Das Anti-SLAPP-Gesetz aus dem Justizministerium wird von Regierung und Regierungsnahen als großer Wurf verkauft: Es soll Journalisten vor missbräuchlichen Klagen mächtiger Unternehmen schützen, Alexander-Wallasch.de hatte dazu umfassend berichtet.
Im Interview reißt Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, der im Umfeld der Correctiv-Affäre zahlreiche Verfahren geführt hat, den Entwurf in der Luft auseinander. Im Interview mit Alexander Wallasch legt er dar, warum das Gesetz nicht nur handwerklich miserabel ist, sondern auch staatlich geförderte NGOs wie Correctiv oder die Amadeu Antonio Stiftung gegen berechtigte Klagen immunisieren könnte.
Statt Transparenz und Gerechtigkeit droht ein „Schattenreich“ der Demokratiesteuerung – mit weitreichenden Folgen für die Meinungsfreiheit. Das Interview enthüllt, wie der Gesetzentwurf die Balance zwischen Schutz und Missbrauch gefährlich aus dem Gleichgewicht bringt.
Ein neuer Gesetzentwurf aus dem Justizministerium – das Anti-SLAPP-Gesetz – wird von den Medien als tolle neue Möglichkeit verkauft, dass Journalisten sich gegen unbotmäßige Angriffe von Unternehmen verteidigen können.
Nein. Das Gesetz taugt nichts. Diese Änderung der Zivilprozessordnung hätte mich zum Glück an keinem einzigen der sehr zahlreichen Verfahren gehindert, die ich im Umkreis der Correctiv-Sache geführt habe. Denn kein einziges der geführten Verfahren ist offensichtlich unbegründet oder gar missbräuchlich gewesen.
Und wenn man sich dieses Gesetz anguckt, dann ist es völlig verrückt. Ich weiß auch gar nicht, wie man das anwenden soll. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass dieses Gesetz tatsächlich überhaupt angewendet werden kann.
Es setzt zunächst einmal eine europäische Richtlinie um. Und das Europarecht funktioniert von Hause aus anders als das nationale deutsche Recht. Das Europarecht ist eine Art Planungsrecht. Das heißt, es geht um die Verfolgung von Zielen. Wohingegen es bei deutschen nationalen Gesetzen immer darum geht, dass ein bestimmter Tatbestand erfüllt sein muss. Und das zieht dann Rechtsfolgen nach sich.
Man will also sozusagen das Ziel – dass Journalisten nicht mehr missbräuchlich von irgendwelchen reichen Unternehmen zum Beispiel verklagt werden – umsetzen. Aber man müsste es natürlich dann so in nationales Recht übersetzen, dass aus diesem allgemeinen Ziel eine halbwegs vernünftige, anwendbare Norm mit Tatbestand und Rechtsfolge wird. Und das ist eindeutig nicht gelungen.
Das Gesetz ist völlig verrückt. Zunächst einmal liest es sich so, als ob erst ganz am Ende des Verfahrens festgestellt wird, dass ein von irgendjemandem gegen einen Journalisten oder eine NGO angestrebter Rechtsstreit völlig unbegründet gewesen ist und dass er außerdem erhoben worden ist in rechtsmissbräuchlicher Absicht, nämlich um den Journalisten oder die NGO irgendwie einzuschüchtern.
Dazu muss man sagen: Selbst wenn diese beiden Feststellungen ganz am Ende des Verfahrens erst getroffen werden, kann überhaupt nur die erste Hälfte von einem Gericht festgestellt werden. Also ein Gericht kann natürlich am Ende eines Rechtsstreits feststellen, dass eine bestimmte Klage vollkommen unbegründet gewesen ist. Das passiert ja auch jetzt schon.
Aber sie kriegen doch hier vom Gericht bereits eine Carte Blanche, indem das Gericht von vornherein mutmaßt …
Dazu komme ich gleich. Das Gericht kann jedenfalls selbst am Ende eines Verfahrens überhaupt nicht feststellen, dass die Klage in missbräuchlicher Absicht geführt worden ist. Das ist überhaupt nicht feststellbar, auch nicht am Ende eines Verfahrens, weil das sozusagen die geheimen Absichten eines Klägers sind.
Also das ist der erste Eindruck. Dann stellt man weiter fest: Nein, nein, es soll gar nicht erst am Ende des Verfahrens festgestellt werden. So liest sich der neue Paragraph 615 ZPO, sondern es steht dann – § 617 ZPO, Prozesskostensicherheit –, dass offenbar der Beklagte, also der Journalist oder die NGO, ganz am Anfang des Verfahrens bereits geltend machen kann, das sei missbräuchlich. Und dann muss der Kläger eben entsprechende Sicherheit hinterlegen.
Und – das ist wiederum eine weitere Revolution – die Kosten des Rechtsanwalts werden nicht nur nach gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstattet, sondern es sollen die realen Kosten erstattet werden, soweit diese Kosten üblich und angemessen sind, also teils über 500 Euro pro Stunde.
Auch die Gerichtsgebühr soll dann noch mal verdoppelt werden?
Ja, genau, so würde ich das auch lesen.
Am Anfang des Verfahrens muss das Gericht dann darüber entscheiden, ob er das geltend machen kann. Wobei auch das nicht ganz klar ist. Da steht, „der Kläger leistet auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskostensicherheit usw.“ Das heißt, in der Formulierung des Paragraphen 617 wird gar nicht klar, dass also das Gericht auch noch das beschließen muss. Das muss sicherlich so gemeint sein, sonst geht es ja nicht. Es muss ja in irgendeiner Weise das Gericht beschließen, offenbar am Anfang des Verfahrens.
Im Antwortschreiben des Justizministeriums an Alexander-Wallasch.de stand „und Anordnung des Gerichts“.
Ja, genau, es ist auch nicht anders vorstellbar. Nur dann ist eben 617 unglaublich schräg formuliert. So, und das führt jetzt dazu, dass ein Gericht, bevor das Verfahren auch nur angelaufen ist, bereits entscheiden muss, nämlich erstens, dass die Klage völlig unbegründet ist. Und zweitens, dass sie auch noch in missbräuchlicher Absicht erhoben wird.
Und ein Gericht, das das bereits am Anfang des Verfahrens beschlossen hat, ist ja denknotwendig befangen. Anders geht es ja gar nicht. Da muss man doch als erstes dann einen Befangenheitsantrag stellen. Und ich weiß auch nicht, wie man davon wieder runterkommen soll, weil mehr Befangenheit ist ja gar nicht denkbar.
Jetzt muss ich den Juristen mal zwischenfragen: Ist es nicht sonst so, dass ein Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unbegründet ist, normalerweise die Klage gar nicht zulässt?
Nein, eine Klage muß nicht zugelassen werden, es wird eben über sie entschieden. Ganz am Ende des Verfahrens wird festgestellt, ob die Klage begründet oder unbegründet war, nach Beweiserhebung und solchen Sachen. Aber ein Gericht, das schon bevor das Verfahren angelaufen ist, nicht nur zu wissen glaubt, dass die Klage unbegründet ist, sondern überdies auch noch zu wissen glaubt, dass der Kläger aus den finstersten Absichten missbräuchlich handelt, das ist ja befangen bis zum Geht-nicht-mehr…
Aber der weitere Punkt im Gesetzesentwurf mit dem Vorrangs- und Beschleunigungsgebot klingt ja erst mal positiv. Da arbeiten die Gerichte dann ein bisschen flotter als sonst.
Das kann auch heißen, dass die Klage gar nicht mehr ordentlich geprüft wird, wahrscheinlich. Und verräterisch ist ja auch: Da gibt es bestimmte Regelungsbeispiele – im § 615 ZPO, Absatz 3, Nummer 1 bis 5 –, da werden verschiedene Beispiele genannt dafür, woran man eben missbräuchliche Klagen erkennen können soll.
Und eines davon finde ich zunächst einmal besonders bemerkenswert, das ist die Nummer drei: Wenn ein Kläger oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen „parallele Verfahren in Bezug auf ähnliche Angelegenheiten führt“, daran soll man den Missbrauch erkennen. Das ist ja interessant.
Ich habe ja rund fünfzig Verfahren geführt im Rahmen der CORRECTIV-Sache. Die sind nicht alle vor Gericht gegangen. Viele haben dann auf eine Abmahnung hin auch schon eine Unterlassungserklärung abgegeben. Aber auf jeden Fall habe ich sehr viele Verfahren geführt. Also wie soll man sich das vorstellen? Ab dem dritten oder vierten Verfahren soll das dann missbräuchlich sein?
Könnte man dieses neue Schwert nicht auch einfach umdrehen? Kann man das nicht auch gegen Leute wie Habeck und Strack-Zimmermann richten, die permanent irgendwelche Anzeigen schreiben?
Man müsste es auf jeden Fall versuchen. Aber ich sage, das ist gar nicht anwendbar! Die Vorschrift ist gar nicht anwendbar, weil ein Gericht, das, bevor das Verfahren überhaupt angefangen hat, bereits den Ausgang des Verfahrens vorwegnimmt, befangen ist.
Ich halte es für überhaupt nicht anwendbar. Ich weiß auch nicht, wie das begründet werden soll. Und vor allem geht es auch nicht klar aus dem Gesetz hervor. Der 617 ist so was von schräg formuliert, der liest sich so, als könnte der Beklagte einfach so diese Sicherheitsleistung verlangen. Das kann aber nicht sein. Es muss einen Beschluss des Gerichts geben. Dieser Beschluss muss dann aber wiederum seinerseits anfechtbar sein.
Das heißt, es würde einfach nur dazu führen, dass vor dem Beginn des Rechtsstreits ein Vorabrechtsstreit erfolgt, der letztlich dafür da ist, die Ergebnisse des Rechtsstreits auch schon vorwegzunehmen. Das ist völlig verrückt.
Ich habe ja zum Beispiel so viele Verfahren geführt, weil so unendlich viele Presseorgane die Andeutungen von Correctiv für bare Münze genommen haben und nachgedruckt haben. Ich habe das ja nicht aus Verschwendungssucht gemacht. Das heißt, wer einer Medienkampagne ausgesetzt ist – weil ganz viele Medien auf einen bestimmten Vorwurf einsteigen – der muss ja viele Verfahren führen. Und das soll jetzt also ein Indiz für Missbrauch sein.
Und auch wild ist dann § 615 Abs. 3 Nr. 6 ZPO, die dann letztlich so eine Auffangnorm ist. Da steht dann drin in der Nr. 6: Wenn der Kläger das Verfahren auf eine nicht in den Nummern 1 bis 5 genannte Weise missbräuchlich führt.
Das heißt: ein völliger Gummiparagraph. Hier soll ein Gericht ermächtigt werden, völlig willkürlich, ohne Tatbestandsmerkmale einfach zu sagen: Ja, wir halten das aus irgendwelchen Gründen für völlig missbräuchlich.
Also: Gesetz ist gar nicht anwendbar, Gesetz ist völlig verrückt, Gesetz ist handwerklich ganz schlecht gemacht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das in der Praxis überhaupt durchführbar ist.
Aber es könnte in der Tat dazu führen, dass jeder, der einen Journalisten oder eine NGO verklagt, mit diesem Einwand konfrontiert wird am Anfang und erstmal 50.000 € Kaution hinterlegen soll. Und sollte ein Gericht das bestätigen, obwohl es dadurch zwangsläufig befangen wird, müßte über diesen Beschluß dann ein Vorab-Rechtsstreit geführt werden, der den Inhalt des eigentlich zu führenden Rechtsstreits vorwegnimmt.
Und ob man es umdrehen kann, das ist eben die große Frage. Das ist eine Frage der Auslegung dieses seltsamen Rechtsbegriffs der „öffentlichen Beteiligung“, die hier eingeführt wird.
Wenn jetzt irgendein Rentner, der irgendwas getwittert hat und dann auf Unterlassung in Anspruch genommen wird – es geht ja um zivilrechtliche Ansprüche – ob der dann sagen kann, ich bin auch eine Person, die aufgrund ihrer „öffentlichen Beteiligung“ auf Twitter hier in Anspruch genommen wird? Und ich versuche jetzt, den Spieß umzudrehen? Oder ob das Gericht dann sagen würde: Nee, das gilt nur sozusagen für richtige Journalisten bei richtigen Zeitungen mit größerer Reichweite. Keine Ahnung.
Ich habe aber den Eindruck, dass es gar nicht um Journalisten geht. Ich glaube, das ist das Problem. Der Journalist wird hier als trojanisches Pferd vorgeführt, weil der Journalist ist natürlich auch der, der am Ende darüber berichtet. Ich glaube, hier geht es um Staatswissenschaftler und NGOs – sprich um Drosten und Campact.
Ganz genau.
Also quasi um die Prozesse Wiesendanger bzw. Vosgerau.
Das kommt auch noch dazu. Das wollte ich schon einleitend sagen: Das Jahr 2024 hat ja gezeigt, dass sich die Steuerung der Demokratie durch staatlich mitfinanzierte NGOs erheblich behindert wird durch die Möglichkeit von Privaten, gegen falsche Berichterstattung und gegen orchestrierte Pressekampagnen zu klagen. Jedenfalls, wenn sie genug Geld haben. Das habe ich ja unter Beweis gestellt. Und das scheint den politisch-medialen Komplex sehr zu stören. Und die wollen jetzt etwas dagegen tun. Aber so, wie sie es versucht haben, ist es meines Erachtens nicht praktikabel.
Man muss es sich jetzt leisten können? Wie sieht es da eigentlich mit Prozesskostenhilfe aus an der Stelle? Oder ging das nur, wenn man selbst verklagt wurde?
Das geht durchaus auch als Kläger. Und in der Tat: Bei der Prozesskostenhilfe – das ist so eine gewisse Analogie – bei der Prozesskostenhilfe muss das Gericht auch schon die Erfolgsaussichten der Klage abschätzen. Das ist keine endgültige Festlegung, aber für eine offensichtlich aussichtslose Klage würde man keine Prozesskostenhilfe bekommen, und die muss man ja auch später abstottern.
Aber da haben wir doch den Fall, dass im Vorfeld schon eine Abwägung passiert. So ähnlich wird das ja hier vielleicht auch gemeint sein.
So könnte das in der Tat gemeint sein. Aber hier entsteht der Eindruck, als könnte der Beklagte das völlig einseitig verlangen. Da muss man dann zahlen. Das kann aber nicht sein. Auf jeden Fall muss es Rechtsschutz geben. Dagegen muss man prozessieren können. Das ist diesem Gesetz noch nicht so klar zu entnehmen.
Es würde dazu führen, dass dem eigentlichen Rechtsstreit, bevor er überhaupt geführt wird, ein Vorweg-Rechtsstreit vorausgeht, ob die Feststellung, dass das missbräuchlich sei, ob die richtig gewesen ist. Das heißt, es wird alles nur verrückt und kompliziert. Sollte wirklich ein Gericht am Anfang des Verfahrens diesen Geldhinterlegungs-Beschluß wegen angeblichen Mißbrauchs fällen, müßte man erstens gegen den Beschluß vorgehen und zweitens einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht stellen. Und sollte beides keinen Erfolg haben – dann müßte man die Klage zurückziehen. Da würde man dann wieder Geld sparen, ganz anders, als dieser Gesetzentwurf intendiert…
Und noch ein wichtiger Punkt. Und das ist eine ganz interessante Frage des Europarechts, die sich hier stellt, die ich so ehrlich gesagt zum ersten Mal sehe. Vielleicht hatte ich vorher auch nicht das richtige Problembewusstsein: Also grundsätzlich ist es ja so, dass das Europarecht schon umgesetzt werden muss. Sie machen halt eine Richtlinie, und die muss dann in nationales Recht umgesetzt werden. Klassischerweise war das so, dass die Richtlinie eben nur die Ziele vorgibt, die zu erreichen sind. Das ist die Faustregel. Und wie der Staat die Ziele umsetzen will, mit welchen Methoden, das ist dann seine Sache.
Das gilt heute nicht mehr so unverbrüchlich, weil sich Richtlinien und Verordnungen immer weiter angenähert haben. Oft scheinen auch Richtlinien schon die Methoden vorwegzunehmen. So sind wir zum Beispiel auch zu diesem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gekommen.
Kurzer Exkurs: Wenn der Bundestag das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erlassen hätte, dann wäre es meines Erachtens verfassungswidrig, weil es zum Beispiel die Eigentumsfreiheit des Vermieters viel zu übermäßig einschränkt. Aber der Bundestag hat ja nur eine Richtlinie umgesetzt, und soweit diese Richtlinie umgesetzt werden muss von Europa aus, kann dann von deutschen Gerichten, auch vom Bundesverfassungsgericht, gar nicht mehr entschieden werden, ob das jetzt verfassungsgemäß ist. Weil das Europarecht vorgeht, könnte allenfalls dann der EuGH bzw. das Gericht erster Instanz entscheiden. Und die entscheiden ja nie gegen die europäische Ebene.
Das Interessante ist jetzt, grundsätzlich müssen die Ziele dieser SLAPP-Richtlinie vom Grundgedanken her in allen europäischen Ländern umgesetzt werden.
Und jetzt zeigt sich ein Problem, dass es ja Unterschiede gibt zwischen Deutschland und so ziemlich allen anderen europäischen Mitgliedstaaten durch das Schattenreich der NGOs. Es gibt ein Schattenreich der NGOs in Deutschland. Also diese staatlich teilfinanzierten Demokratiesteuerer wie Correctiv und Amadeu Antonio Stiftung.
Und es gibt jetzt dieses riesige Feld des sogenannten gemeinnützigen Journalismus, der ja zusätzlich noch zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten errichtet wird. Wir haben schon die Besonderheit, dass bei uns der politische Diskurs, was seine mediale Abbildung angeht, total dominiert wird von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die hier ein fast Monopol haben, was politische Nachrichten angeht.
Und dann kommt ja noch hinzu, dass es auch noch diesen sogenannten gemeinwohlorientierten Journalismus gibt. Und diese Strukturen werden ja jetzt zusätzlich ermächtigt. Es geht gar nicht, wie in angelsächsischen Ländern typischerweise, um Journalisten, die da irgendwas rausfinden und die sich da einer riesigen Übermacht gegenübersehen von Leuten, die sie niederklagen wollen.
In Deutschland sind diese Strukturen, die jetzt auch noch gegen Klagen immunisiert werden sollen, schon staatlich unterstützte, teilweise staatlich mitbegründete Akteure, derer sich die Regierung bedient, um die Demokratie zu verfälschen und die Demokratie anzuleiten und von oben zu steuern. Die kriegen jetzt sozusagen noch mehr Macht. Die werden jetzt gegen Klagen immunisiert, weil sich im Jahr 2024 gezeigt hat, dass man diese Dinge doch erheblich stören kann, wenn man genug Geld hat, um zu klagen.
Ich kann es noch etwas enger fassen. Und zwar schreibt mir das Justizministerium weiter, man habe hier nur die Vorgaben der EU-Richtlinie im Wesentlichen eins zu eins umgesetzt. Es gehe aber in einem Punkt darüber hinaus. Jetzt wörtlich: Die neuen Regelungen gelten nicht nur für Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug, das wäre wohl sonst bei EU-Richtlinien, sondern auch für rein nationale Sachverhalte. Der deutsche Sonderweg.
Das wäre eine Zuspitzung, also grundsätzlich. Also grundsätzlich kann die EU ja nicht ausschließlich nur Dinge regeln, die grenzüberschreitend sind, sondern zum Beispiel das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgrund der Antidiskriminierungsregel, das regelt ja auch rein deutsche Sachverhalte.
Aber was die Ihnen schreiben, das ist natürlich interessant. Insofern wäre das dann auch verfassungsrechtlich angreifbar. Meine Hauptkritik ist, dass es unausgegoren und handwerklich so schlecht gemacht ist, dass man diese neuen Gesetze eigentlich gar nicht anwenden kann.
Ein Gericht, das eine solche Feststellung trifft, dass beispielsweise der andere diese erhöhte Sicherheit hinterlegen muss, das ist von Anfang an befangen, und der entsprechende Beschluss müsste auch vor allem angreifbar sein. Und dann würde man halt einen vorweggenommenen Rechtsstreit machen, wo über diese Feststellung gestritten wird. Und wenn dieser vorweggenommene Rechtsstreit dann schiefgeht, dann würde man ja sowieso die Klage zurückziehen, weil sie dann ja aussichtslos ist. Das ist alles irre.
Jetzt habe ich ein Bauchgefühl: Wenn Sie sagen, das neue Gesetz taugt nichts, dann haben es die Regierenden mit ähnlich verrückten Gesetzesvorhaben trotzdem immer wieder geschafft, diese Dinge dann doch durchzusetzen. Ist das nur ein Bauchgefühl, oder mehr?
Das stimmt. Das kann ich verstehen, was Sie sagen. Es sind in der Tat dauernd Dinge passiert, die die Juristen im Vorfeld für unmöglich erklärt haben. Kein Mensch weiß, wie die Gerichte jetzt mit diesen Regeln umgehen, wie sie die anwenden.
Niemand kann die Zukunft vorhersagen. Und gerade bei Richtern ist es ja immer so eine Mentalität: Wir wollen den gesetzgeberischen Willen umsetzen und ihn nicht korrigieren. Das hat man jetzt neulich gesehen in diesem Strafprozess gegen diesen Rentner Stefan Niehoff, wo der Richter mehrfach gesagt haben soll, er finde das ja gar nicht gut, aber er muss trotzdem die Gesetze umsetzen, was natürlich quatschige Äußerungen sind. Er muss vor allem die Gesetze im Lichte der Meinungsfreiheit verstehen und dann muss er sie eben so anwenden.
Dass die Gerichte zukünftig sagen: Immer wenn ab jetzt Correctiv verklagt wird und immer, wenn Correctiv dann einwendet: Übrigens ja, das ist ja eine SLAPP-Klage, die ist ja völlig unberechtigt, dann sagt das Gericht: Okay, so ist es. Die kann man jetzt nicht mehr verklagen.
Ist das nicht am Ende eine Art Ermächtigungsgesetz für die NGOs? Kann man das so nennen?
Nein, es ist kein Ermächtigungsgesetz. Und es ist ein Gesetz, durch das die NGOs sozusagen außerhalb der Rechtsordnung gestellt werden. Das Ziel ist, dass man NGOs rationalerweise nicht mehr verklagen kann. Wenn das Gesetz so angewendet werden sollte. Also meines Erachtens kann es gar nicht angewendet werden. Meines Erachtens müsste jedes Gericht immer sagen: Wir stellen hier nicht am Anfang des Verfahrens bereits fest, dass die Klage unbegründet ist, weil dann wären wir ja befangen.
Also bei richtiger Anwendung würde das Gesetz gar nichts ändern, weil es nicht angewendet werden kann. Aber wenn es doch angewendet werden sollte, dann ist es natürlich eine Katastrophe. Es ist nicht Ermächtigung, es ist Schutz. Es werden NGOs – es wird diese ganze Krake davor geschützt, vor Gericht gezogen zu werden.
Danke für das Gespräch!
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Author:
Alexander Wallasch