• 7. August 2025

Unter Merz geht die Märchenstunde weiter: Beschäftigungsquote von Zugewanderten bleibt im Kaffeesatz

ByRSS-Feed

Aug. 7, 2025

Der Hildesheimer Sozialdemokrat Hubertus Heil war mehr als sieben Jahre lang Bundesminister für Arbeit und Soziales, bis Bärbel Bas (SPD) unter CDU-Kanzler Merz übernommen hat. Der Anteil dieses Ministeriums am Bundeshaushalt liegt bei annähernd 40 Prozent. Das Ministerium verwaltet demnach den größten Topf aller Ministerien. Noch Anfang 2023 erklärte Hubertus Heil:

„Es wird keine Einwanderung in die Sozialsysteme geben, sondern in den Arbeitsmarkt“.

Als Arbeitsminister verfügte er allerdings über die Zahlen der Jobcenter, welche unter anderem für das Bürgergeld zuständig sind. Die Jobcenter unterstehen der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).

Unter dem Dach des Arbeitsministeriums arbeitet die Bundesagentur für Arbeit, die sich gern als Unternehmen begreifen möchte und Arbeitslose als „Kunden“ anspricht. Die Pressestelle der seit drei Jahren von Andrea Nahles (SPD) geleiteten Bundesagentur für Arbeit nennt sich „Unternehmenskommunikation“.

Aber der Wortsalat reicht noch weiter: Die Bundesagentur für Arbeit unter dem Dach des Arbeitsministeriums leistet sich seit über fünfzig Jahren ein „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)“. Und dort wird seit 2015 – online dokumentiert ab Beginn der Massenzuwanderung – Monat für Monat ein sogenannter „Zuwanderungsmonitor“ erstellt. Hier kann man dann über etwa zehn Seiten Statistik nachlesen, wie erfolgreich oder nicht Ausländer in Deutschland beschäftigt sind.

Auskunft darüber gibt die „Beschäftigungsquote“. Einleitend im „Zuwanderungsmonitor“ für Juli 2025 heißt es da zusammengefasst für alle Ausländer vom chinesischen Konstrukteur bis zum syrischen Zuwanderer:

„Die Beschäftigungsquote der ausländischen Bevölkerung betrug im Mai 2025 56,8 Prozent und ist damit im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,9 Prozentpunkte gestiegen.“

Eine Mehrheit der Ausländer in Deutschland arbeitet demnach, und es gibt gewisse Steigerungsraten (1,9 Prozent), unbenommen davon, dass die Debatte um die Entfremdung des Bürgergeldes zum „Migrantengeld“ weitergeht. Die „Beschäftigungsquote“ gibt an, wie viele Personen in dieser Gruppe einer bezahlten Arbeit nachgehen, und dient als wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Integration von Zuwanderern. Aber was steckt wirklich hinter dem Begriff?

Alexander-Wallasch.de will es genauer wissen. Wir fragen nach den Statistiken zur genauen Arbeitszeit dieser „Beschäftigungsquote“ für die spezifischen Ausländergruppen. Zunächst wenden wir uns damit an die Autoren im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Agentur. Unsere schriftliche Anfrage nach einem Telefongespräch mit der Pressestelle des IAB:

„Entlang des IAB-Zuwanderungsmonitors: Wie genau definiert sich die ‚Beschäftigungsquote‘, ab wie vielen Stunden Arbeit im Monat/Woche, wie sieht es mit Maßnahmen aus, wie mit Sprachkursen usw.?“Die Pressesprecherin des IAB fragt in den Fachabteilungen und teilt dann mit:„Vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Beschäftigungsquote wird berechnet als Zahl der Beschäftigten am Wohnort im Alter von 15 bis unter 65 Jahre im Verhältnis zur Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahre:

https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Grundlagen/Definitionen/Glossar/Glossar-Nav.html?lv2=2018238

https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Grundlagen/Methodik-Qualitaet/Methodenberichte/Uebergreifend/Generische-Publikationen/Methodenbericht-Arbeitslosenquoten-Beschaeftigungsquoten-Hilfequoten-Auslaender.pdf?__blob=publicationFile&v=10

„Maßgeblich hierfür ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des Meldeverfahrens zur Sozialversicherung, in das alle sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten einbezogen sind, was auf Maßnahmen und Sprachkurse nicht zutrifft.“

Bekannt ist unter anderem, dass Beschäftigungen als sozialversicherungspflichtig gelten, wenn sie 520 Euro pro Monat in einem abhängigen Arbeitsverhältnis überschreiten. Im von der Pressesprecherin verlinkten Methodenbericht heißt es etwa auf Seite 5:

„Die Beschäftigungsquote bringt zum Ausdruck, in welchem Umfang die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht.“

Auf Seite 11 heißt es dann:

„Die SV-Beschäftigten können auch um die ausschließlich geringfügig Beschäftigten erweitert und eine Beschäftigungsquote berechnet werden, die beide Beschäftigungsformen berücksichtigt.“

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Wir fragen noch einmal nach:

„Nachfrage bitte: Ab wie vielen Stunden – und bis wie vielen – ist man geringfügig beschäftigt? Wie sieht hier die Verteilung entlang der Zahlen des Zuwanderungsmonitors aus?“

Antwort der Sprecherin des IAB:

„Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist unabhängig von der Anzahl der Stunden und kann daher grundsätzlich von wenigen Stunden bis Vollzeit gehen. Als geringfügig beschäftigt gilt: (1) wenn das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet oder (2) wenn die Beschäftigung nicht mehr als 3 Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage ausgeübt wird.

https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Grundlagen/Definitionen/Glossar/Glossar-Nav.html?lv2=2018302

Im Dezember 2024 lag der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen Beschäftigten bei 89 Prozent.

https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?nn=25122&topic_f=beschaeftigung-eu-heft-eu-heft“

Dann werden wir an die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit verwiesen:

„Im Zuwanderungsmonitor können wir nicht nach Anzahl der Stunden differenzieren. In der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit lässt sich zwischen Voll- und Teilzeit unterscheiden. Hierzu können Sie gerne eine Anfrage an die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit stellen: https://www.arbeitsagentur.de/presse.“

Machen wir. Und fragen:

„IAB leitet an Sie weiter, mögen Sie bitte die Beantwortung übernehmen. Entlang der relevanten Gruppen des Zuwanderungsmonitors (Ukrainer, Ausländer, Flüchtlinge ab 2015 etc., Syrer, Afghanen usw.): Bitte schlüsseln Sie bei ‚Beschäftigungsquote‘ die Arbeitsstundenanzahl pro Woche oder Monat auf.“

Antwort eines Sprechers der Bundesagentur für Arbeit:

„Vielen Dank für Ihre Anfrage. Eine Aufschlüsselung der Beschäftigungsquote nach Stunden oder Wochen ist nach Rücksprache mit unseren Statistik-Experten leider nicht möglich.“

Aber wir haben noch eine Idee und fragen weiter:

„Müsste man nicht über die ‚Aufstocker‘ feststellen können, wer in Arbeit ist, aber nicht genug verdient?“

Antwort des Sprechers der Bundesagentur für Arbeit:

„Gerne können wir Ihnen die Daten zu den Aufstockern erstellen lassen. Dies wäre aber ein anderes Thema als die Beschäftigungsquote nach Zeit. Ich könnte eine entsprechende Sonderauswertung beim Statistik-Service anstoßen, hierfür müssten wir den Auftrag noch konkretisieren. Wäre es für Ihre Recherche passend, die sozialversicherungspflichtigen Aufstocker für die Personengruppen der Deutschen, Ukrainer, der Menschen aus den acht klassischen Asylherkunftsländern (als Aggregat) und die Gesamtzahl am aktuellen Rand auszuwerten, oder benötigen Sie noch weitere Personengruppen?“

Die Antwort wird hier nachgereicht. Bis dahin ist allerdings folgender Schluss zu ziehen:

Die „Beschäftigungsquote“ ist ein statistisches Blendwerk, das eine unbekannte, aber potenziell erhebliche Zahl an prekären, nicht umfassenden Beschäftigungen einschließt, über die weder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch die Bundesagentur für Arbeit detaillierte Daten liefern können oder wollen. Trotz Nachfragen bleibt eine Aufschlüsselung nach Arbeitsstunden unmöglich, was die Behauptung von Hubertus Heil – „keine Einwanderung in die Sozialsysteme, sondern in den Arbeitsmarkt“ – als hohle Phrase entlarvt.

Stattdessen könnte sie die Debatte über „Migrantengeld“ kaschieren, indem sie Halbwahrheiten über Integration produziert, die politisch opportun sind, aber wirtschaftlich wenig substanzvoll. Ohne transparente Daten zu Vollzeitanteilen und Verdienstniveaus – selbstverständlich zusätzlich zugeordnet den jeweiligen Zuwanderungsgruppen – bleibt die Quote ein Werkzeug der Desinformation, das die tatsächliche Belastung der Sozialsysteme verschleiert und eine echte Bewertung der Zuwanderungspolitik verhindert.


Zur Quelle wechseln
Author:
Alexander Wallasch

Teile den Beitrag mit Freunden