demokratie, wenn rechtsextreme Kampagnen mehr Einfluss auf die Unionsfraktion haben als Friedrich Merz und Jens Spahn.“
Nein, liebe Spiegel-Autoren: Es ist Ausdruck von Demokratie, wenn gewählte Abgeordnete auf den Protest von Bürgern reagieren. Demokratie ist nicht das Durchwinken rot-grüner Personalvorschläge unter moralischem Zwang. Und wenn Merz oder Spahn in ihrer Fraktion keinen Rückhalt für diese Personalie hatten, ist das kein Rechtsruck – sondern schlicht Politik.
Zitat 7:
„Niemals dürfe man zulassen, dass hoch qualifizierte Kandidatinnen durch rechtsextreme Kampagnen zerstört werden.“
Kennen Sie noch den Namen Christian Dettmar? Der „Maskenrichter“, dessen Karriere und Leben medial, juristisch und beruflich systematisch vernichtet wurden – von exakt jenen, die heute plötzlich gegen „Zerstörungskampagnen“ wettern. Nein, hier weint kein Demokrat. Hier jammert ein Monopolist, dem seine Lieblingswaffe aus der Hand gerissen wurde.
Zitat 8:
„Besonders Parteichefin Alice Weidel und ihre Fraktionskollegin Beatrix von Storch hatten im Netz gegen Brosius-Gersdorf agitiert.“
Und das ist jetzt… überraschend? Skandalös? Oder einfach nur ein normaler demokratischer Vorgang? Parteien äußern sich zu Richterkandidaten – das gehört zum Spiel. Dass das nun als Vorwurf kommt, und noch dazu ausgerechnet von denen kommt, die sonst jeden CDU-Vorschlag mit einem Faktencheck zerlegen, macht die Absurdität perfekt.
Zitat 9:
„Die Szene der Abtreibungsgegner ist, im Gegensatz zu den USA, hierzulande nicht besonders wirkmächtig.“
Mit anderen Worten: Die Bürger, die sich an der Kampagne beteiligt haben, dürfen das eigentlich gar nicht – weil sie angeblich keinen Einfluss haben. Und wenn sie ihn doch haben, ist es illegitim. Was für ein Denken steckt dahinter?
Zitat 10:
„Einige CDU-Abgeordnete haben in der FAZ anonym ihre Ablehnung signalisiert.“
Interessant: In linken Kontexten nennt man so etwas „mutigen Widerspruch gegen Parteidisziplin“. Hier aber wird selbst das anonyme Zögern zum Verdachtsmoment. Weil es die falsche Kandidatin trifft.
Zitat 11:
„Brosius-Gersdorf hält eine Entkriminalisierung der Frühabtreibung für verfassungsrechtlich zulässig.“
Eine zulässige Meinung. Aber eben keine unumstrittene. Und damit ist sie automatisch politisch – und nicht mehr bloß „hoch qualifiziert“. Wer in politische Debatten eingreift, muss mit politischem Widerspruch leben. Auch wenn er Jura-Professorin ist.
Zitat 12:
„Das wäre nur der Auftakt für weitere Zerstörungs-Kampagnen.“
Das klingt, als würde ein Kartellchef die Konkurrenz entdecken. Nur dass diese Konkurrenz aus Bürgern, Alternativmedien und kritischen Abgeordneten besteht. Nicht aus Lobbyisten, Spendengebern oder Parteisekretären. Genau deshalb ist sie gefährlich – aus Sicht jener, die sich lange ungestört für das Gute hielten.
Am Ende bleibt die Ironie des Ganzen: Diejenigen, die politische Gegner seit Jahren mit medialen Anklagen, moralischen Tribunalen und „zivilgesellschaftlichem“ Aktivismus überziehen, stehen plötzlich fassungslos da, wenn diese Methoden gegen sie selbst gewendet werden. Es ist nicht der Rechtsstaat, der bröckelt. Es ist das Meinungskartell, das Risse bekommt.
Und das ist – bei aller Ernsthaftigkeit – ein durchaus erfrischendes Signal. Nicht, weil Brosius-Gersdorf „zerstört“ wurde. Sondern weil das Monopol auf Empörung endlich gefallen ist.
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