• 15. August 2025

Verhaftet bei von der Leyens Rede – wegen Meinungsfreiheit

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Aug. 14, 2025
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„Palata Nr. 6“ – das „Krankenzimmer Nr. 6“ in einer psychiatrischen Einrichtung ist der Ort, an dem Anton Tschechow einen seiner berühmtesten Texte spielen lässt. Ein Ort des Irrsinns, der im Russischen sprichwörtlich geworden ist – und eine beängstigend genaue Vorlage für unsere Gegenwart.

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Der große russische Schriftsteller beschreibt eine Welt hinter Mauern, in der Normalität zur Krankheit wird. In der der Einzige, der noch klar denkt, als unheilbar gilt. Und in der das Personal nicht mehr zwischen Wahnsinn und Wahrheit unterscheidet – weil es längst selbst Teil des Irrsinns geworden ist.

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Manchmal denke ich, Tschechow hat nicht über das Zarenreich geschrieben, sondern über unsere Gegenwart. Über eine Welt, in der man sich für verrückt hält, wenn man noch sieht, was um einen herum geschieht. In der man als Journalist irgendwann nicht mehr weiß, ob das, was man beobachtet, wirklich real ist – oder eine perfide Inszenierung, ein gesellschaftliches Experiment mit versteckter Kamera. Eine Art „Truman Show“ mit politischem Drehbuch. Und irgendwo sitzt einer, der sich Notizen macht: „Wie weit sind sie bereit mitzugehen? Wann schreit endlich einer: ‚Ich mache da nicht mehr mit‘?“ Oder wenn jemand den Vorhang zieht und sagt: „Es war alles eine Inszenierung, ein Test, aber jetzt ist gut“.

SEDO

Ich habe lange geglaubt, dass dieser Punkt längst überschritten sein müsste. Dann sah ich das Video aus Finnland.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, steht auf der Bühne – und lobt die Meinungsfreiheit. Gerade weil es Zwischenrufe gibt. Das freie Wort. Den demokratischen Diskurs. Applaus. Würdevolle Atmosphäre. Europa zeigt sich – wie so oft – in einer Sonntagsrede.

Doch die Zwischenrufe werden nicht ertragen. Obwohl sie friedlich sind. Ohne Gewalt. Ohne Beleidigungen. Nur unpassende Meinungen zur falschen Zeit am falschen Ort.

Und genau das reicht: Sicherheitskräfte greifen ein. Ein Mann wird abgeführt. Festgenommen – für „falsche“ Wörter, bei einer Veranstaltung zur Meinungsfreiheit.

Und als wäre es eine Inszenierung aus dem absurden Theater, sagt Ursula von der Leyen in genau diesem Moment – wörtlich:

„Zunächst einmal zu denen, die hier so laut schreien und rufen: Sie können froh sein, dass sie in einem freien Land wie Finnland sind, wo Meinungsfreiheit ein Recht ist, wo es keinerlei Einschränkungen gibt. Wären sie in Moskau, säßen sie in zwei Minuten im Gefängnis.“

Genau in dem Moment, in dem sie das sagt, wird der Zwischenrufer abgeführt – nicht in Moskau, sondern in Finnland. Nicht wegen Gewalt. Nicht wegen Aufruf zum Umsturz. Sondern wegen einer laut geäußerten Meinung.

Der Festgenommene ist der finnisch-albanische Oppositionspolitiker Armando Mema. Ein Gericht spricht ihn später schuldig, einem Beamten „Schaden zugefügt“ zu haben, und verhängte eine Geldstrafe. Mema, Kandidat der EU-kritischen Partei „Valta kuuluu kansalle“ („Die Macht gehört dem Volk“), sieht darin einen politischen Prozess. Auf X schreibt er: „Ich wurde verhaftet, weil ich Ursula von der Leyen kritisierte und friedlich protestierte. Was für ein Witz! Das Gericht verurteilte mich für ein Verbrechen, das ich nicht begangen hatte. Die Meinungsfreiheit in Europa verschwindet vor unseren Augen.“

Es ist schwer, solche Szenen noch satirisch zu überzeichnen – weil sie schon selbst Satire sind. Bittere, unfreiwillige, real gewordene Parodie. Die EU verleiht sich selbst den Preis für Zivilcourage – während sie die Zivilcourage vor aller Augen von der Polizei aus dem Publikum entfernen lässt.

Und alle machen weiter, als sei nichts geschehen.

Was bleibt einem da als Kommentator? Ironie? Sarkasmus? Empörung? Ich gestehe: Manchmal bleibt nur Resignation.

Weil sich solche Szenen häufen. Weil kaum jemand sie noch seltsam findet. Weil die Absurdität nicht mehr der Bruch ist – sondern der neue Standard.

Wie in Tschechows „Krankenzimmer Nr. 6“: Der Irre ist nicht mehr der, der Unsinn redet – sondern der, der es wagt, sich zu wundern. Und die Wärter tragen heute Headsets, Akkreditierungen und EU-Hausausweise.

Was mich dabei mindestens genauso erschreckt wie die Szene selbst, ist die Rolle derer, die sie möglich machen. Menschen wie Ursula von der Leyen. Oder Friedrich Merz, der sich im Bundestag hinstellt und verkündet, wie dankbar wir für unsere Freiheit und Demokratie sein sollten – während diese an genau solchen Tagen ausgehöhlt wird. Was ist mit diesen Leuten passiert?

Sie waren doch einmal bürgerliche Demokraten. Europäer. Verteidiger des Rechtsstaats. Jetzt lächeln sie über leise Proteste hinweg – oder sehen schweigend zu, wie Menschen abgeführt werden, während sie vom freien Wort sprechen.

Vielleicht liegt es daran, dass sie längst in einer Welt leben, in der solche Widersprüche nicht mehr auffallen. In der man nur noch auf Gleichgesinnte trifft. In der jeder Zweifel als Angriff gilt – und jede Abweichung als gefährlich. Vielleicht schauen sie wirklich nicht mehr hin. Oder sie halten es einfach nicht mehr aus, wenn jemand widerspricht.

Die Frage, die mich umtreibt:

Warum macht die Mehrheit mit? Warum stört sich fast niemand daran, dass Worte und Taten immer weiter auseinanderklaffen? Dass Meinungsfreiheit heute vor allem dann gilt, wenn sie nicht stört? Dass Demokratie zur Inszenierung wird, bei der man zwar klatschen, aber nicht rufen darf?

Vielleicht, weil viele längst gespürt haben, dass sie sonst selbst auffallen würden. Und weil man in einem System, das sich selbst lobt, nicht stören darf. Vielleicht auch, weil der Wahnsinn schleichend kam – und wir uns einfach daran gewöhnt haben.

Oder weil wir alle insgeheim hoffen, dass irgendjemand am Ende doch den Schalter umlegt und sagt: „Keine Sorge, war alles nur ein Test.“

Aber was, wenn es keiner war?

Was wir hier erleben, ist nicht mehr einfach nur absurd.

Es ist metastabiler Wahnsinn mit Etikette.

Und das Erschreckende: Er funktioniert.

Mit Pressemitteilung.

Mit Applaus.

Mit Polizeiabsperrung.

Mit Selbstzufriedenheit.

Es ist irre. Aber das Irrste daran ist:

Es ist normal geworden.

PS:
Natürlich wird es wieder heißen: „Aber in Russland wäre er längst im Gefängnis.“
Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Aber genau darum geht es nicht.
Es geht nicht darum, ob wir schon so weit sind wie Moskau.
Sondern darum, dass wir ein anderes Versprechen abgegeben haben.
Dass wir glaubten, bei uns sei Kritik kein Risiko.
Dass der Anspruch der westlichen Demokratie mehr war als nur „etwas besser als Nordkorea“.
Wenn das der neue Maßstab ist –
dann war alles Gerede von Freiheit nur Kulisse.

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Bild: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com, Screenshot X

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