• 20. Februar 2025

Wenige Tage vor der Bundestagswahl sind die Unwägbarkeiten aus Sicht des Meinungsforschers Manfred Güllner so groß wie selten zuvor.

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Feb. 18, 2025

„Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals so unsicher und knapp war, wer überhaupt eine Koalition bilden kann“, sagte der Gründer des Instituts Forsa der Deutschen Presse-Agentur. „Es könnte bei dieser Wahl zum ersten Mal der Fall sein, dass es für eine Zweierkonstellation ohne die AfD nicht reicht.“

Diese Bundestagswahl ist nicht nur wegen des vorgezogenen Termins und des kurzen Winterwahlkampfs speziell. Sie fällt in eine besondere politische Lage.

Fünf Parteien oder neun

So könnten aus Güllners Sicht diesmal vergleichsweise wenige Stimmen viel verändern im künftigen Bundestag. Zwar sind die Unionsparteien CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in Umfragen mit 27 bis 30 Prozent klar Nummer eins. Dahinter folgen die AfD mit 20 bis 22 Prozent, die SPD mit 15 bis 17 Prozent und die Grünen mit 12 bis 14 Prozent.

Für drei kleine Parteien ist jedoch vieles im Fluss. Die Linke hatte in jüngsten Umfragen 6,5 bis 9 Prozent und dürfte die Fünf-Prozent-Hürde wohl schaffen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht und die FDP erreichten jeweils nur 4 bis 5 Prozent, das heißt, sie wackeln.

In den Bundestag einziehen könnte mit Einzelabgeordneten auch der Südschleswigsche Wählerverband, für den die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt. Ob im Parlament fünf oder neun Parteien sitzen, macht für Sitzverteilung und Koalitionsfindung einen erheblichen Unterschied.

Die Koalitionsfindung wird schwierig

Eine Vielfalt von Parteien bilde die Strömungen in der Bevölkerung ab, erläuterte der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer der dpa. Anders gesagt: Würden die drei kleinen Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, könnten im Extremfall fast 15 Prozent der Stimmen nicht im Bundestag repräsentiert sein. Doch gilt auch: „Wenn viele Parteien im Parlament sind, wird die Regierungsbildung schwierig, und womöglich wird eine Dreierkonstellation nötig“, sagte Vorländer.

Genau darüber brütet auch Meinungsforscher Güllner. „Wir können vor der Wahl gar nicht die vielen verschiedenen Varianten genau durchrechnen, denn geringe Verschiebungen haben diesmal große Auswirkungen darauf, welche Koalitionen möglich sind“, sagte Güllner.

Vorläufig sieht er es so: „Wenn von den drei kleinen Parteien nur die Linke reinkommt, würde es nach jetzigem Stand der Umfragen für ein Zweierbündnis von CDU/CSU und SPD reichen.“ Für Schwarz-Grün würde es hingegen bereits knapp. Dreierkoalitionen wiederum sind kompliziert, siehe Ampel.

Drei Parteien, die nicht regieren wollen oder sollen

In einem Punkt legt Güllner sich immerhin fest: „Ausgeschlossen ist eine rot-rot-grüne Regierung, auch wenn BSW und Linke reinkommen.“ Das BSW betont maximale Distanz zu einer Koalition mit Union, SPD oder Grünen. Die Linke wiederum macht Wahlkampf mit dem Slogan: „Alle wollen regieren, wir wollen verändern.“ Bei der AfD ist es andersherum: Mit der Rechtsaußenpartei wollen die übrigen Parteien nicht koalieren.

„Diese politische Situation baut Druck auf die Parteien der demokratischen Mitte auf, sich zu einigen“, sagte Vorländer. Eine Demokratie müsse Probleme lösen, sonst wachse die Unzufriedenheit. „Das ist sozusagen ein heilsamer Zwang für die Parteien.“ Trotzdem müssten Parteien auch unterscheidbar bleiben. „Aus diesem Dilemma kommt man kaum heraus.“

Erstmals mit neuem Wahlrecht

Klar ist zumindest, wie viele Stimmen für die Mehrheit im Bundestag nötig sind: 316. Denn mit dem neuen Wahlrecht wird das Haus von zuletzt 736 Abgeordneten auf eine feste Zahl von 630 geschrumpft. Dafür wurden sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft. Anders als bisher hat nicht mehr jeder Wahlkreissieger zwangsläufig sein Direktmandat sicher. Vielmehr muss auch das Ergebnis der Zweitstimmen einer Partei passen.

Zugleich gilt aber die Sonderregel weiter, dass eine Partei mit drei gewonnenen Direktmandaten entsprechend dem Anteil ihrer Zweitstimmen ins Parlament kommt. Es könnte nach Schließung der Wahllokale viele Stunden dauern, bis genau feststeht, wer im Bundestag sitzt.

Die Welt guckt zu und mischt sich ein

Besonders ist nicht nur die Lage in Deutschland, sondern auch international. Zum einen scheinen wegen der Krisen und Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten und wegen der US-Politik so viele Bälle in der Luft, dass Wählerinnen und Wähler verständlicherweise den Überblick verlieren. Zum anderen schauen internationale Partner in der Nato und der EU genau, welche Regierung Deutschland bekommt.

Und dann wären da noch die Kommentare von der Seitenlinie. „Es gibt keinen Platz für Brandmauern“, sagte US-Vizepräsident J.D. Vance zuletzt in München. US-Regierungsberater Elon Musk bekannte sich noch eindeutiger zur AfD. Und in Moskau fand Außenminister Sergej Lawrow ebenfalls freundliche Worte für die AfD sowie für das BSW. Es gebe in ihren Äußerungen „viel Vernünftiges“, sagte Lawrow Mitte Januar.

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Author: [email protected]

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