Von Kai Rebmann
Weil einem Star-Architekten aus wohl fadenscheinigen Gründen gekündigt wurde, drohen dem Steuerzahler jetzt weitere Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe – zusätzlich zur ohnehin schon von ursprünglich projektierten 186 Millionen auf zuletzt 420 Millionen Euro explodierten Kostenschätzung. Die Verantwortung dafür tragen nach Einschätzung eines mit den Vorgängen vertrauten Insiders allen voran Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und ihr Baureferent Steffen Kercher.
Was ist passiert? Das Rathaus sprach dem international renommierten und auf Theatersanierungen spezialisierten Architekturbüro Achatz + IMP Ingenieure bereits im August 2024 eine Teilkündigung aus – wohl ohne rechtfertigenden Grund und nachweislich ohne vorherige Zustimmung bzw. Vollmacht des Stadtrats. Letztere wäre angesichts der dabei im Raum stehenden Größenordnung aber wohl zwingend erforderlich gewesen.
SPD-Fraktionschef Florian Freund attestiert der Stadtverwaltung ein „besorgniserregendes Kommunikationsdefizit“ und sieht offene Widersprüche in Webers Aussagen zu dem drohenden Millionen-Desaster in der Fuggerstadt: „In der Folge heißt das doch, dass die OB entweder nicht gewusst hat, was sie da unterschreibt, oder aber, dass sie sich für das – neben dem Umbau des Hauptbahnhofs – größte Bauprojekt in Augsburg schlicht nicht interessiert. Beides wäre in ihrem Amt auf jeden Fall untragbar.“
Was Freund damit meint: Weber hatte gegenüber dem Stadtrat erklärt, die Kündigung des Architekturbüros sei von ihr angeordnet worden – aus angeblich „dringenden Gründen“. Dann wieder hieß es, die Entscheidung sei auf dem Mist des Baureferenten Steffen Kercher gewachsen. So oder so – die hochumstrittene Kündigung dürfte die Stadt Augsburg, und damit letztlich dem Steuerzahler, Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich bescheren.
Vertrauen der Stadtrat-Opposition ‚restlos aufgebraucht‘
Auch die Freien Wähler sehen den Vertrauensvorschuss, den sie der Stadtverwaltung zu Beginn des Megaprojekts noch gewährt hätten, inzwischen „restlos aufgebraucht“, wie die Abgeordneten Regina Stuber-Schneider und Hans Wengenmeir für ihre Fraktion erklärten. Den Wendepunkt stellen dabei wohl die Wochen im Juli und August 2024 dar.
Zunächst sollte der Stadtrat weitere 77 Millionen Euro für die Sanierung des Staatstheaters freigeben, um angeblich „unerwartete Mehrkosten“ in eben dieser Höhe abzudecken. SPD und Freie Wähler stimmten dagegen. Von der fristlosen Kündigung des bisherigen Architekten erfuhren die meisten Stadträte dann nach der Sommerpause im September mehr oder weniger vom Hörensagen bzw. aus der Presse.
Vor wenigen Wochen erfolgte dann auch die fristlose Kündigung gegenüber Achatz für den zweiten Teilbereich des Gesamtprojekts, diesmal zwar wohl mit Vollmacht des Stadtrats, jedoch abermals ohne rechtfertigenden Grund. Davon geht jedenfalls ein mit den Vorgängen vertrauter Insider aus, der gegenüber reitschuster.de erklärt: „Nur weil es die Sache aus Sicht der Stadt nach der Vorgeschichte um die erste Teilkündigung einfacher macht oder sie Vorteile bei der Gesamtabwicklung des Projekts sieht, ist das noch lange kein belastbarer Grund für die Kündigung auch im Zusammenhang mit dem zweiten Teilprojekt.“
Und auch über die angebliche Dringlichkeit der ersten Teilkündigung herrschte zunächst großes Rätselraten. Nach Informationen dieser Seite soll es dabei um eine Nachforderung beim Architektenhonorar in Höhe von vergleichsweise lächerlich anmutenden 70.000 Euro gegangen sein, die aus der Insolvenz eines Projektanten und der deshalb notwendig gewordenen Neuplanung des davon betroffenen Fachbereichs gegangen sein. Die Stadt lehnte ab, der Architekt habe dann, so das Rathaus, mit einem Baustopp gedroht – einer Darstellung, der Achatz jedoch heftig widerspricht.
Kosten explodieren, Ende der Sanierung nicht in Sicht
Wie die Sache weitergeht: vollkommen unklar! Für die Stadt Augsburg könnte es aber richtig teuer werden. Im Fall eines juristischen Nachspiels werden Weber und Kercher gleich zwei entscheidende Punkte nachweisen müssen – erstens, dass zumindest die Teil-Kündigung im August 2024 sachlich rechtens war und, zweitens, dass diese auch ohne vorherige, vom Stadtrat erteilte Vollmacht ausgesprochen werden konnte.
Auf die Bauzeit wie auch auf die Baukosten sollten die beiden fristlosen Kündigungen des in München ansässigen Architekturbüros angeblich keine Auswirkungen haben. Das jedenfalls behaupteten OB Weber und ihr Baureferent unisono – und lösten damit Kopfschütteln im oppositionellen Tei des Stadtrats aus. Unser Informant hält es zwar für möglich, dass der neue Architekt die Prüfungen der bestehenden Planung noch vor der Sommerpause abgeschlossen haben wird – aber nur im besten Fall.
Sollten er oder dessen Haftpflichtversicherung aber nur die leisesten Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der durch das Architekturbüro Achatz geleisteten Vorarbeit haben, und sei es auch nur in einem kleinen Teilbereich, dann werde es eine neue Kostenschätzung inklusive aller daraus resultierenden Folgen geben, so der Experte: „Möglicherweise fängt die Planung alleine aus Haftungsgründen wieder von vorne an. Dann werden volle Honorare sowohl für den Architekten als auch die Projektanten nochmal fällig. Und das alles nur, weil die OB keine Führungsqualitäten besitzt und einen naiven und unerfahrenen Baureferenten gewähren lässt, der noch nicht einmal einen Architektenvertrag richtig kündigen kann.“
Hinzu kommen noch die Kosten für den geschassten Architekten, dem wohl das volle Honorar für seine vertraglich vereinbarten Leistungen zusteht. Der Insider geht von Mehrkosten für den Steuerzahler in Höhe von 10 bis 20 Millionen Euro aus, alleine für die Architekten-Posse. Ursprünglich waren für die Sanierung des Staatstheaters in Augsburg im Jahr 2016 einmal 186 Millionen Euro veranschlagt worden. Die zuletzt kolportierte Kostenschätzung ging bereits von 420 Millionen Euro aus – noch ohne die Honorare für den neuen Architekten und der gegebenenfalls benötigten Projektanten sowie der Auszahlung des fristlos gekündigten Architekten.
OB Weber auch CSU-intern heftig umstritten
Was bei der ganzen Sache noch auffällt: Die „Augsburger Allgemeine“ als quasi Print-Monopolist in der Fuggerstadt und eine Art inoffizielles Mitteilungsblatt des Rathauses schlägt um die Architekten-Posse rund ums Staatstheater einen großen Bogen. Berichtet wird über das Millionen-Desaster, wenn überhaupt, augenscheinlich nur hinter der Bezahlschranke, das politische Dilettantentum rund um die wohl ohne Vollmacht ausgesprochene fristlose Kündigung kommt dabei überhaupt nicht zur Sprache – ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Denn: Am 8. März 2026 steht in Augsburg die nächste OB-Wahl an. Und die CSU muss dabei – wohl oder übel – erneut Eva Weber ins Rennen schicken. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls nach der Nominierungsversammlung auf, die Mitte Mai stattgefunden hat. Ohne Gegenkandidaten brachte es Eva Weber dabei gerade einmal auf 72 Prozent Zustimmung, 80 der 111 anwesenden Delegierten hatten sich für die Amtsinhaberin als erneute Kandidatin ausgesprochen – ein vernichtend schlechtes Ergebnis!
Aber auch hier leisteten die Kollegen der „Augsburger Allgemeinen“ der politisch offensichtlich schwer angeschlagenen OB noch Schützenhilfe und hübschten den Wert mit 77,7 Prozent zumindest noch etwas auf, indem sie 8 (wohl absichtlich) ungültige Stimmen als „neutral“ werteten. Und wenn Eva Weber in dieser Situation eines ganz sicher nicht gebrauchen kann, dann ist das jetzt auch noch schlechte Presse zum von ihr in weiten Teilen mitzuverantwortenden Schildbürgerstreich im Staatstheater.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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