(neu: Entwicklung Mexiko)
WASHINGTON/FRANKFURT/BRÜSSEL (dpa-AFX) – 25 Prozent Zoll auf Importe aus Kanada, 10 Prozent auf Einfuhren aus China: US-Präsident Donald Trump will seine Zolldrohungen aus dem Wahlkampf wahrmachen – und kündigt „definitiv“ Zölle gegen die EU an. Mexiko gelingt am Montag überraschend eine vorläufige Einigung mit Trump, die US-Zölle werden für einen Monat ausgesetzt. Droht trotzdem ein globaler Handelskrieg? Was kommt auf Europa zu? Und was bedeuten die Zölle für die schwächelnde deutsche Wirtschaft und die hiesigen Autokonzerne?
Folgen für die Weltwirtschaft
Da China und Kanada nach Trumps Ankündigung Gegenmaßnahmen angekündigt haben, könnte kommen, was Ökonomen seit Monaten fürchten: eine Spirale aus Zöllen und Gegenmaßnahmen. Ökonomen erwarten gravierende wirtschaftliche Schäden nicht nur für Kanada, sondern auch für die angeschlagene, aber global wichtige chinesische Konjunktur.
Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), warnt: „Die Zollpolitik der Regierung Trump ist schädlich für die Wachstumsaussichten der Weltwirtschaft und auch der USA selbst.“
Europa eng mit USA verbandelt – und kämpferisch
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank, glaubt, dass Europa das nächste Ziel von Trump werden wird. „Es muss davon ausgegangenen werden, dass Taten folgen werden.“
Ein Handelskonflikt zwischen den USA und Europa träfe zwei ökonomische Schwergewichte. Zusammen stehen sie für 42 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, betont EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. „Wir brauchen Amerika, und Amerika braucht uns.“
Zugleich gibt sich Europa kämpferisch. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigten in Brüssel europäische Gegenmaßnahmen an, sollten die USA zusätzliche Zölle auf EU-Waren erheben.
Besonders betroffen von einem Handelskonflikt wäre wohl die Exportnation Deutschland. Der deutschen Wirtschaft, die ohnehin schon zwei Jahre in Folge geschrumpft ist, drohe ein spürbarer Dämpfer, sagt BDI-Mann Niedermark. Die deutsche Industrie sei von den verhängten Zöllen unmittelbar betroffen.
Autobranche stark in Mexiko engagiert
So nutzen deutsche Autobauer Mexiko als Produktionsstandort und bedienen von dort den US-Markt. VW DE0007664039, Audi und BMW DE0005190003 haben in dem Land eigene Fabriken, Mercedes-Benz DE0007100000 produziert in einem Gemeinschaftswerk mit Nissan JP3672400003 und Bosch hat mehrere Standorte in Mexiko. Als Zulieferer hängt zudem die Chemiebranche vom Autobau ab. Wie es mit den Zöllen gegen Mexiko nach der vorläufigen Aussetzung weitergeht, ist daher auch für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung.
Laut Automobilverband VDA haben die deutschen Hersteller und Zulieferer zusammen mehr als 330 Produktionsstandorte in Mexiko. 2023 wurden dort 716.000 Autos deutscher Unternehmen hergestellt. Und allein bei Audi gehen nach Angaben des Unternehmens fast 40 Prozent der Fahrzeuge in die USA.
Konzerne denken über Verlagerungen nach
Bei VW gibt es Branchenkreisen zufolge Überlegungen, zumindest einen Teil der Fertigung in die USA zu verlagern – sei es, um Trump zu beschwichtigen. Bei Audi und Porsche soll es dem „Handelsblatt“ zufolge ebenfalls Planspiele geben, in den USA zu fertigen. Bisher bedient Porsche den US-Markt komplett aus Europa. Entschieden sei aber noch nichts. Offiziell kommentiert VW Trumps Zölle nicht. BMW äußerte sich nur schmallippig. Zölle behinderten den freien Handel, so der Konzern. „Letztendlich sind sie zum Nachteil der Kunden: Denn sie machen Produkte nicht nur teurer, sondern auch weniger innovativ.“
Börsen sacken ab – besonders Autotitel
Die Furcht vor einem Handelskrieg und die Folgen für die Autobranche lassen sich auch an den Börsen ablesen. Der Dax DE0008469008 sackte am Montag prompt um rund zwei Prozent ab. Autoaktien wie VW, Mercedes-Benz, BMW und Daimler Truck DE000DTR0CK8 verloren fünf bis sieben Prozent. Auch Kryptowährungen wie der Bitcoin brachen ein. Nach Bekanntwerden der vorläufigen Einigung Mexikos mit den USA holten die internationalen Börsen einen Teil ihrer Verluste wieder auf.
Folgen für Deutschland – noch – gering
Was die ökonomischen Folgen für Deutschland betrifft, sind Ökonomen zum jetzigen Stand vergleichsweise gelassen. Deutsche Ausfuhren in die USA hingegen könnten zunächst sogar steigen, da Produkte aus China, Kanada oder Mexiko in den USA weniger wettbewerbsfähig würden, sagte Lisandra Flach, Leiterin des Zentrums für Außenwirtschaft am Ifo-Institut. „Für Deutschland besteht das höchste Risiko weiterhin darin, das nächste Ziel der Trump-Zölle zu werden.“
Auch Julian Hinz, Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft, hält die bislang angekündigten Zölle in ihren Auswirkungen auf Deutschland für marginal. Doch sollten auch Zölle gegen EU-Produkte kommen, „würde sich das natürlich wieder ändern“.
Zölle als Bumerang für die USA?
Aber nicht nur für Europa, auch für die USA bergen Handelskonflikte ein großes Risiko, betonen Ökonomen. Da 2023 mehr als 15 Prozent der US-Importe aus Mexiko, knapp 13,7 Prozent aus Kanada und fast 14 Prozent aus China kamen, werde fast die Hälfte der amerikanischen Einfuhren von höheren Zöllen betroffen sein, schreibt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der Bank ING NL0011821202.
Trumps neue Zölle träfen damit wesentlich mehr Güter als die Zölle in seiner ersten Amtszeit, schreibt die DZ Bank. Probleme in den Lieferketten und deutlich höhere Kosten für Unternehmen dürften die Folge sein. Und Berenberg-Ökonom Schmieding schätzt, dass höhere Zölle das Niveau der Verbraucherpreise in den USA bis Jahresende um rund 0,6 Prozent nach oben treiben könnten. Zum Vergleich: Im Dezember lag die Inflationsrate dort bei 2,9 Prozent.
„USA werden langfristig verlieren“
Trumps Zölle hätten also spürbare Folgen ausgerechnet für die Amerikaner selbst, die unter einem drastischen Kaufkraftverlust leiden und auch deshalb Trump wählten, schreibt VP-Bank-Ökonom Gitzel. Ziehe wegen der Zölle die Inflation an, müsse auch die US-Notenbank Fed ihren Kurs überdenken. „Zinssenkungen könnten damit vom Tisch sein.“ Längerfristig höhere Zinsen wären aber für US-Unternehmen eine Bürde. „Bei Zollstreitigkeiten gibt es bekanntlich keine Gewinner, sondern die USA werden langfristig dabei verlieren.“
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Author: [email protected]