Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Konstantin von Notz ist Jurist und Grüner; beides steigert nicht mein Vertrauen.
Seit einiger Zeit ist er allem Anschein nach Russland-Spezialist, insbesondere interessiert er sich für die Frage, wie man Russland für alles Negative verantwortlich machen kann, was dem linksgrünen Lager widerfährt. So äußerte er gegenüber der „Financial Times“ im Februar 2025: „Wir müssen einfach erkennen, dass unsere Wahlen bereits manipuliert werden – und zwar erfolgreich manipuliert.“ Und: „China und Russland wollen die neue Weltordnung stören und Demokratien destabilisieren. Und deshalb ist es keine Überraschung, dass wir angegriffen werden.“ Das mag schon sein, nur wäre es recht schön, wenn er dazu auch Belege vorgelegt hätte, was ihm wohl ein wenig schwer fiel.
Im April hat dann abgeordentenwatch.de nachgefragt, was er wohl damit gemeint habe. Immerhin hat er schnell geantwortet. Es liege „auch ein Stück weit in der Natur der Sache, dass das vollständige Ausmaß ausländischer Einflussnahme auf unsere demokratischen Willensbildungsprozesse bis hin zu Wahlen nie komplett sichtbar sein wird.“ Aber dennoch gebe es konkrete Indizien und Beweise, wobei er auf einen Artikel der Tagesschau verwies, in dem allerdings die vergangene Bundestagswahl nicht vorkam, sowie auf einen Bericht des Bundesverfassungsschutzes, in dem festgestellt wird, es habe vor der Wahl „eine Zunahme russischer Desinformationsaktivitäten“ gegeben und: „Verbreitet wurden Artikel und Videos mithilfe eines Netzwerks von Websites, die den Anschein von Nachrichtenseiten erwecken sollten sowie zusätzlich durch das Einbeziehen von (pro-)russischen Influencern.“ Wenigstens einen Artikel oder eines dieser Videos hätte man wohl anführen können, aber darauf hat man im löblichen Bundesamt verzichtet.
Wie dem auch sei, die Wahl liegt eine Weile zurück und von Notz scheint sich zu langweilen. Deshalb hat er im Zusammenhang mit der gescheiterten Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht am 11. Juli seine ganz eigene Erklärung für die Ursachen des Scheiterns vorgestellt. Wie sich das heute gehört, veröffentlichte er seine Argumente auf X, und die Argumentation ist so schön, dass ich sie den Lesern nicht vorenthalten möchte. Getreu den Eigenheiten von X musste er sie in eine Reihe einzelner kurzer Statements aufteilen; ich habe sie hier zu einem Text zusammengefügt.
„Die Entwicklungen rund um die gescheiterte Wahl für das Bundesverfassungsgericht sind ein Paradebeispiel dafür, wie derzeit durch gezielte Kampagnen gefundene politische Kompromisse und der Konsens in der politischen Mitte liberaler Demokratien bewusst zerstört wird.
Kurz vor dieser Wahl im Bundestag wurden vor allem über rechte Blogs und diverse SocialMediaKanäle in kurzer Zeit maximal verzerrte Informationen, Polemisierungen und Desinformationen zu den Kandidierenden, vor allem zu Frau Prof. Brosius-Gersdorf, verbreitet. So und durch zigtausende Mails an MdB aus CDU und CSU wurde gezielt Einfluss genommen, ein in der Koalition und der politischen Mitte gefundene Kompromiss erfolgreich torpediert, auch, um einen Keil in die Große Koalition zu treiben und das Gericht zu beschädigen.
Es lohnt sich, genau zu recherchieren, wer Treiber dieser Kampagne war. Oft gibt es bei solchen Vorgängen durchaus Hinweise bezüglich der Finanzierung und Unterstützung solcher Kampagnen auch aus dem Ausland. Das muss auch hier untersucht werden.
Diese Mechanismen, das Hintertreiben politischer Kompromisse und die Verächtlichmachung staatlicher Institutionen wie höchster Gerichte, geschieht planvoll und kann derzeit ähnlich oder exakt so in zig Demokratien beobachtet werden. Auf diese Angriffe und die derzeitig mangelnde Resilienz unserer Demokratie machen unsere Sicherheitsbehörden seit Jahren aufmerksam und warnen ausdrücklich vor solchen fragwürdigen, demokratiezersetzenden Einflussnahmekampagnen.
Bezüglich der aktuell gescheiterten Wahl zum BVerfG ist besonders beunruhigend, dass der Fraktionsvorstand von CDU/CSU offensichtlich nicht in der Lage oder nicht Willens war, diese Mechanismen zu benennen und sich einer solchen Kampagne entgegenzustellen.
Nun ist der Vertrauensschaden da, die schwarz-rote (an dieser Stelle hat von Notz statt der Worte einen schwarzen und einen roten Kreis eingefügt) Koalition geschwächt, der Kanzler desavouiert und der Fraktionsvorsitzende der Union ernsthaft beschädigt. Die Naivität, mit der man das alles tagelang einfach widerspruchslos hat laufen lassen, ist erschütternd.
Sollten die Verantwortlichen in der Koalition insbesondere der Bundeskanzler nicht umgehend eine klare Haltung und Sprache sprich resilienter gegen solche Angriffe finden, kann der Vertrauensschaden in kürzester Zeit irreparabel werden.“
Ich will das nicht im Detail kommentieren, das ist es nicht wert. Aber das grüne Denken offenbart sich auch ohne längere Kommentare. Dass eine inakzeptable juristische Aktivistin keine begeisterte Zustimmung fand, lag natürlich nur an gezielten Kampagnen, Polemisierungen und Desinformationen. Mithilfe von Mails wurde auf Abgeordnete Einfluss genommen, wie konnte man das nur geschehen lassen! Und er raunt etwas von Unterstützung aus dem Ausland, die man allerdings nicht braucht, wenn man als Wähler seinem Abgeordneten schreibt oder als Abgeordneter selbst hin und wieder seinen eigenen Verstand benutzt. Als ob er irgendetwas belegt hätte, plaudert er dann fröhlich von fragwürdigen, demokratiezersetzenden Einflussnahmekampagnen und unterstellt der Fraktionsführung von CDU und CSU, sie sei entweder zu unfähig oder zu unwillig gewesen, „Mechanismen zu benennen und sich einer solchen Kampagne entgegenzustellen“ – Mechanismen, die er durch nichts belegt, sondern einfach nur in den Raum gestellt hat, weil er nicht verstehen kann, dass Wünsche aus dem linksgrünen Sandkasten nicht sofort erfüllt werden.
Werden die eigenen Kandidaten klaglos gewählt, dann ist das selbstverständlich und ein gutes Zeichen für „unsere Demokratie“. Werden sie abgelehnt, war’s der Russe, der Chinese oder in seltenen Fällen vielleicht auch der Liechtensteiner.
Dass man selbst verantwortlich sein könnte für die eigenen Fehlschläge, kommt einem Grünen nicht in den Sinn.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Screenshot Youtube
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