Schon wieder eine Statistik. Schon wieder ein Politiker mit ernster Miene. Schon wieder „politisch motivierte Gewalt“.
Und vielleicht haben Sie sich in diesem Moment gefragt: „Will uns der Reitschuster jetzt ernsthaft damit langweilen?“
Die Antwort ist: Nein. Keine Sorge. Kein 135. Aufguss der immer gleichen Schlagzeilen. Es geht diesmal nicht um die erwartbare Empörung über ein paar Prozent mehr da, ein paar Prozent weniger dort. Es geht um etwas anderes. Um das, was fehlt. Und darum, warum gerade dieses Fehlen so bezeichnend ist.
Denn wenn der neue CSU-Innenminister Alexander Dobrindt heute die neue Statistik zur „Politisch motivierten Kriminalität“ (PMK) vor der Bundespressekonferenz präsentiert, dann ist das weniger ein Informationsakt als ein Ritual. Es folgt einer klaren Choreografie: Es gibt Zahlen. Es gibt Bewertungen. Es gibt Schlagzeilen. Und es gibt – keine echten Überraschungen.
Das liegt nicht daran, dass sich nichts verändert hätte. Sondern daran, dass der Rahmen, in dem wir über politische Gewalt sprechen dürfen, von vornherein festgelegt ist.
Dabei gäbe es eigentlich Zündstoff genug: Laut dem aktuellen Bericht ist die Zahl politisch motivierter Straftaten um über 40 Prozent gestiegen. Der größte Anstieg betrifft das Phänomenfeld „rechts“, das um rund 23 Prozent zulegte. Auffällig ist zugleich ein angeblich starker Rückgang bei „linken“ Taten – minus 15 Prozent. Und auch religiös und ideologisch motivierte Straftaten – darunter viele aus dem islamistischen Milieu – verzeichnen einen Zuwachs von über 35 Prozent.
Doch – und das ist entscheidend: Was in der PMK-Statistik auftaucht, ist eine Frage der Definition. Und der politischen Brille. Wenn ein linker Aktivist ein Parteibüro demoliert, heißt es im Polizeibericht oft schlicht „Sachbeschädigung“. Klebt hingegen ein mutmaßlich rechter Schmierfink irgendwo einen provokanten Slogan, wird das sofort als „politisch motiviert rechts“ gewertet – selbst wenn unklar ist, ob er überhaupt rechts ist. Die Zuschreibung genügt.
Hakenkreuz-Schmierereien? Zählen immer als rechte Straftat – ganz gleich, wer sie gemacht hat. Und wenn einer im Vollrausch zehn Hakenkreuze in eine Straße malt, werden daraus zehn rechte Straftaten. Während rechte Taten oft aus sogenannten „Äußerungsdelikten“ bestehen, tauchen solche Kategorien auf der linken Seite erst gar nicht auf.
Mit solchen Kniffen lässt sich die Statistik zuverlässig in eine Richtung drücken – und zwar nach rechts.
Noch schärfer wird es beim Thema migrantischer Gewalt. Wer glaubt, dass das Schlagen, Einschüchtern oder Bespucken „ungläubiger“ Mitbürger aus religiösem Eifer heraus eine politische Motivation sei, irrt: Solche Taten tauchen meist nicht unter „PMK“ auf, sondern schlicht als Körperverletzung – ohne jedes Ideologie-Etikett.
Dasselbe gilt für Angriffe auf Journalisten, die nicht auf Regierungslinie sind. Ich spreche da aus Erfahrung. Ich wurde angespuckt, angegriffen, bedroht, diffamiert – und kann es vielfach belegen. In der Statistik? Fehlanzeige. Keine Relevanz. Kein politisches Motiv – offenbar.
Zählt eigentlich auch, wenn jemand mit Strafverfahren überzogen wird, um ihn als Kritiker zum Schweigen zu bringen? Wenn man versucht, jemanden beruflich zu vernichten, weil er unbequeme Fragen stellt? Wenn man Demonstrationen niederknüppelt, weil die Teilnehmer nicht die „richtige“ Botschaft haben?
Nein. Denn all das passt nicht in das gewohnte Raster.
Und genau darin liegt das eigentliche Problem. Nicht, dass es politische Gewalt gibt – das ist schlimm genug. Sondern dass wir uns an eine selektive Wahrnehmung gewöhnt haben. Eine statistisch beglaubigte Einseitigkeit.
Man sieht das auch an der begleitenden Berichterstattung. Die „Bild“ titelt heute: „Schock-Zahlen zur politischen Gewalt“ – und liefert damit brav das Stichwort für die Empörungswelle. Es ist dieser journalistische Apportierreflex, der das Thema entkernt. Denn je öfter die immer gleiche Dramaturgie abgespult wird, desto mehr stumpft man ab.
Und das ist keine Verharmlosung von Gewalt – im Gegenteil. Die tatsächliche Verharmlosung liegt darin, dass unsere Politiker Gewalt selektiv benennen, instrumentalisieren, ritualisieren. Dass sie sich auf bestimmte Tätergruppen eingeschossen haben – und andere systematisch übersehen.
Wenn man rechte Gewalt überdramatisiert, linke relativiert und islamistische verschweigt – dann hat man nicht für mehr Aufklärung gesorgt, sondern das Gegenteil erreicht: eine gefährliche Abstumpfung.
Vielleicht wäre es ehrlicher, wenn das BKA die Statistik künftig anders nennt. Nicht „Politisch motivierte Kriminalität“. Sondern: „Politisch nützliche Kriminalität – in Zahlen.“
Denn was nicht passt, wird passend gemacht. Oder eben gar nicht erst gezählt.
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