• 3. März 2025

Trinkt nichts Georgisches

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März 2, 2025
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Lesen Sie heute Teil 28 von „Putins Demokratur“. Warum ich Buch hier auf meiner Seite veröffentliche, können Sie hier in meiner Einleitung zum ersten Beitrag finden. 

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Der erste Eindruck führt in die Irre. Wer im April 2006 in die Moskauer Filialen des deutschen Großhandelskonzerns »Metro« kommt, könnte glauben, das Unternehmen aus der Bundesrepublik sei auch nach ein paar Jahren am Markt des Russischen noch nicht mächtig. »Grusia« steht in großen Buchstaben über einer Weintheke. »Grusia« heißt Georgien. Doch keine einzige Flasche aus der Kaukasusrepublik ist in den Regalen zu finden, stattdessen mehr oder weniger edle Tropfen aus Italien und Argentinien. Ein paar Meter weiter der gleiche Etikettenschwindel: Unter dem Schild »Moldawia« sind nicht etwa Flaschen aus der früheren moldawischen Sowjetrepublik Moldawien zu finden, sondern Weine aus Chile, Bulgarien und Spanien.

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Natürlich führen die deutschen Großhändler ihre Kunden nicht absichtlich in die Irre. Sie wollen es sich nur nicht mit den russischen Behörden verderben. Deshalb mussten sie zu einer großen Wein-Umladeaktion ansetzen – die georgischen und moldawischen Weine landeten in den Vorratsräumen, und von dort kamen angestaubte Nachschubbestände in die Regale.

Auslöser der Weinwanderung war der Beschluss eines russischen Amtes, der Verbraucherbehörde mit dem unaussprechlichen Namen Rospotrebnadsor. Ihr Chef, Russlands oberster Verbraucherschützer Gennadi Onischtschenko, ist gewöhnlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Vorwürfe, seine Behörde kümmere sich mehr um Bakschisch als um Hygiene und Verbraucher, lässt er ebenso von sich abprallen wie die Vogelgrippe: Als die sich von Osten näherte, kündigte Onischtschenko an, er sei bereit, vor laufender Kamera ein infiziertes Huhn zu essen.

Doch im März 2006 zeigte sich der hartgesottene Mann mit dem graumelierten Bürstenschnitt mit einem Mal sehr empfindlich. Seine Tester berichteten, sie hätten überhöhte Schadstoffwerte, vor allem Pestizide, in Weinen aus Georgien und Moldawien ausgemacht. Experten merkten an, dass auch europäische Winzer solche Pflanzenschutzmittel verwendeten, ebenso wie Winzer in Südrussland und auf der Krim. An deren Erzeugnissen hatten die russischen Prüfer jedoch nichts auszusetzen.

»Wir fordern von allen Importeuren, alle Getränke aus Georgien und Moldawien aus dem Handel zu nehmen, die Alkohol enthalten«, verkündete der oberste Verbraucherschützer. Die Grenze zwischen gefährlichen und harmlosen Anbaugebieten scheint sich streng an den politischen Fronten zu orientieren.

Weine aus zwei Regionen der beiden Länder waren der Moskauer Behörde zufolge völlig ungefährlich für den Verbraucher: nämlich die Schoppen aus Abchasien und Transnistrien. Das sind abtrünnige Teilrepubliken, die sich von Georgien und Moldawien losgesagt haben und den Anschluss an Russland anstreben. Flaschen aus diesen beiden Regionen sind weiter in Moskauer Supermärkten unter den Flaggen dieser international nicht anerkannten Zwergstaaten zu finden.

Nicht nur beim Wein aus Georgien wurden die russischen Lebensmittelprüfer fündig. Im April 2006 kommt auch das legendäre »Borschomi«-Mineralwasser, Georgiens salzige Antwort auf Apollinaris und das Lieblingsgetränk von Stalin und Millionen früherer Sowjetbürger, auf die rote Liste. Begründung: Man habe Flaschen gefunden, bei denen die vorgeschriebene »Dokumentation« fehlte. In ganz Russland schwärmen Inspektoren der Gesundheitsämter aus, um die inkriminierten Getränke aus dem Verkehr zu ziehen. 10 Millionen Flaschen Wein und Mineralwasser sollen vernichtet werden. Eine der führenden staatlichen Expertinnen für die Prüfung von Mineralwasser in Russland kritisiert das Verbot und beteuert, dass alle Proben des georgischen Wassers einwandfrei gewesen seien. Die Verbraucherschützer hätten statt harter Fakten nur allgemeine Feststellungen auf den Tisch gelegt.

Kurz darauf stoppt Russland auch die Einfuhr sämtlicher landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Georgien. Am Grenzübergang »Kasbegi« an der georgischen Heerstraße, hoch oben im Kaukasus, bilden sich lange Schlangen von Lastwagen. Sogar das Parlament nimmt sich der Sache an. In einer Resolution unterstützt die Duma das Einfuhrverbot: Die Maßnahmen seien notwendig, um die russische Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken zu schützen, so die Abgeordneten. Das Einfuhrverbot stehe mit den allgemein anerkannten Normen und internationalen Handelsregeln im Einklang. Die kremltreue Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda druckt für Leser ein Poster im Propagandastil der dreißiger Jahre mit dem Titel »Trinkt keinen georgischen Wein« ab: »Wenn sie sich und die Heimat achten, dann hängen Sie dieses Plakat an die Wand.«

In ganz Russland raufen sich Gastwirte, Lebensmittelhändler und Exporteure die Haare: Sie bleiben auf Millionen Euro teurer Ware sitzen, die sie eingekauft haben. Schätzungen ergeben, dass allein Weine im Wert von 580 Millionen Euro nicht geliefert oder aus den Regalen geräumt werden. »Eine Affenschande« sei das Import-Verbot, ärgert sich die Moskauer Ärztin Irina Gawrilowa. Seit Jahren rät sie Bluthochdruck-Patienten, von Wodka auf trockenen Rotwein umzusteigen. Vorbei. Weine aus Moldawien und Georgien waren für den Normalverdiener die einzigen halbwegs hochwertigen und gleichzeitig erschwinglichen Tropfen, im Gegensatz zu Weinen aus dem Westen. Hohe Einfuhrzölle und undurchsichtige Handelsstrukturen sorgen dafür, dass eine Flasche Landwein aus dem Veneto, die in Deutschland für zwei Euro zu haben ist, in Russland für zwölf Euro über den Ladentisch geht. Tropfen aus dem Süden Russlands sind zwar billig, aber selbst der Merlot von dort schmeckt oft nach Erdbeerbowle.

Tatsächlich bereiten zahlreiche Produktfälschungen, auch von Lebensmitteln wie Wein oder Mineralwasser, den Behörden seit Jahren Probleme. Kaum jemand in Russland wird auch daran zweifeln, dass Lebensmittelimporte aus Georgien und Moldawien zuweilen nicht allen Buchstaben des Gesetzes gerecht werden.

Doch das ist schon seit Jahren so – und trifft genauso auf Lieferungen aus Weißrussland, der Ukraine, Zentralasien oder der russischen Provinz zu. Von dort darf aber weiterhin ungehindert geliefert werden.

In Moskau findet man kaum jemanden, der daran glaubt, dass der Einfuhrstopp tatsächlich wegen Gesundheitsbedenken durchgesetzt wurde. Nur im Fernsehen wird dieser Schein aufrechterhalten. Gezeigt wird, wie Präsident Putin in seinem Arbeitszimmer im Kreml den obersten Verbraucherschützer Onischtschenko empfängt. Der Präsident kommt auf die Vorwürfe, hinter dem Einfuhrstopp stünden politische Motive, zu sprechen. Ob die Anforderungen an russischen und georgischen Wein gleich seien, fragt der Präsident seinen Beamten. »Natürlich«, antwortet der.

Dabei sitzt er Putin in Habachtstellung gegenüber wie alle Minister und Beamten, die der Präsident im Kreml zum Rapport bestellt.

Szenen dieser Art gehören zum festen Bestandteil russischer Nachrichtensendungen. Die Verbraucherbehörde Rostrebnadsor sei »zum politischen Instrument des Kreml geworden«, schreibt dagegen die oppositionelle Moskauer Wirtschaftszeitung Kommersant.

Die Einfuhrverbote in ihr wichtigstes Exportland bringen die beiden Agrar republiken Moldawien und Georgien in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten. In Georgien kündigen die ersten Winzer Entlassungen an. In Tiflis heißt es, Russland wolle das Land mit dem Weinkrieg zwingen, seine Pläne für einen NATO-Beitritt aufzugeben. Der Importstopp erfolgte zudem just zu dem Zeitpunkt, als Georgien öffentlich gegen einen Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation protestierte.

Fünf Tage lang nach dem Einfuhrverbot für georgische Waren habe sie versucht, ihre russischen Kollegen anzurufen und einen Ausweg zu finden. Aber niemand habe ihr geantwortet, klagte die ebenso resolute wie charmante Parlamentspräsidentin der Kaukasusrepublik, Nino Burdschanadse: »Es ist die Unwahrheit, dass Georgien nicht mit Russland reden will, es ist die Unwahrheit, dass Tiflis es vorzieht, in Washington anzurufen statt in Moskau.

Aber was sollen wir machen, wenn wir zehnmal in Moskau anrufen und niemand drangeht, aber die europäischen Staaten, die uns freundlich gesinnt sind, und Washington gleich nach dem ersten Klingelton abheben?« Russland habe erneut gezeigt, dass es wirtschaftliche Hebel verwende, um politischen Druck auszuüben.

Auf dem Höhepunkt des »Weinkrieges« klagen russische Wissenschaftler im Mai 2006, die Verbraucherbehörde – ganz auf den Kampf gegen Wasser und Wein aus Georgien konzentriert – ignoriere seit langem die Gefahren durch Gifte in Lebensmitteln wie etwa Dioxin und führe keine wirksamen Kontrollen durch.

Die Verbraucherschützer künden unterdessen an, 10 000 Liter georgisches Mineralwasser in die Kanalisation zu schütten, und Behördenchef Onischtschenko erklärt dem Alkohol den Kampf: »Es geht um ernste soziale, moralische und geistliche Aspekte.« Nur wenn Russland sich erneuere, habe es die Chance, eine »führende Rolle bei der Entwicklung der menschlichen Zivilisation zu spielen«.

Der »Weinkrieg« ist beispielhaft für den Umgang Russlands mit den Ländern der früheren Sowjetunion. Die demokratischen Umstürze in Georgien und der Ukraine führten in der russischen Politik zu einer Zäsur und hinterließen bei den Machthabern einen Schock, der bis heute nachwirkt. Der Kreml empfindet die Revolutionen als Werk des Westens und als Angriff auf seine hauseigenen Interessen. »In der Ukraine, das war keine Revolution, das war ein Putsch, ein Staatsstreich«, glaubt etwa der Chef der kremlnahen Jugendorganisation »Die Unsrigen«: Der US-Botschafter habe den Wahlkampfstab des späteren Revolutionsführers und Präsidenten Viktor Juschtschenko geführt. Die Mehrheit der Demonstranten sei nur deshalb auf die Straße gegangen, weil sie dafür Geld bekommen hätten, so der »Unsrigen«-Chef: »Die Ukraine war eine Kolonie Russlands, jetzt ist sie eine Kolonie Europas.«

Russland tut offenbar alles, um die demokratischen Umstürze rückwirkend als Misserfolge erscheinen zu lassen. »Moskau strengt sich nach Kräften an, die Situation in Georgien zu destabilisieren«, klagte bereits im Herbst 2004 ein westeuropäischer Diplomat in Tiflis: »Im Kreml scheint man in alter Tradition davon auszugehen, es sei vorteilhaft, seine Nachbarn schwach zu halten und ihre politische Stabilisierung zu verhindern – in der irrigen Ansicht, einem schwachen Nachbarn gegenüber sei man stärker.

Dabei wäre das Gegenteil der Fall. Moskaus ureigenes Interesse müsste es sein, stabile Zustände an seinen Rändern zu schaffen.« Die georgische Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse sieht das ähnlich: »Russland kann sich nicht mit der Realität abfinden und denkt immer noch in den alten Großmachtkategorien«, klagt sie im Gespräch in Tiflis. Wenn Moskau wirklich seine Position im Kaukasus stärken wollte, müsste es statt einer Politik der Stärke und der unnötigen Problemschaffung beginnen, mit Georgien eine Politik der gegenseitigen Hilfe zu etablieren.

Für Besorgnis in Kaukasien sorgt ein Aufsatz des russischen Verteidigungsministers Iwanow. Darin schreibt er, die Sicherheit Russlands hänge von der innenpolitischen Situation in einigen Nachbarstaaten ab. Bei der Planung künftiger militärischer Aufgaben müssten auch »politische Prozesse« einkalkuliert werden: potentielle direkte Gefahren oder geänderte geopolitische Realitäten in einer Region, die Russlands strategische Interessen berühre. Es fällt nicht schwer, dies als militärische Einsatzbereitschaft im Falle demokratischer Revolutionen in den Nachbarländern zu interpretieren. So jedenfalls kommt die Botschaft in Tiflis an.

Dabei setzte der Kreml schon unter Boris Jelzin auf eine Destabilisierung im Kaukasus, die bei bösartiger Lesart durchaus als eine Fortsetzung des alten Stalin’schen Rezepts aufgefasst werden kann, die einzelnen Völker des Imperiums gegeneinander aufzuhetzen. Nicht zuletzt mit Moskauer Unterstützung erklärten sich Anfang der neunziger Jahre die prorussischen Führungen in den georgischen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien sowie im moldawischen Transnistrien nach blutigen Unabhängigkeitskriegen für selbstständig – was deren Regierungen in Georgien und Moldawien sowie die internationale Staatengemeinschaft nie anerkannten. Tatsächlich sind diese nationalen Spannungen wesentlich auf die willkürlichen, ja konfliktprovozierenden Grenzziehungen Stalins per Lineal und dessen Ansiedlungspolitik zurückzuführen.

Tragischerweise aber rief Moskau mit seiner Unterstützung etwa für Abchasien die Geister, die es später in Tschetschenien nicht mehr loswurde: Der Tschetschene Schamil Bassajew, bis zu seiner Tötung im Juli 2006 viele Jahre der meistgesuchte Terrorist, begann seine kriegerische Laufbahn als kaukasischer Freiwilliger auf Seiten der von Moskau unterstützten abchasischen Freischärler im Kampf gegen Georgien.

Während Moskau eine Unabhängigkeit Tschetscheniens kategorisch ablehnt und dafür durchaus gute Gründe hat, unterstützt es die Separatisten in den abtrünnigen Republiken in den Nachbarstaaten nach Kräften, auch wenn sie sich teilweise zu Zentren des Schmuggels und der Kriminalität entwickelt haben. Nach außen hin gebe sich Moskau mit seinen Friedenstruppen als Vermittler aus, in Wirklichkeit habe es mit deren Hilfe die abtrünnigen Gebiete praktisch annektiert, klagt Georgiens Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse: Völkerrechtswidrig gebe Moskau dort russische Pässe aus, lasse russische Banken und Mobilfunkgesellschaften agieren und ernenne russische Militärs und Geheimdienstler zu »Regierungsmitgliedern«, obwohl die Republiken formal nicht anerkannt sind. Im russischen Parlament wurden wiederholt Stimmen laut, die Republiken an Russland anzuschließen. Immer wieder kommt es zu lokalen Scharmützeln zwischen örtlichen, russischen und georgischen Militärs, an denen sich alle Seiten gegenseitig die Schuld geben. Putin zieht Parallelen zwischen den abtrünnigen Kaukasus-Republiken und dem Kosovo.

Wenn der Westen für eine Unabhängigkeit der jugoslawischen Region plädiere, dürfe man diese auch Südossetien und Abchasien nicht vorenthalten, warnt der Präsident.

Auf beiden Seiten der Grenze beschwören die Medien die Kriegsgefahr. Einer der höchsten Staatsmänner in Tiflis hat ein ganz besonderes Beweisstück der Bedrohung. Beim Treffen mit dem Autor springt er plötzlich erregt von seiner Couch auf, als das Gespräch auf Russland kommt. Hastig läuft er zu seinem Schreibtisch und beginnt nervös in seinen Schubladen nach etwas zu suchen. Dann kommt er mit einem Stück versengtem, unförmigem Stahl zurück, das er auf die Tischplatte legt, aufgeregt und so ungestüm, dass sie bebt. »Sehen Sie sich das an. Wissen Sie, was das ist?«, sagt der Staatsmann, der aus guten Gründen anonym bleiben will. »Das ist eine Vakuumbombe. Die haben wir bei uns gefunden, auf georgischem Territorium, im Pankisital. Russische Flugzeuge bombardieren unser Territorium. Können Sie sich vorstellen, wie uns zumute ist? Was würden Sie in Deutschland sagen, wenn Ihre Nachbarn Bomben in die Grenzregion abwerfen würden?« Der Wahrheitsgehalt seiner Aussagen ist nicht zu überprüfen. Aussagekräftig ist die Szene allemal – weil sie zeigt, wie aufgeladen, wie emotional und damit auch explosiv die Stimmung zwischen den ungleichen Nachbarn ist.

Nach dem 11. September 2001 behauptete der Kreml, dass er Osama bin Ladens Al-Qaida in jener Grenzregion Pankisi aufgestöbert habe. US-Präsident George W. Bush fackelte nicht lange und schickte eigene Militärs als Berater in die ehemalige Sowjetrepublik – zum Entsetzen Moskaus. Mindestens 80 GIs halten seit 2003 unweit von Tiflis die Stellung – für das kleine Georgien ein psychologisches Faustpfand gegen Moskau. Dass die neue Freundschaft mit den Amerikanern attraktiver ist als der Bund mit dem Kreml, lernen die georgischen Soldaten schon im Schlaf: Selbst in den Mannschaftsunterkünften gibt es dank US-Hilfe westliche Schallschutzfenster – für Normalsterbliche in Georgien oder Russland ein unerschwinglicher Luxus. Amerikanische Soldaten im Kaukasus, noch dazu im christlichen Georgien, das seit mehr als 200 Jahren eng mit Russland verbunden ist – das ist für die meisten Russen ein Albtraum.

Der georgische Präsident Saakaschwili studierte in den USA und spricht genauso gut Englisch wie Russisch. Das russische Fernsehen stellt den explosiven jungen Staatschef oft als verrückt hin; ihm wird zudem unterstellt, hinter dem Unglückstod seines früheren Ministerpräsidenten zu stecken. Das georgische Fernsehen warnt im Gegenzug vor dem »reichen, hinterhältigen, erfahrenen und bösen Feind« im Norden, den man stoppen müsse. Moskau habe Attentate auf Saakaschwili geplant, die noch hätten vereitelt werden können.

Die Georgier behaupten, der Kreml behandele sie wie ein älterer Bruder, der sein missratenes kleines Geschwisterchen drangsaliert. In Moskau macht man geltend, der Kaukasus-Staat habe Russland mit seinem Westkurs provoziert, und der zunehmend autoritär regierende Saakaschwili wolle mit nationalistischen Parolen und einer Bedrohungskulisse von den wirtschaftlichen Misserfolgen und der Entdemokratisierung seines Landes ablenken. Die überwältigende Mehrheit der Menschen in beiden Ländern ist überzeugt davon, dass die eigene Führung von der jeweils anderen Seite auf das Schlimmste provoziert wird und sich lediglich wehrt.

Im April 2006 diskutiert die Duma eine Resolution, mit der sie Saakaschwili als »aggressiven Führer« verurteilen will, dem es vor allem um Aufrüstung gehe. Eine echte Bedrohung stellt die Kaukasus-Republik für Moskau jedoch kaum dar: Georgien gab im Jahr 2005 rund 220 Millionen Dollar für seine Armee aus und hatte 33 000 Mann unter Waffen – gegenüber mehr als einer Million russischer Soldaten und einem Rüstungshaushalt von 25 Milliarden Dollar.

Die georgischen Geheimdienste beschuldigen Moskau, bis heute die abtrünnigen Gebiete in Georgien mit Waffen zu beliefern. Nach dem Kindermassaker von Beslan behaupteten die Dienste in Tiflis, die Terroristen hätten im benachbarten Nordossetien vor allem deshalb unbemerkt mit schwerer Bewaffnung bei der Schule vorfahren können, weil von dort regelmäßig Bewaffnete in die georgischen Krisenprovinzen durchgeschleust würden und die Miliz gewohnt sei, beide Augen zuzudrücken.

Im August 2007 kommt es zu einer neuen Eskalation: Georgien wirft dem Nachbarn im Norden vor, aus einem Kampfflugzeug eine 700 Kilogramm schwere Bombe auf ein Dorf an der Grenze zum abtrünnigen Südossetien abgefeuert zu haben. Innenminister Wano Merabischwili spricht von einem »Akt der Aggression«. Nur dank glücklicher Umstände sei der Sprengsatz nicht explodiert und niemand verletzt worden. Moskau weist die Vorwürfe zurück; es handle sich um eine »theatralische Inszenierung«, mit der Georgien eine friedliche Beilegung des Konflikts um Südossetien verhindern wolle, sagt Vize-Premierminister Sergej Iwanow.

Die russisch-georgischen Geplänkel sind im hochexplosiven Kaukasus ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Beide Seiten zündeln nach Kräften. Die Eskalationsspirale dreht sich. Es drohen lokale bewaffnete Konflikte mit schwer absehbaren Folgen. Der Westen hat zwar nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Doch zumindest die sollte er endlich konsequent nutzen.

Den vorherigen, siebenundzwanzigsten Teil – Chinesischer Flirt mit Nebenwirkungen – finden Sie hier.
Den ersten Text der Buchveröffentlichung finden Sie hier

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