Der Markt mit seinen fast 150 Millionen Bürgern sei viel zu interessant, um sich auf Dauer zu verabschieden, sagte der Russland-Experte des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Vasily Astrov, der Deutschen Presse-Agentur.
Gerade für deutsche Autokonzerne, die bis 2022 in Russland Fabriken betrieben hätten, böte sich das an. „Aktuell stammt in Russland die Hälfte aller Neuwagen aus China“, sagt Astrov. Neben deutschen Marken wie VW DE0007664039, Mercedes-Benz DE0007100000 und BMW DE0005190003 hatten auch Hersteller aus Frankreich, Japan und Südkorea erhebliche Marktanteile.
Die Geschäfte des Westens mit Moskau scheinen vielfach auf Eis zu liegen. Sanktionen sind das beherrschende Thema. Aber bei den aktuellen Kontakten zwischen den USA und Russland spielt die Wiederherstellung wirtschaftlicher Beziehung eine wesentliche Rolle.
Viele Unternehmen sind in Russland geblieben
Die Zahl der Firmen, die Russland wegen des Kriegs und der Sanktionen verlassen hätten, werde meist überschätzt, so der Experte. Nur zwölf Prozent der vor dem Ukraine-Krieg in Russland tätigen ausländischen Firmen hätten das Land komplett verlassen. Das gelte vor allem für manche große Konzerne. „Die mittelständischen Unternehmen sind eher geblieben, machen davon aber wenig Aufhebens“, sagte Astrov.
Zu bedenken sei dabei, dass Russland den Abschied ausländischer Firmen schon bald erschwert und spätestens seit Herbst 2024 weitere besonders hohe Hürden eingeführt habe. Auch für die etwaige Rückkehr deuteten sich nun Bedingungen seitens Moskau an.
Die wirtschaftlichen Aussichten Russlands, das bisher den Schaden westlicher Sanktionen begrenzen konnte, sieht der Ökonom zwiespältig. „Die globale grüne Energiewende ist natürlich eine schlechte Nachricht für Russland“, sagt der Fachmann mit Blick auf die große Abhängigkeit des Landes von Einnahmen durch Öl- und Gasexporte.
Fachkräfte fehlen in Russland
Auch die massenhafte Abwanderung besonders qualifizierter Fachkräfte gerade aus dem IT-Bereich sei eine Hypothek. Von den schätzungsweise eine Million Fachleuten, die aus Angst vor Repressionen und Einberufung zum Militär das Land verlassen hätten, sei zwar ein Teil inzwischen wieder zurückgekehrt. „Aber es fehlen weiter Hunderttausende“, sagte Astrov.
Eine Industriepolitik – wie zum Beispiel durch Förderung bestimmter Branchen – betreibe Moskau seit Jahrzehnten eher wenig erfolgreich. Wichtiger konjunktureller Impuls sei der Konsum. Die Löhne seien 2024 real um neun Prozent gestiegen. Russland, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, könne schon allein durch den Binnenmarkt wachsen, erläuterte Astrov.
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