Die islamistische Hamas hat im Gazastreifen vier weitere Geiseln freigelassen. Die vier jungen Soldatinnen wurden am Vormittag an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben und kurz darauf von israelischen Soldaten in ihre Heimat gebracht. Es handelt sich um Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa, sie sind zwischen 19 und 20 Jahre alt. Islamistische Terroristen hatten die vier am 7. Oktober 2023 während des Überfalls der Hamas auf Israel mit rund 1200 Toten entführt.
Die Frauen wurden von einer Spezialeinheit der Armee nach Israel gebracht. Sie sollten zunächst ärztlich untersucht und auch direkt ihre Eltern treffen. Anschließend war die Weiterfahrt in eine Klinik bei Tel Aviv geplant, wo weitere Angehörige warteten.
Die Familie Levys erklärte noch vor dem Wiedersehen mit der 20-Jährigen, sie sei «überglücklich und tief bewegt». «Unsere Herzen sind bei den Familien, die noch auf ihre Liebsten warten», fügten sie hinzu.
Noch Dutzende in Geiseln in Gaza
Die Freilassung erfolgt im Rahmen einer sechswöchigen Waffenruhe-Vereinbarung, die Sonntag in Kraft getreten ist. Schon vor knapp einer Woche hatte die Hamas drei verschleppte Zivilistinnen freigelassen. Die nun freigelassenen Soldatinnen sind damit die zweite Geisel-Gruppe, die freikommt. Im Gazastreifen werden nun noch 90 aus Israel Entführte festgehalten, davon sind israelischen Angaben zufolge mehr als 30 für tot erklärt worden.
In den kommenden Wochen, der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens, sollen noch weitere 26 Geiseln freigelassen werden. Laut der Nachrichtenseite ynet dürften acht von ihnen nicht mehr am Leben sein.
Das Abkommen sieht vor, dass Israel für jede Soldatin 50 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlässt, darunter 30 Personen, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen. Insgesamt sollen im Austausch für die Frauen also 200 palästinensische Häftlinge freikommen. Einige werden gemäß dem Abkommen wegen ihrer schweren Straftaten ins Ausland gebracht.
Martialischer Hamas-Auftritt – Geiseln lächelten bei Freilassung
Bewaffnete und maskierte Hamas-Kämpfer übergaben die vier lächelnden Soldatinnen auf einem Platz in der Stadt Gaza an Rotkreuz-Vertreter. Ehe sie in Fahrzeuge des Roten Kreuzes stiegen, wurden sie auf eine Bühne geführt, um dort der Menge zu winken. Ob die Frauen aus freien Stücken oder unter Drohungen handelten, war unklar. Nach wenigen Minuten verließ der Konvoi den Platz.
Jubel in Tel Aviv – aber auch Enttäuschung von Angehörigen
In Tel Aviv warteten zahlreiche Menschen auf die Nachricht über die Freilassung der Geiseln. Jubel brach aus, als die lang erwartete Nachricht eintraf. Viele der Versammelten trugen T-Shirts mit der Aufschrift «Ihr seid nicht allein» – auch eine Botschaft an die verbleibenden Geiseln im Gazastreifen.
In die Freude über die Freilassung der vier Soldatinnen mischte sich bei betroffenen Familien aber auch Enttäuschung, auf die eigenen Angehörigen noch länger warten zu müssen. Die Zeitung «Haaretz» zitierte aus einem Schreiben der Familie Bibas, ihre Welt sei zusammengebrochen, als bei der Veröffentlichung der Namen der freizulassenden Geiseln nicht Schiri Bibas und ihre beiden kleinen Söhne aufgeführt gewesen seien.
Armeesprecher drängt aus Rückkehr ziviler Geiseln
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari pochte in einer Ansprache auf die Rückkehr der Familie, die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sowie einer weiteren Zivilistin, die Berichten zufolge ebenfalls deutsche Staatsbürgerin ist. Die Hamas habe gegen die Vereinbarung verstoßen, indem sie zunächst die Soldatinnen freiließ, sagte er. Man sei in großer Sorge um die Familie mit den beiden kleinen Jungen.
«Die israelische Regierung begrüßt die vier Rückkehrer», teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einer ersten Stellungnahme mit.
Noch 90 israelische Geiseln im Gazastreifen
In einer Woche sollen zunächst drei weitere Entführte freikommen. Im Gegenzug war vereinbart worden, dass Israel für die insgesamt 33 Geiseln 1.904 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlässt.
In den kommenden Wochen ist zudem geplant, dass die Hamas und Israel über weitere Schritte verhandeln. Ziel ist der vollständige Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen und die Freilassung der letzten verbliebenen Geiseln. Sollte beide Seiten keine Einigung erzielen, könnten der Krieg weitergehen.
Der Gaza-Krieg war nach dem Überfall der Hamas und anderer terroristischer Gruppen auf Israel im Oktober 2023 mit rund 1200 Toten und mehr als 250 aus Israel Entführten ausgebrochen. Große Teile des von den Palästinensern bewohnten Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 47.000 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.
Im Zuge einer vorübergehenden Waffenruhe Ende November 2023 hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entließ Israel damals 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen.
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