• 8. Dezember 2024

Recht als subjektive Befindlichkeit: „Dummes Gelaber einer total verzogenen Tussi“

ByMichael Klein

Nov 20, 2024

§ 185 des Strafgesetzbuches stellt die „Beleidigung“ unter Strafe.
Beleidigung ist ein Antragsdelikt, d.h. ein Staatsanwalt wird, wenn ihm eine Beleidigung bekannt wird, nicht von sich aus tätig, sondern nur dann, wenn der vermeintlich Beleidigte einen Strafantrag stellt.
Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass jede Aussage, die eine Beleidigung darstellen KANN, ein Werturteil, eine Meinung über eine bestimmte Person zum Ausdruck bringt.

Strafbar ist diese Meinung nur dann, wenn die beleidigende Aussage einzig und allein getroffen wurde, um das Zielobjekt der Beleidigung herabzuwürdigen.

Geschützt werden soll somit die Ehre dessen, der beleidigt wurde.

Eine Strafbarkeit setzt somit voraus:

  • dass es eine schützenswerte Ehre gibt;
  • dass eine Aussage einzig und allein getroffen wurde, um herabzuwürdigen;
  • dass ein Strafantrag des Adressaten der vermeintlich herabwürdigenden Aussage vorliegt;

Das war der Trockenkurs, nun zur Anwendung.
NIUS berichtet vom Fall eines Bayern, der vor dem Amtsgericht Miesbach zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 40 Euro (per Strafbefehl) verurteilt wurde, weil er Luisa Neubauer beleidigt haben soll:

Nach Ansicht des Amtsgerichts liegt die Strafbarkeit vor, weil der Bayer seinen Kommentar auf Instagram mit der Absicht veröffentlich habe, seine „Missachtung gegenüber der Geschädigten Neubauer kundzutun“, eine juristische Floskel ohne sonderlichen Wert, die die Tautologie vieler Gerichtsurteile auf die Spitze treibt: Sie werden wegen Beleidigung verurteilt, WEIL sie jemanden beleidigt haben. Indes, zu klären wäre, ob eine Aussage, die von einem Beleidigten als Beleidigung aufgefasst wurde, auch eine strafbare Beleidigung darstellt, ob sie getätigt wurde, um jemanden herabzuwürdigen und deshalb eine Verurteilung zum Schutz der Ehre des Beleidigten notwendig wird.

Die getätigte Aussage „dummes Gelaber einer verzogenen Tussi“ ist eine jener Aussagen, bei denen man wünschte, Richter würden entweder vor Lachen vom Stuhl fallen oder mit dem gebotenen Ernst einem Staatsanwalt empfehlen, seinen BS in Zukunft zu lassen, um Richtern nicht noch mehr Zeit mit derartigen Lappalien zu rauben. Dies nicht nur vor dem Hintergrund, dass private Auseinandersetzungen auch dann, wenn sie aufgrund der Tatsache, dass sich eine Person in der Öffentlichkeit zu exponieren können glaubt, öffentlich oder doch zumindest semi-öffentlich auf einem privaten, aber öffentlich einsehbaren Instagram Account geführt werden, keinen Gegenstand der Beurteilung in einem öffentlichen Gericht darstellen. Man könnte eigentlich den Paragraphen 185 StGB ersatzlos streichen, zumal er – wie sich zeigt – von Pflänzchen, die sich öffentlich inszenieren wollen, aber die Schattenseiten, die mit der Rolle als öffentliche Person einhergehen, nicht ertragen können, missbraucht wird, um die eigenen Empfindlichkeiten dadurch zu heilen, dass sie sich an Papa oder Mama Richter wenden, damit er das ihnen getane vermeintliche Unrecht heilt und den Bösen ganz arg auf die Finger haut.

Leider lassen sich Richter zunehmend für diese infantilen Versuche, die eigene Nichteignung für öffentliche Positionen im Rechtszug zu heilen, missbrauchen. Das ist das erste, was beendet werden muss.

Das zweite, wenn das erste nicht erfolgt, ist das Unterlassen einer Verurteilung von Bürgern wegen Beleidigung einfach nur deshalb, weil sich jemand beleidigt fühlt. Worte haben eine intersubjektiv mitteilbare Bedeutung, auf deren Grundlage man entscheiden kann, ob eine Aussage darauf abzielt, den Adressaten herabzuwürdigen oder ob sie vielleicht sogar lehrreich ist, der Adressat aufgrund dieser Aussage LERNEN könnte, wie er auf andere Menschen wirkt und auch dann noch wirken wird, wenn er manchen davon mit Hilfe von Papa oder Mama Richter eine Geldstrafe zugefügt hat. Die Geldstrafe wird nichts daran ändern, dass der Verurteilte und viele andere genau das denken, was Anlass der Verurteilung war, ein Umstand, der normalerweise bei Menschen dazu führt, dass sie sich überlegen, wie sie in den Augen anderer Menschen erscheinen wollen.

Indes, das narzisstische Zeitalter ist voller kleiner Prinzen und Prinzessinen, voller fragiler Persönchen, die ihren vollständigen Selbstwert aus der irrigen Ansicht beziehen, sie seien wer, seien ein großer „Wer“, dem man nicht mit kritischen oder gar deutlichen Aussagen, die einen Informationsgehalt dahin tragen, wie er wirkt, begegnen dürfe, ist das ausgeschlossen.

SciFi-Support

Auch ScienceFiles muss finanziert werden.

Und es wird, angesichts stetig steigender Kosten, immer schwieriger, ScienceFiles zu finanzieren.

HELFEN Sie uns bitte dabei, den Laden am Laufen zu halten!

Es gibt drei Möglichkeiten, uns zu unterstützen:

Weitere Informationen finden Sie hier:

ScienceFiles-Unterstützung

Bei allen Unterstützern bedanken wir uns bereits an dieser Stelle sehr HERZLICH!

Dabei wäre so viel zu lernen.
„Dummes Gelaber“ – sicher keine positive Bewertung für das, was Neubauer satzweise von sich gibt, und doch eine Rückmeldung, die dazu dienen kann, das eigene Gelaber auf seinen Inhalt zu prüfen, sich zu überlegen, ob man nicht vielleicht doch Blödsinn erzählt hat, und wenn man sich für noch so intelligent hält, obschon man keinerlei Lebenserfahrung, geschweige denn Berufserfahrung aufzuweisen hat, der die Bedeutung und Kompetenz zu entnehmen wäre, die sich Leute wie Neubauer selbst zuschreiben:

„Im Wintersemester 2015 begann sie ein Studium der Geographie an der Georg-August-Universität Göttingen. Sie absolvierte ein Auslandssemester am University College London und erhielt ein Deutschlandstipendium sowie ein Stipendium der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Im Sommersemester 2020 schloss sie dieses Studium mit dem Bachelor of Science ab. Anschließend begann sie den Masterstudiengang Geographie: Ressourcenanalyse und -management an der Georg-August-Universität Göttingen.

Früher waren sich – auch wir waren einmal jung – junge Menschen darüber bewusst, dass das Verhältnis zwischen dem, was sie wissen und dem, was sie nicht wissen, massiv in Richtung des Zweiteren verschoben ist. Deshalb war jede Möglichkeit, zu lernen und für diejenigen, die versucht haben, als öffentlich sichtbarer Akteur Fuss zu fassen, jede Rückmeldung von Dritten dazu, wie man wirkt, so wichtig. Heute sind die Prinzen und Prinzessinen häufig schon ab Grundschule so unantastbare Persönlichkeiten, wie sie meinen, dass man keine Form der Kritik äußern darf, denn jede Form der Kritik zerstört die kleinen Persönchen, die zwar groß sein wollen, die Kosten, die damit einhergehen, aber schlicht nicht tragen können.

Die Aussage „verzogene Tussi“ ist eine Aussage, die – in den Worten von Erving Goffman, eine solche Diskrepanz zwischen einer Darstellung und deren Glaubwürdigkeit, dem, was man sein will und dem, was man ist, wie man auf andere wirkt, zum Ausdruck bringt. Wer darin keine lehrreiche Möglichkeit zur Selbstkorrektur oder doch zumindest Selbstreflexion, ist Reflexion nicht so furchtbar wichtig für Linke?, sieht, der hat offenkundig ein Stadium narzisstischer Einsamkeit, vielleicht auch Selbstherrlichkeit, wobei zwischen beiden nur wenig Unterschied besteht, erreicht, das die Grenze zur Soziopathie zumindest streichelt, von welcher Seite auch immer.

Hinzu kommt, dass manche Worte sich bei näherer Betrachtung dann, wenn man sie in ihrer Bedeutung analysiert, als peinlich herausstellen können, für diejenigen, die darin eine Beleidigung erblicken. So definiert der Duden „Tussi“ als a) eine auf ihr Äußeres sehr bedachte, oberflächliche, selbstbezogene [weibliche] Person oder b) als weibliche Person, mit der ein Mann befreundet ist.

Offenkundig ist es für Neubauer eine Beleidigung, wenn man denkt, sie sei auf ihr Äußeres bedacht bzw. selbstbezogen. Oberflächlichkeit ist nicht positiv bewertet, aber keine Bewertung, sondern eine Beschreibung, die sich bei Leuten, die durch die Welt jetten, um die Welt vor Leuten, die in Urlaub jetten wollen, zu retten, durchaus aufdrängen kann, im Hinblick auf die Unernsthaftigkeit, die generell mit Oberflächlichkeit verbunden ist. Und obschon wir in einem anti-heterosexuellen Zeitalter leben, ist es noch immer nicht so, dass die Tatsache, mit einem Mann befrundet zu sein, eine Beleidigung darstellt, obschon die Anzeige von Neubauer natürlich dahingehend gewertet werden kann, die entsprechende, ihr zugeschriebene Verbindung als eine Art der Beleidigung anzusehen.

Das, indes, ist egal, denn bei der Frage, ob eine Aussage eine strafbare Beleidigung darstellt oder nicht, ist einzig relevant, wie eine Aussage von Dritten aufgefasst werden kann, nicht, ob sich der Adressat dadurch furchtbar verletzt FÜHLT. Wir haben nun in vielen Worten dargestellt, dass die Aussage „dummes Gelaber einer verzogenen Tussi“ als lehrreiche Botschaft, an der man wachsen kann und darüber hinaus Hinweis gewertet werden kann, das eigene öffentliche Gehabe einer eingehenden Selbstkritik zu unterziehen, sofern man nicht im Stadium der unantastbaren Prinzessin verharren will…

Wie ein Richter in dieser Aussage eine Beleidigung erkennen kann, ist uns unnachvollziehbar, wäre uns nur nachvollziehbar, wenn es sich bei diesem Richter um eine „verzogene Tussi“ handelt, die per Urteil „dumm labert“.


Falls Sie unsere Arbeit unterstützen, und dafür sorgen wollen, dass bei ScienceFiles auch weiterhin das Rad rund läuft, dann kaufen Sie uns doch einen Kaffee:
Oder unterstützen Sie uns auf einem der folgenden Wege Unser herzlicher Dank ist Ihnen sicher! DENN: ScienceFiles lebt von Spenden. Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen, damit Sie uns auch morgen noch lesen können!


Wir haben drei sichere Spendenmöglichkeiten:

Donorbox

Unterstützen Sie ScienceFiles


Unsere eigene ScienceFiles-Spendenfunktion

Zum Spenden einfach klicken

Unser Spendenkonto bei Halifax:

ScienceFiles Spendenkonto: HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):

  • IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
  • BIC: HLFXGB21B24

Folgen Sie uns auf Telegram.


Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org


Print Friendly, PDF & Email

Zur Quelle wechseln
Author: Michael Klein
Michael Klein

Teile den Beitrag mit Freunden