Der Bundespräsident erwartet den Abschlussbericht einer „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“. Steinmeier hat die Schirmherrschaft übernommen.
Die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ wurde 2024 von Julia Jäkel (Gruner & Jahr, Bertelsmann), Peer Steinbrück (SPD), Thomas de Maizière (CDU) und Andreas Voßkuhle (ehemaliger Richter Bundesverfassungsgericht) gegründet, mit dem erklärten Ziel, die Effizienz und Bürgernähe der deutschen Verwaltung zu stärken.
Weitere fünfzig ausgewählte Personen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft erarbeiten konkrete Vorschläge, die staatliche Strukturen zukunftsfähig gestalten sollen. Ein Zwischenbericht wurde bereits vorgelegt, der Abschlussbericht soll in diesen Tagen erscheinen. Die Initiative wird von vier Stiftungen (Hertie, Fritz Thyssen, Mercator, Zeit-Stiftung Bucerius) finanziert.
Im Zwischenbericht März 2025 hieß es unter anderem:
„Seit Russlands Angriff auf die Ukraine herrscht Krieg in Europa und sind auch wir Deutschen erstmals wieder militärisch bedroht.“
Der Bericht soll den Kriegsvorbereitungen der Bundesregierung demnach einen Expertenanstrich geben. Natürlich wird Deutschland grundsätzlich nicht militärisch von Russland bedroht. Diese Bedrohung entsteht bzw. wächst allenfalls mit einer Bedrohung Deutschlands gegen Russland, die mit der Quantität und Qualität der Waffenlieferungen und Milliardenzahlungen an die Ukraine zusammenhängt versus diplomatischer Bemühungen.
Die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ wünscht im Zwischenbericht für Deutschland „ein Konzept für eine Gesamtverteidigung, für die militärische wie die zivile“. Unsere derzeitige Verfassungslage erlaube eine solche Gesamtverteidigung nicht, heißt es. Das müsse sich ändern.
Die konkreten Vorschläge dieser „Experten“ unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten:
„Die Voraussetzungen für einen Einsatz der Bundeswehr – im Wesentlichen bisher nur aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hergeleitet – werden im Grundgesetz verankert. Für den Katastrophenfall wird unter strengen Voraussetzungen ein hoheitlicher Einsatz der Bundeswehr im Innern ermöglicht. Militärische und zivile Verwaltung werden zusammengeführt und integriert.“
Ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist allerdings aus gutem Grund in der Bundesrepublik nicht vorgesehen. Artikel 87a des Grundgesetzes beschränkt den Einsatz der Bundeswehr grundsätzlich auf die Landesverteidigung. Und Artikel 35 GG regelt, dass die Bundeswehr bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Amtshilfe leisten darf, jedoch nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.
Warum soll sich das jetzt ändern und was hat der Russe damit zu tun? Wofür braucht die Bundesregierung zukünftig Militär im Inneren und was könnte hier die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden? Der Unwille der Bevölkerung, alles zu opfern, um einen Krieg gegen Russland zu führen, der nicht unser Krieg ist?
Im Zwischenbericht heißt es weiter:
„Im Angriffsfall muss der Staat vorbereitet und die Bevölkerung willens und in der Lage sein, die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bündnispartner mit Waffengewalt zu verteidigen.“
Und bist du nicht willens, so brauch ich Gewalt?
Diese Bereitschaft, so der Bericht weiter, sei immer noch die beste Gewähr dafür, dass es erst gar nicht zu einem Ernstfall kommen müsse.
Und weiter:
„Für eine Gesamtverteidigung muss die militärische Verteidigung durch die zivile Verteidigung unterstützt werden.“
Was braut sich da zusammen? Was lässt sich die Bundesregierung hier von „überparteilichen Experten“ vorbereiten?
Vor wenigen Tagen versandte der Bundespräsident eine Pressemeldung zum kommenden Abschlussbericht. Dieser soll am 14. Juli im Schloss Bellevue vorgestellt und diskutiert werden.
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Acht Monate sei intensiv und in sieben thematischen Gruppen an dem Bericht gearbeitet worden. Dabei herausgekommen seien „konkrete Empfehlungen für die Politik“ als „Antwort auf zunehmende Zweifel an der Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen“.
Das erinnert an moderne Ideen beratender Räte. Aber wie demokratisch ist das gedacht? Die Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen ist immer Ergebnis der Leistungsfähigkeit der Politik. Es ist sogar ihre erste Aufgabe. Wenn der Bürger meint, der Staat funktioniert nicht gut, dann wählt er eine neue Regierung. Nur eine Regierung, die sich nicht abwählen lassen will, schiebt sogenannte Experten vor, die sie selbst ernennt und sich dann noch von regierungsnahen Stiftungen finanzieren lässt.
Was hier mit dem Segen der Regierung und des Bundespräsidenten passiert, ist eine Aushöhlung der Demokratie und eine verkappte Mobilmachung durch sogenannte Experten.
Im Schloss Bellevue soll dann Baden-Württemberg grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt darüber diskutieren, wie die Ergebnisse der Initiative auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene umgesetzt werden können. Die Journalistin Pinar Atalay moderiert die Debatte.
Und der Bundespräsident erklärt in seiner Pressemeldung auch gleich, was er sich wünscht, dass mit diesen Vorschlägen passieren soll:
„Der Zwischenbericht der Initiative, der im März 2025 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hat bereits Eingang in das Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung gefunden: Das neu gegründete Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) war eine zentrale Empfehlung, daneben finden sich viele weitere der Empfehlungen im Koalitionsvertrag.“
Nochmal zusammengefasst: Private regierungsnahe Stiftungen finanzieren eine Gruppe von „Experten“, die unter anderem den Einsatz der Bundeswehr im Inneren für erforderlich erklären und eine militärische Bedrohung durch Russland behaupten.
Der Bundespräsident legitimiert das alles im Schloss Bellevue, der Bundestag bleibt hier außen vor. Trotzdem finden diese privatfinanzierten Vorschläge Einzug in die Politik.
Das ist ein Skandal. Und dieses Vorgehen ist geeignet, die Demokratie auszuhöhlen. Denn die Möglichkeit einer Expertengruppenanhörung auch ohne Stiftungsfinanzierung ist jederzeit auch im Bundestag möglich: Eine Anhörung, bei der Sachverständige, Interessenvertreter oder andere Auskunftspersonen zu einem bestimmten Thema gehört werden, um den Bundestag bei seiner Arbeit, insbesondere bei der Gesetzgebung, zu unterstützen.
Irgendwelche Stiftungen können auf ihrer Ebene erarbeiten, was sie wollen, und es dann auf ihren Webseiten veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Der Bundespräsident hat dabei nichts verloren. Das zentrale gesetzgebende Organ der Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin der Bundestag und nicht die Hertie-Stiftung mit ein paar abgehalfterten Ex-Politstars.
Besonders die Pläne für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren und die Betonung einer militärischen Bedrohung durch Russland erfordern eine transparente, demokratische Debatte im Bundestag. Nur durch offene Diskussion und die Einbindung der gewählten Volksvertretung kann sichergestellt werden, dass Reformen im Sinne der Bürger und im Einklang mit der Verfassung umgesetzt werden, ohne die demokratischen Grundprinzipien zu gefährden.
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Author:
Alexander Wallasch