• 8. März 2025

Schuldenbremse und Migration: Wenn Demokratie zum Glücksspiel wird

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März 6, 2025

Von Kai Rebmann

„Entscheidungen über Einreisen von Afghanen sollten der neuen Bundesregierung obliegen.“ Mit diesem Satz forderte Andrea Lindholz (CSU), stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, die Aussetzung des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanen, einem der Lieblingsprojekte der scheidenden Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Richtig so!

Gleichzeitig ist es aber auch ein Satz voller Widersprüche, der viel über das Demokratieverständnis, das Machtstreben des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) und die Doppelmoral innerhalb der Union sagt. Denn Abstimmung über die historische Aufnahme von als „Sondervermögen“ oder „Finanzpaket“ umetikettierten Schulden in Milliarden-, wenn nicht gar Billionenhöhe soll noch im alten, de facto abgewählten Bundestag erfolgen.

Das schlichte Kalkül dahinter: Im neuen Bundestag, der sich Ende März konstituieren wird, könnten Union und SPD die Schuldenbremse nicht mehr aushebeln. Für die Pläne, die unser Land und seine Bürger über Generationen hinweg belasten werden, ist eine Änderung des Grundgesetzes und damit eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig. Letzteres würde aller Voraussicht nach an AfD und Linken scheitern. Deshalb soll die Schuldenbremse also im alten, de facto abgewählten Parlament ausgehebelt werden; und das noch dazu im Schweinsgalopp. Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, bezeichnet dies als einen „politischen Affront“ gegenüber den Wählern.

Kampfansage an Demokratie – weil AfD und Linke zu stark sind

Damit entlarvt die Union aber auch ihr eigenes Framing gegen die AfD. Jede Stimme für Blau sei eine verschenkte Stimme, so propagierte es Friedrich Merz im Wahlkampf immer wieder, da mit der AfD ohnehin niemand koalieren, ja nicht einmal zusammenarbeiten werde. Ganz davon abgesehen, wie es aus demokratischer Sicht zu bewerten ist, dass Millionen von Wählerstimmen aus rein parteipolitischen Interessen von vorneherein ignoriert werden, beweist der aktuelle Winkelzug das Gegenteil. Jede Stimme für die AfD – oder jede andere Partei in der Opposition – zählt, und sei es „nur“ um auf wichtige Sperrminoritäten zu kommen und ein Durchregieren des politischen Establishments nach Gutsherrenart zu unterbinden.

Damit die Aufnahme neuer Rekord-Schulden am Ende nicht noch an den Grünen oder im Bundesrat scheitert, wo ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, werden die schon jetzt kolportierten 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und ein nach oben offener Topf für Verteidigung („Whatever it takes“, O-Ton Friedrich Merz) nicht ausreichen. So stellte Anton Hofreiter gegenüber der „Pforzheimer Zeitung“ bereits klar, dass es eine Zustimmung seiner Partei nur unter bestimmten Bedingungen geben wird: „Für uns Grüne ist es entscheidend, dass es mehr Geld für den Klimaschutz gibt.“

Haben die Koalitionäre mit ihrer Lizenz zum Gelddrucken also unversehens die Büchse der Schulden-Pandora geöffnet und machen künftige Bundeshaushalte zum Selbstbedienungsladen für Jedermann? Gerade im Hinblick auf die Klima-Politik ist immer wieder von der viel zitierten „Generationengerechtigkeit“ die Rede. Soll diese moralische Verantwortung unseren Kindern und Kindeskindern gegenüber ausschließlich beim Klima gelten, nicht aber bei heute gemachten Schulden, die bekanntermaßen die Steuern von morgen sind?

Völlig unklar ist zudem, ob eine wie auch immer geartete „Reform“ der Schuldenbremse – soll hier das Wort „Abschaffung“ vermieden werden? – auch vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen würde. Karlsruhe hat hier in der Vergangenheit sehr hohe Hürden aufgestellt, was insbesondere dann immer noch gelten dürfte, wenn Schulden ohne Limit aufgenommen werden sollen, wie es Union und SPD bei der Verteidigung planen.

‚Union gewinnt Wahlen, SPD bestimmt den Kurs‘

Oder stellen sich CDU und CSU bereits die Frage, welches Versprechen in zentralen Fragen sie als Nächstes brechen wollen? Erst das Zurückrudern bei der Migration, jetzt das Entgegenrennen auf die SPD bei der Schuldenbremse. Beides sind Punkte, die die Union ohne Not schon vor Aufnahme offizieller Koalitionsgespräche als potenzielle Verhandlungsmasse abgegeben hat.

Denn klar ist: Der Bruch zwischen Washington und Kiew, der jetzt als Grund für diesen fatalen Aktionismus herhalten muss, kam erstens nicht gänzlich unvorhersehbar und stellt deshalb – zweitens – auch keine grundsätzliche Änderung der Weltlage dar. Vielmehr erinnert das Ganze an die Rhetorik der Ampel, die den Ukraine-Krieg von desolater Wirtschaft über horrende Energiepreise bis hin zu schwindender Sicherheit für Europa für so ziemlich alles verantwortlich gemacht hat, das in den letzten dreieinhalb Jahren aus dem Ruder gelaufen ist.

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des parteinahen Wirtschaftsrats der CDU, reibt sich angesichts der bisherigen Strategie von Merz, Söder und Co verwundert die Augen: „Die Union gewinnt die Wahlen, die SPD bestimmt den Kurs der Verhandlungen.“

Dabei kann auch das nicht wirklich überraschen. Schließlich sind die Sozialdemokraten die einzige Braut, die für die Union auf dem Markt ist, und die wird sich dann naturgemäß dementsprechend teuer anbieten. Wer sich im Wahlkampf selbst als Partei „Rechts der Mitte“ inszeniert, sich dann aber einer satten bürgerlich-konservativen Regierungsoption verweigert, der darf sich nicht wundern, wenn er zwar als Kanzler, letztlich aber doch als Bettvorleger rot-grüner Politik endet – und spätestens bei der nächsten Bundestagswahl dafür abgestraft wird.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock

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