• 25. Juni 2025

Vosgerau-Triumph für die Pressefreiheit: Compact-Sieg gegen Bundesregierung

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Juni 25, 2025
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Das Verbot des Compact-Magazins durch das Bundesinnenministerium ist vom Tisch – ein Sieg für die Meinungsfreiheit, wie Rechtsanwalt Dr. Ulrich Vosgerau im Interview betont. „Die Bundesregierung ist zu 100 Prozent gescheitert, wir haben zu 100 Prozent gewonnen“, sagt der Jurist und Staatrechtler.

Doch die Entscheidung des Gerichts lässt Fragen offen: Kann ein Pressemedium weiterhin nach Vereinsrecht verboten werden? Vosgerau analysiert das Urteil, spricht über mögliche Schadensersatzansprüche und erklärt, warum dieser Erfolg eine Signalwirkung hat. Ein Gespräch über Recht, Freiheit und die Grenzen staatlicher Macht.

Wie beurteilen Sie das Urteil gegen Compact?

Das Urteil ist ein ganz wichtiger Erfolg und zwar für alle Medienschaffenden in Deutschland, weil das Bundesinnenministerium nun nicht mehr so schnell versuchen wird, ein reguläres Pressemedium einfach so zu verbieten. Denn, einfacher Merksatz: Wenn man das Compact-Magazin nicht verbieten kann, kann man die anderen wohl auch nicht verbieten.

Es ist allerdings so, dass die Entscheidung ein bisschen anders ausgefallen ist, als ich gedacht hätte. Ich wollte hier ein wirklich großes Grundsatzurteil haben, wo glasklar drinsteht, dass in der Bundesrepublik Deutschland und unter dem Grundgesetz ein Innenminister kein reguläres Pressemedium verbieten kann und schon gar nicht nach dem Vereinsgesetz. Ich hatte allerdings von Anfang an auch gesagt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ich dieses gewünschte große Grundsatzurteil bekomme.

Denn es ist völlig klar, dass die zitierten Äußerungen nicht strafbar sind und ohne Zweifel auch der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit unterfallen. Da das offensichtlich nicht reicht, musste hier methodisch gar nicht entschieden werden, ob das Vereinsgesetz einschlägig ist oder nicht. Damit hatte ich gerechnet.Aber es ist dann anders gekommen. Das Gericht hat in seiner mündlichen Begründung durchaus gesagt, dass seines Erachtens das Vereinsverbot durchaus auch auf ein Pressemedium angewandt werden könne, nach wie vor.

Wir warten allerdings noch auf die schriftlichen Gründe, die sind sehr viel ausführlicher und kommen voraussichtlich in ein paar Wochen. In der mündlichen Kurzbegründung blies ein bisschen unklar – das habe ich nicht ganz genau verstanden – ob das Gericht wirklich meint, dass das für jegliches Pressemedium immer und überall gilt oder ob das Gericht vielmehr der Ansicht war, dass das Compact-Magazin ein ungewöhnliches oder atypisches Pressemedium ist, insofern, dass es allzu aktivistisch sei und dass es eine sehr starke Vernetzung mit anderen Organisationen aufweise, die nicht unbedingt Pressemedien seien. Das blieb unklar.

Das schillerte ein bisschen in der mündlichen Begründung. Da müssen wir die schriftlichen Gründe abwarten. Und das ist natürlich der Punkt, der nicht so gut  ist, dass also diese generelle Absage an ein Verbot, die Möglichkeit eines Verbots eines Pressemediums nicht erfolgt ist. Aber festzuhalten ist erstmals: Die Bundesregierung, das Bundesinnenministerium ist zu 100 Prozent gescheitert, wir haben zu 100 Prozent gewonnen. So sieht es nun mal formell aus und ich glaube nicht, dass die da so bald wieder versuchen.

Jetzt ist das ja auch für so ein Gericht eine Fleißarbeit. Haben Sie das Gefühl, dass das Gericht wirklich verstanden hat, um was es hier geht in der Problematik?

Das denke ich allerdings schon, weil ich ja nicht nur in meinen Schriftsätzen, sondern vor allem auch in der zweitägigen mündlichen Hauptverhandlung wirklich darauf gepocht habe, dass das Gericht sich mit meiner Argumentation gründlich auseinandersetzt. Ich sage, dass schon die Grundidee völlig falsch ist. Das Vereinsgesetz ist schon ganz allgemein nicht auf ein reguläres Pressemedium anwendbar und schon gar nicht auf die Compact GmbH, die eine Ein-Mann-GmbH war.

Meines Erachtens ist das Verbot eines regulären Pressemediums überhaupt nur über Artikel 18 des Grundgesetzes zu erreichen. Und da wäre dann das Bundesverfassungsgericht zuständig, so wie man das im Jahre 1969 auch schon mal erfolglos versucht hat mit der Deutschen Nationalzeitung. Ich bin mir doch schon ziemlich sicher, dass das Gericht diese Argumentation in der Sache verstanden hat. Und ich bin jetzt gespannt, was in den schriftlichen Gründen stehen mag.

Jetzt gab es ja große Kosten für den Kläger. Es gab Verdienstausfälle usw. Gibt es denn in irgendeiner Form Entschädigung? Ist da was zu erwarten?

Ja, das wird jetzt geprüft. Das ist naheliegend. Das, nachdem jetzt also auf der verwaltungsgerichtlichen Ebene der Erfolg doch sehr deutlich und eindeutig war – also erst im einstweiligen Rechtsschutz und jetzt in der Hauptsache – dass jetzt auch Schadensersatzansprüche vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Hier wird es – da habe ich noch keinen genauen Überblick – hier wird es vor allem wohl um Dinge gehen, die sich im Nachgang dieser Hausdurchsuchung oder Beschlagnahmen im Sommer 2024 ergeben haben. So sind dem Unternehmen Mietobjekte verloren gegangen. Es hat wohl auch sonstige Schäden gegeben. Es ist sehr naheliegend, dass hier noch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

Aber es ist nicht so, wie in den Vereinigten Staaten beispielsweise, dass man vielleicht erwarten kann, dass es hier auch Image-Schadensverluste irgendwie entschädigt werden?

Nein, der Verlust für immaterielle Schäden – was in Deutschland als Schmerzensgeld zusammengefasst wird – der fällt in Deutschland immer sehr bescheiden aus. Aber auch das kann man versuchen. Denn alles, was in Richtung immaterieller Schaden geht, was also kein konkreter Verdienstausfall, keine konkrete Beschädigung gegenständlicher Sachen oder sonstiger Interessen-Ausfall ist, sondern was ins Immaterielle geht, das wird in Deutschland auch gewährt, aber nur mit bescheidenen Summen.

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Jetzt entstand der Eindruck, es ging um eine Kampagne gegen die neuen Medien. Elsässer gewinnt jetzt den Prozess. Aber morgen geht es weiter, dann kommen die Landesmedienanstalten, dann werden weiter Kunden gekündigt und so weiter. Konnten Sie diese Kampagne hier auch ein Stück weit durch Ihre Arbeit beschneiden, gibt es einen Dominoeffekt?

Man muss diese Dinge auseinanderhalten. Wenn ich als Jurist was sagen soll, dann muss man rechtlich sauber argumentieren. Und da sind Probleme, etwa mit den Landesmedienanstalten, die Internetanbieter betreffen, eine völlig andere Baustelle als das Vereinsrecht und der Bundesinnenminister. Das sollte man also aus juristischer Sicht nicht alles in einen großen Topf werfen.

Was diese Möglichkeit des Verbots eines Pressemediums über das Vereinsrecht angeht, haben wir jetzt das Ergebnis, dass das Gericht, soweit wir das bisher wissen – was ein Stück weit enttäuschend ist – dieser Möglichkeit keine generelle Absage erteilt hat. Wobei wir noch nicht wissen, ob das nach Ansicht des Gerichts wirklich alle Pressemedien gleichermaßen betreffen soll oder ob das eine Art Sonderregel ist gerade für die Compact GmbH, da diese nach Ansicht des Gerichts erstens auffällig aktivistisch und zweitens unüblicherweise vernetzt sei mit anderen Organisationen. Das wissen wir noch nicht, das ist doch noch offen.

Aber in der Sache gilt in praktischer Hinsicht erstmals, dass es jetzt für geraume Zeit wohl keinen Versuch des Verbots eines regulären Pressemediums nach dem Vereinsrecht mehr geben wird. Warum? Weil sich gezeigt hat, dass das, auch wenn es angeblich rechtlich unter bestimmten Umständen immer noch möglich sein soll, praktisch wohl nicht durchführbar ist.

Stichwort Aktivismus. Wenn ich mir den „Spiegel“ anschaue, wäre das Magazin aus Hamburg wohl Kandidat Nummer eins. Wo ist die Gerichtsverhandlung?

Es gibt deswegen keine Gerichtsverhandlung, weil der Spiegel nicht verboten worden ist.

Hat Ihr Sieg Auswirkungen für Frau Faeser?

Nein, gibt es nicht. Frau Faeser ist ja nicht mehr im Amt. Und das hat keine Auswirkung. Sie muss ja persönlich nicht haften für politische Entscheidungen. Es gibt keine Politikerhaftung auf Bundesebene. Ist das bedauerlich? Das ist wiederum ein völlig neues Thema. Meines Erachtens ist es vernünftig, dass man keine großflächige Politikerhaftung hat.

Das Vorproblem ist ja die Beamtenhaftung. Die gab es traditionell im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das ist dann vom Grundgesetz, Artikel 34 umgeschaltet worden auf den Staat, dass Beamtenhaftung nur noch in den seltenen Ausnahmefällen theoretisch in Betracht käme. Hintergrund dessen ist, dass der Staat sich entschlussfreudige Beamte wünscht und nicht Beamte, die wie gelähmt sind, weil sie immer denken, jede Entscheidung, die sie als Beamte fällen, könnte ihr persönliches Leben ruinieren.

Bei Politikern – ein bisschen ein Parallelfall – sieht es nun so aus: Ein Politiker, selbst Frau Faeser, hat sich ja nicht selbst ins Amt gebracht. 2021 erzielte ja bekanntlich die SPD zur allgemeinen Überraschung einen großen Wahlerfolg. Und in der Folge dessen ist Frau Faeser Innenministerin geworden. Sie ist nicht direkt gewählt, aber sie ist mittelbar legitimiert durch den Bundestag, der den Bundeskanzler gewählt hat.

Und es ist und bleibt eine problematische Vorstellung, dass ein Politiker – Angela Merkel ist so ein Lieblingsbeispiel – der viele Jahre amtiert hat, der viele Jahre lang demokratisch legitimiert war und dessen Partei von Millionen von Wählern letztlich gewählt und wiedergewählt worden ist, dass der dann irgendwie ein paar Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit von einem 30-jährigen Richter am Landgericht zu 12 Milliarden Euro Schadensersatz verurteilt wird, weil der 30-jährige Richter am Landgericht, den nie jemand gewählt hat, irgendwie zu dem Ergebnis gekommen ist, man hätte die eine oder andere politische Entscheidung besser machen können.

Also der Mechanismus in der Demokratie ist eigentlich die Wahl. Und Politiker, die dann im Ergebnis keine gute Politik machen, werden dann eben abgewählt und erhalten keine Möglichkeit mehr, weiterhin politisch zu gestalten.

Aber Strafrecht gilt auch noch für diese Politiker?

Ja, selbstverständlich.

Kam beim Prozess die Anwesenheit der Presse bei der Hausdurchsuchung zur Sprache?

Nein, das hat keine Rolle gespielt, denn es wird ja die Rechtmäßigkeit des Verbots erörtert. Die Anwesenheit der Presse bei der Hausdurchsuchung war natürlich ein Skandal. Hier ist immer die Frage: Woher wissen die das eigentlich? Das Bundesinnenministerium sagt ja auf Befragen immer, es habe keine Ahnung, woher die Presse von dem selbstverständlich streng geheimen Termin vorher erfahren haben soll. Wäre das eine Straftat gewesen? Das dürfte Geheimnisverrat sein.

Auf X schrieb ein Nutzer, das Gericht hätte im Compact-Verfahren bestätigt, Remigration sei verfassungsfeindlich. Ist das richtig?

Nein.

Danke für das Gespräch!

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Author:
Alexander Wallasch

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