Es ist eine dieser Meldungen, die einen erst stocken lassen – und dann wütend machen Nicht wegen der Gewalt. Die kennt man mittlerweile. Nicht wegen des Staatsversagens. Auch das ist längst Routine. Sondern wegen der Reaktion: In Harsefeld, einer niedersächsischen Kleinstadt, gründen Bürger eine eigene Schutztruppe – eine „Bürgerwehr“, wie es im Boulevard heißt. Und auf einmal schrillen die Alarmglocken. Nicht bei denen, die für Sicherheit zuständig wären. Sondern bei denen, die sonst jedes Wegsehen üben.
Monatelang hatten Jugendliche den Ort in Angst versetzt – mit Bedrohungen, Körperverletzungen, Raub. Schüler wagten sich nicht mehr allein zur Bushaltestelle. Die Polizei? Überfordert. Zu wenig Personal. Keine Streifenwagen. Die zuständige Gewerkschaft räumte offen ein: „Wir können die Präsenz schlicht nicht leisten.“
Und was macht ein Staat, der seine Bürger nicht mehr schützen kann? Gar nichts. Kein Sonderkommando, kein Aufschrei, kein Notfallplan. Stattdessen verwies die Landesregierung in trauter Verwaltungsgelassenheit auf die Zuständigkeit des Landkreises. Der wiederum auf die Polizeiinspektion. Und die auf den Personalmangel. Am Ende bleibt das, was in Deutschland oft bleibt: ein Verantwortungs-Vakuum.
Wenn der Staat ausfällt
Also gründeten Bürger eine Schutzgemeinschaft. Keine maskierten Randalierer, keine Möchtegern-Rambos, sondern Familienväter, Handwerker, Rentner. Menschen, die sich nicht mehr anders zu helfen wissen. Die sich zusammentun, um abends gemeinsam durch den Ort zu gehen, Präsenz zu zeigen, sichtbar zu sein. Keine Selbstjustiz, kein Faustrecht – nur das, was eigentlich der Staat leisten sollte: Sicherheit durch Sichtbarkeit.
Doch was passiert nun? Die Polizei reagiert allergisch. „Das finden wir ganz gruselig“, sagte Polizeisprecher Bohmbach der „Bild“: „Selbst tätig werden ist natürlich auf gar keinen Fall angesagt.“
Ja, was denn sonst? Sollen Bürger zusehen, wie ihre Kinder bedroht, ihre Alten beraubt, ihre Frauen bedrängt werden – und bitte lächelnd dabei auf den Streifenwagen warten, der nicht kommt?
Denn parallel hat die örtliche Polizei trotz der unerträglichen Lage keine Verstärkung angefordert. Wiebke Henning, Leiterin Einsatz- und Streifendienst Polizeikommissariat Buxtehude, erklärte der Zeitung: „Bislang haben wir nicht die Notwendigkeit gesehen, dass wir hier einen Einsatzschwerpunkt haben.“
Wie bitte?
Es sei nicht Aufgabe der Polizei, „am Bahnhof zu stehen mit 10 Kolleginnen und Kollegen und irgendwelche Schüler zu schützen“, so ein Polizeisprecher. Immerhin funktioniert das Gendern tadellos. Und weiter: Wir sind für alle in der Bevölkerung zuständig. Wenn wir gerufen werden, wenn es einen Fall gibt, da sind wir auch da.“ Aber das stimmt nicht. Denn in den Zeiten, in denen die Polizeiwache in Harsefeld schließt, müssen Streifenwagen aus dem 15 Kilometer entfernten Buxtehude kommen. Die Polizei ist also nicht da, wenn es einen Fall gibt – sondern erst danach.
Die Reaktion der Ordnungshüter steht für ein absolutes Staatsversagen – kombiniert mit einem Zynismus, wie man ihn sonst nur aus autoritären und insbesondere sozialistischen Staaten kennt. In Klartext heißt das: Lasst euch terrorisieren – aber bitte friedlich.
Auch von den üblichen Verdächtigen kommt Kritik. „Rechtsstaatlich bedenklich“ sei die Initiative. Man spürt es förmlich: Die größere Sorge gilt nicht den kriminellen Jugendlichen, sondern den Menschen, die ihnen die Stirn bieten. Die größere Gefahr scheint für viele nicht das Wegsehen des Staates zu sein – sondern das Aufbegehren seiner Bürger.
Zustand der Republik
Es ist ein Muster, das sich wiederholt. Ob bei Bürgern, die Grenzübertritte filmen, bei Eltern, die gegen Gender-Lehrpläne protestieren, oder bei Ärzten, die während Corona eigene Wege gingen – wer Missstände sichtbar macht, wird schnell selbst zum Problem erklärt. Und nicht selten härter verfolgt als der Missstand bzw. dessen Verursacher selbst.
Dabei ist es eine bittere Ironie: Dieselben Milieus, die bei jedem Gender-Stern mehr Staat, mehr Regeln, mehr Kontrolle fordern, überall Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung wittern und deshalb nach dem Staat rufen, zucken nur müde mit den Schultern, wenn reale Gewalt herrscht. Und drehen durch, wenn jemand das Vakuum füllt, das sie selbst mit erzeugt haben.
Vielleicht ist das das eigentliche Drama hinter Harsefeld: Nicht die Jugendgang. Nicht die Bürgerwehr. Sondern die völlige Verkehrung von Verantwortung. Wer schützt, steht unter Verdacht. Wer schweigt, gilt als klug. Und wer die Verhältnisse benennt, als gefährlich.
Finale mit Nachhall
Vielleicht ist Harsefeld nur ein Einzelfall. Doch ich fürchte, es ist ein Vorbote. Und ein Menetekel. Denn wenn Bürger beginnen, das zu tun, was der Staat nicht mehr leisten kann oder will, dann bröckelt etwas Tieferes als nur die öffentliche Ordnung. Dann bröckelt das Fundament des Gesellschaftsvertrags. Und wer sich dann über Bürgerwehren empört, aber nicht über die Zustände, die sie nötig machen, sollte sich fragen: Auf wessen Seite stehe ich eigentlich?
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