Der demokratische Rechtsstaat stirbt selten mit einem Knall. Meist geht er leise unter – mit einem richterlichen Urteil, einer Gesetzesänderung, einem Verfassungsgerichtsspruch, der nur Juristen interessiert. Man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, was passiert.
So auch im Fall Marine Le Pen. Die dreimalige Präsidentschaftskandidatin, die bei der letzten Wahl über 13 Millionen Franzosen hinter sich versammelte, wurde nun von einem Pariser Gericht von der nächsten Wahl 2027 ausgeschlossen. Die Begründung: Veruntreuung von EU-Geldern, weil sie Mitarbeiter ihres Rassemblement National über das Brüsseler System abrechnen ließ. Ein üblicher, beinahe schon ritueller Vorwurf gegen EU-kritische Parteien – und wie zufällig genau jetzt – zwei Jahre vor der Wahl, aber mitten in der strategischen Weichenstellung für die Kandidaturen.
Was hier geschieht, ist keine Justizpanne. Es ist ein systematischer Umbau des politischen Spielfelds: Wer den Konsens verlässt, wird aus dem Spiel genommen. Nicht durch Argumente, sondern durch Ausschlüsse, Verbote, Paragraphen.
Der nächste Schritt: Das Wahlrecht selbst wird zur Verhandlungsmasse.
In Deutschland plant die anvisierte große Koalition aus Union und SPD derzeit, das passive Wahlrecht von Personen zu streichen, die wiederholt wegen „Volksverhetzung“ verurteilt wurden (siehe hier). Eine Formulierung, die so dehnbar ist, dass selbst der Witz eines Kabarettisten oder ein scharfer Tweet gegen Einwanderung künftig reichen könnten, um lebenslang von Kandidaturen ausgeschlossen zu werden.
Zur Erinnerung: Das passive Wahlrecht – also das Recht, gewählt zu werden – ist eines der Grundelemente der Demokratie. Es unterscheidet den Bürger vom Untertan. Wer es an Bedingungen knüpft, wer es nach politischer Opportunität einschränkt, der stellt das Prinzip der Volkssouveränität selbst in Frage.
Und damit steht Deutschland nicht allein.
Rumänien: Wenn die Wahl nicht passt, wird sie eben gestrichen
Im Dezember 2024 wurde in Rumänien die Präsidentschaftswahl kurzerhand annulliert. Offiziell wegen angeblicher russischer Einflussnahme. Inoffiziell, weil der Kandidat des Establishments bereits eine peinliche Schlappe erlitten hatte – und ein Sieg des „Falschen“ drohte. Der neue Wahltermin steht noch immer nicht fest. Ein demokratischer Totalschaden – doch der mediale Aufschrei blieb aus. In Brüssel herrschte höfliches Schweigen.
Das neue Muster: Demokratie nur noch mit Kontrolle
Was all diese Fälle verbindet, ist ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Volk. Man traut den Wählern nicht mehr zu, „richtig“ zu entscheiden – also müssen Kandidaten vorab ausgesiebt werden. Demokratie wird zum lizenzierten System: Wer mitspielen darf, bestimmen nicht mehr die Bürger, sondern die Instanzen.
Das Perfide daran: Dieser Umbau der Demokratie wird nicht etwa verschämt vollzogen – sondern mit moralischem Sendungsbewusstsein. Man erklärt ihn zur Verteidigung der Demokratie selbst. Wer unliebsame Kandidaten ausschließt, tut das angeblich im Kampf gegen Hass, Desinformation, Extremismus.
Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Die „Gefahr“ beginnt immer dort, wo der Macht eine echte Opposition droht. Ob Le Pen in Frankreich, die nationalkonservative Partei AUR in Rumänien oder bestimmte Kandidaten in Deutschland – man bekämpft nicht die Feinde der Verfassung, sondern die falsche Meinung.
Und dabei fällt auf: Die Handschrift ist überstaatlich. Die Mechanismen gleichen sich – ob in Westeuropa, Osteuropa oder Mitteleuropa. Es geht nicht mehr um nationale Eigenheiten, sondern um eine europaweite Verschiebung hin zu einem autoritär gestutzten Wahlrecht, das sich demokratisch gibt, aber selektiv handelt.
Umso absurder ist die Scheinheiligkeit der Selbstgerechten: Jahrelang wetterte man gegen Orbán, gegen die PiS in Polen, gegen angeblich populistische Regierungen – wegen vermeintlicher Eingriffe in die Demokratie. Jetzt tut man genau das, was man seinen politischen Widersachern vorwirft. Nein, schlimmer noch: Man tut es mit dem Segen von Gerichten, Kommissionen und Medien.
Ein System, in dem das passive Wahlrecht unter Vorwänden eingeschränkt wird, ist keine Demokratie mehr, sondern eine gelenkte Republik. Wer die Macht hat, über die Wählbarkeit seiner Gegner zu entscheiden, braucht keine Wahlen mehr zu fürchten.
Was Le Pen passiert ist, mag viele freuen – doch wer sich über den Ausschluss eines politischen Gegners durch die Justiz freut, hat Demokratie nicht verstanden. Heute trifft es die Rechte. Morgen vielleicht die Linke. Und übermorgen: jeden, der den Herrschenden zu unbequem wird.
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