Thailand im politischen Chaos: Das Verfassungsgericht in Bangkok hat Ministerpräsident Srettha Thavisin im Rahmen einer Klage von Dutzenden Senatoren des Amtes enthoben. Mit fünf zu vier Stimmen sprachen sich die Richter am Nachmittag (Ortszeit) für eine Amtsenthebung des 62-Jährigen aus. Das Urteil, das im ganzen Land mit Spannung erwartet wurde, kam für viele politische Beobachter überraschend.
Die 40 Senatoren hatten Srettha vorgeworfen, mit der Ernennung des Politikers Pichit Chuenban zum Minister gegen die Vorschriften verstoßen zu haben – denn dieser ist vorbestraft. Pichit war 2008 wegen Missachtung des Gerichts im Rahmen eines Bestechungsskandals zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er war bereits im Mai im Zuge des zunehmenden juristischen Drucks zurückgetreten.
Srettha hatte politischen Beobachtern zufolge in seiner Verteidigung argumentiert, dass die Ernennung von Pichit gesetzeskonform gewesen sei, unter anderem auch, weil er zuvor Rechtsberatung eingeholt habe. Dennoch entschied das Gericht, der Regierungschef habe gegen die ethischen Regeln verstoßen.
Zur Urteilsverkündung war Srettha nicht selbst erschienen – er nahm andere Termine wahr. Beobachtern zufolge hatte er auch für die kommenden Wochen viele Termine festgemacht und offenbar nicht mit dem Urteil gerechnet. Vor Journalisten sagte er, er werde die Entscheidung des Gerichts akzeptieren, auch wenn er auf ein anderes Urteil gehofft habe. Er hoffe zudem, dass Thailand politisch stabil bleibe, fügte er hinzu.
Wie geht es weiter?
Nun wird in einem ersten Schritt eine Übergangsregierung gebildet, voraussichtlich unter Führung von Vize-Premier Phumtham Wechayachai, wie die Zeitung «Bangkok Post» berichtete. Dann muss das Parlament schnell einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Als möglicher Nachfolger wird Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul gehandelt, der Vorsitzende der Bhumjaithai-Partei. Auch Paetongtarn Shinawatra, Chefin der Regierungspartei Pheu Thai, werden Chancen eingeräumt.
Die 37-Jährige ist die Tochter des früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, der seit 2008 im selbst auferlegten Exil war. Erst im August vergangenen Jahres kehrte der Milliardär nach Thailand zurück. Thaksin, dem juristische Probleme nicht neu sind, muss ebenfalls wieder vor Gericht: Im Juni wurde er wegen Majestätsbeleidigung angeklagt.
Staatsstreiche und Straßenproteste
Bei der Bevölkerung war Srettha recht unbeliebt: Der Großteil der Thais äußerte sich unzufrieden mit der Leistung seiner Regierung, wie eine Umfrage im Juni ergab. Dabei ging es etwa um die schwache Wirtschaftsleistung des Schwellenlandes und die hohe Verschuldung privater Haushalte.
Es sind erneut politisch unruhige Zeiten in dem Königreich, wo es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Staatsstreiche, Militärregierungen und Straßenproteste der Demokratiebewegung gab. Erst in der vergangenen Woche hatte das Verfassungsgericht auf Druck konservativer Kräfte die Auflösung der progressiven Move Forward-Partei (MFP) angeordnet.
Wahlsieger musste in die Opposition
Grund war, dass die stärkste Oppositionspartei aus Sicht der Richter mit der von ihr angestrebten Entschärfung des Gesetzes zur Majestätsbeleidigung die Monarchie gefährde. Der einstige Spitzenkandidat Pita Limjaroenrat und weitere führende Mitglieder dürfen in den kommenden zehn Jahren keine politischen Ämter ausüben.
Move Forward hatte im Mai 2023 die Parlamentswahl klar gewonnen, kam aber dennoch nicht an die Macht. Nach monatelangen politischen Wirren wurde Spitzenkandidat Pita schließlich vom früheren Bündnispartner Pheu Thai und deren Kandidat Srettha ausgebootet. Er wurde im August vergangenen Jahres zum Regierungschef gewählt und war seit September im Amt. Nun geht die schwierige Suche nach einem mehrheitsfähigen Regierungschef von vorne los.
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