Ein früherer Kollege vom Focus hat mir den Link zu einem Gastbeitrag in der „Welt“ geschickt – mit dem Kommentar:
„Lies mal, weswegen man angeblich rechtsextrem sein soll laut Verdassungsschmutz – DDR 2.0. Auch schon der Vergleich ist gesichert rechts.“
Ich habe den Gastbeitrag gelesen. Und konnte es kaum glauben.
„Der Verfassungsschutz Brandenburgs hält es also für verfassungswidrig, die ‚deutsche Kultur‘ zu verteidigen.“
Diesen Satz muss man zweimal lesen. Nicht wegen seiner Radikalität – sondern wegen seiner Absurdität. Und vor allem wegen seiner Quelle: Nicht ein empörter AfD-Funktionär hat das geschrieben. Nicht ein rechter Blogger. Sondern: Mathias Brodkorb, SPD. Ehemaliger Kultus- und Finanzminister in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Mann aus dem Herzen des Systems – der nun mit wachsender Sorge beobachtet, wie dieses System sich gegen jede Kritik immunisiert.
Brodkorbs Analyse, die leider schamhaft hinter einer Bezahlschranke versteckt ist, gilt einem 142-seitigen, geleakten Gutachten des Brandenburger Verfassungsschutzes. Und was er daraus zitiert, ist ein Dokument unfreiwilliger Selbstentlarvung. Denn was hier als „verfassungsfeindlich“ gewertet wird, ist oft nichts weiter als zugespitzte Kritik. Oder: unbequeme Wahrheit. Oder: ein Begriff wie „deutsche Kultur“.
In der AfD ist von „Parteienkartell“ die Rede, von der „Fortsetzung der DDR mit raffinierteren Mitteln“. Für viele Ostdeutsche ist das keine radikale These – sondern Alltagsempfinden. Doch wenn man dem Gutachten folgt, wird bereits diese Überzeichnung zur verfassungswidrigen Haltung. Es geht also nicht mehr darum, ob Gewalt verherrlicht oder Grundrechte abgeschafft werden sollen. Sondern darum, wer wie formuliert. Und ob das zu weit geht – nach Ansicht derer, die kritisiert werden.
Der Brandenburger AfD-Vorsitzende sagt laut Brodkorb: „Deutschland vom Staat der Deutschen zum internationalen Siedlungsgebiet zu machen, bedeutet, kaputt zu machen, was Generationen vor uns in harter und liebevoller Arbeit aufgebaut haben.“
Kritisch? Ja. Polemisch? Auch. Aber verfassungsfeindlich?
Was laut Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ gilt, hat Friedrich Merz übrigens vor nicht allzu langer Zeit fast wortgleich gefordert: Abschiebehaftanstalten für Ausreisepflichtige.
Was beim CDU-Vorsitzenden Wahlprogramm war, ist bei der AfD ein Fall für den Staatsschutz.
Auch andere Aussagen, die Brodkorb zitiert, folgen dem gleichen Muster: Sie mögen überspitzt sein – aber sie richten sich nicht gegen die Verfassung, sondern gegen das, was aus ihr geworden ist.
Etwa dieser Satz:
„Ausländer, allen voran im Land befindliche, werden nicht nur nicht außer Landes geschafft, es werden sogar täglich mehr Ausländer ins Land gelassen. Damit importieren wir uns Gewalt und Kriminalität, die innere Sicherheit verkommt zur Illusion.“
Man mag die Wortwahl kritisieren. Aber der Vorwurf des Verfassungsbruchs? Weil jemand die Realität so beschreibt, wie er sie empfindet?
Genau das ist die neue Logik: Nicht mehr die Handlung zählt – sondern die Haltung. Nicht mehr das Ziel – sondern die Tonlage. Nicht mehr das, was man tut – sondern das, was man denkt. Und denkt man falsch, reicht schon eine rhetorische Spitze – und man steht unter Beobachtung.
Der entscheidende Satz unserer Zeit lautet:
Gegen „Faschisten“ ist alles erlaubt.
Er wird nie ausgesprochen. Aber er durchzieht Redaktionen, Ministerien, Behörden – wie eine stille Erlaubnis.
Die Methode dahinter ist bekannt: aus der DDR.
Die „Gefahr von rechts“, ein Import aus KGB- und Stasi-Strategien, wurde unter der früheren FDJ-Sekretärin Angela Merkel – einem System-Günstling der DDR – zur Allzweckwaffe der Bundesrepublik. Sie dient der Immunisierung. Der Disziplinierung. Dem Machterhalt.
Und sie funktioniert – auch, weil viele Bürgerliche immer noch glauben, sie seien nicht gemeint.
Mathias Brodkorb glaubt das nicht mehr. Er hat ein Buch geschrieben, mit dem Titel: „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat“.
Es ist eine Warnung. Und – auch wenn man einwenden könnte: Welcher Rechtsstaat? – eine späte Ehrenrettung für die Vernunft. Ausgerechnet von einem Sozialdemokraten.
Ballweg, Parfüm und eine Hundematte: Wie aus 19,53 Euro ein medialer Schuldspruch konstruiert wurde
„Nie wieder“ war gestern: Der Fall Leandros zeigt, wie moralische Säuberung wieder schick ist
Wurde der Ton beim Weidel-Interview manipuliert? ARD unter Verdacht – Tontechniker entlarvt?
Bild: Firn / Shutterstock.com
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de
Vom „Schlussstrich“ zum „Kampf gegen rechts“
Heute tut die FDP so, als kämpfe sie gegen „Nazis“ – und meint damit Andersdenkende. In den 1950er Jahren kämpfte sie noch für Nazis – für echte. Sie forderte einen „Schlussstrich“ unter die Entnazifizierung.
Interview mit AfD-Kandidat – Zeitung zensiert und schaltet Behörden ein
Früher fragten Journalisten – heute filtern sie, löschen, belehren. Und wenn’s ganz schlimm wird, rufen sie die Polizei. Willkommen im neuen deutschen Medienbetrieb.
SPD-OB bringt AfD-Gegenkandidaten zu Fall – per Geheimdienst-Denunziation
In Ludwigshafen meldet eine SPD-Bürgermeisterin einen AfD-Kandidaten beim Verfassungsschutz – wegen Wikipedia-Zitaten und Veranstaltungsorten. Der Wahlausschuss macht Männchen. Was hat das noch mit Demokratie zu tun?