Sofort nach dem von Apollo-News recherchierten Verdacht, dass die zwei beim MDR Thüringen beschäftigten Journalisten Hemmerling und Kendzia dem Thüringer Verfassungsschutz – bzw. dessen Präsidenten Kramer – einen Whistleblower aus dem Verfassungsschutz verraten haben (was zur Kündigung geführt haben soll), erinnerte ich mich an einen älteren Skandal rund um einen weiteren Journalisten in Thüringen.
Der Fall spielte sich im Frühjahr 2021 in der Hochphase der Corona-Maßnahmen- und Impfkritik ab, als ein Journalist aus Thüringen einem Demonstranten frontal in die Seite sprang, als dieser eine Polizeisperre durchbrochen hatte.
Der Journalist als Hilfspolizist war damals kein Geringerer als Sebastian Scholz, der Chef der Thüringer Sektion des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) höchstselbst.
Ein besonders verstörendes Beispiel für sogenannten Haltungsjournalismus in der Praxis: Ein Video zeigte, wie der Chef des DJV-Thüringen, Sebastian Scholz, am 1. Mai 2021 auf einer Demonstration von Corona-Maßnahmenkritikern in Weimar einen Demonstranten, dem die Polizei nachstellt, mit ausgestrecktem Bein zu Fall bringt: Der Mann stürzt lang hin und wird daraufhin von nachsetzenden Beamten festgesetzt.
Einen Tag später veröffentlichte Scholz auf der Website des DJV eine Pressemitteilung. Darin hieß es: „Der DJV-Thüringen fordert (…) eine „Null-Toleranz“-Politik gegenüber denjenigen, die meinen, sie könnten Journalistinnen und Journalisten ungestraft attackieren.“
Die Polizei sah damals keine Notwendigkeit, den Angreifer Scholz hier zu vernehmen, festzuhalten oder zur Rede zu stellen. Im Video sieht man, wie sich Scholz vom Ort des Geschehens fortbewegt. Auch der Polizeipressestelle war dahingehend keine Ermittlung bekannt. Kannte man sich? Hatte man gar enger miteinander zu tun? Dazu gleich mehr.
Erleichternd für die Identifizierung war, dass Scholz im Video einem Filmemacher, der die brutale Szene zufällig aufgezeichnet hatte, seinen vollen Namen in das Mikrofon sprach. Das Video wurde von der Vorsitzenden des DJV-Landesverbandes später als authentisch bezeichnet.
Besagte Vorsitzende des Landesverbandes teilte damals auf Nachfrage mit:
„Wir haben den Vorfall juristisch bewerten lassen mit dem Ergebnis, dass keine strafbare Handlung seitens unseres Geschäftsführers vorliegt. Da aber aus der Gruppierung der sogenannten „Querdenker“ angekündigt wurde, Strafanzeige zu erstatten, bitten wir um Verständnis dafür, dass wir zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Fragen beantworten.“
Schon wenige Tage nach der verstörenden Tat war Scholz bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen – via Zoom. Der 3. Mai war Tag der Pressefreiheit. Die Stiftung moderierte die Veranstaltung auf ihrer Website mit der Behauptung an, Angriffe gegen Journalisten würden heute von der Mitte der Gesellschaft ausgehen. Journalisten bräuchten heute Personenschutz, um arbeiten zu können.
Die Veranstaltung der SPD-nahen Stiftung kritisierte fehlende journalistische Standards. Und schrieb dazu: „Immer wieder ist bspw. bei Demonstrationen zu beobachten, wie sich vermeintliche Journalist*innen plötzlich zu Aktivist*innen wandeln.“ Sicher hatte man dabei nicht den eingeladenen Scholz im Sinn, der zwei Tage zuvor in Weimar „aktiv“ geworden war.
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Sebastian Scholz attackierte einen Demonstranten. Später hieß es, er sei privat dort gewesen, nicht als Journalist oder DJV-Geschäftsführer. Das erklärte damals allerdings nicht, warum er sich für seine gnadenlose Attacke, die ohne Rücksicht auf Verluste in einer Art Kickbox-Manier ausgeführt wurde, in einer Zone befand, in welche die Polizei gar keine Privatleute einließ, sondern nur Journalisten.
Die Recherche ergab damals, dass der DJV-Thüringen kurz nach Beginn der Tätigkeit von Scholz als Geschäftsführer eine Kooperation mit dem thüringischen Innenministerium eingegangen war, insbesondere hier mit der Polizei Thüringen, wie Newsletter 626 des DJV vom 23. August 2019 berichtet. Da heißt es unter anderem:
„So soll der DJV Thüringen in geeigneter Weise in die Polizistenausbildung einbezogen werden. Der DJV will der Polizei in Journalistenworkshops die Möglichkeit geben, über ihre Arbeit zu informieren. Ziel der Kooperation ist, sich über Aufgaben und Belange des jeweils anderen auszutauschen.“
Später tauchten noch Aufnahmen aus einem Zoom-Meeting (wegen der Corona-Maßnahmen waren persönliche Treffen überall deutlich eingeschränkt) auf, an dem Scholz ebenso teilnahm wie der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei), der sich zuvor via Twitter umfänglich solidarisch gezeigt hatte gegenüber dem gewalttätigen Hilfssheriff-Einsatz des Chefs eines Thüringer Journalistenverbands. Ramelow schrieb unter anderem: „Sebastian Scholz hat Zivilcourage geübt.“
Als die Kritik am Vorgehen des Journalisten-Vertreters Scholz immer lauter wurde, hieß es plötzlich, es habe Todesdrohungen gegen Scholz gegeben und von einer „Hetzkampagne“ war die Rede.
Scholz hatte dann gegenüber den Medien erklärt: „Ich war der festen Überzeugung, dass ich richtig gehandelt habe, dass ich also jemand, der Straftaten, Gewalttaten begangen hat, aufgehalten habe auf seiner Flucht vor der Polizei.“
Hier eine Auswahl von Links zur Recherche von 2021
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Author:
Alexander Wallasch