Unter Freunden sollte es ganz normal sein, im besten Willen für den Anderen auch faire, rücksichtsvolle und wohlgemeinte Denkanstöße zu geben, ohne sogleich mit einem stets wehtuenden Ratschlag um die Ecke zu kommen. Ich bin als Journalist keinesfalls in der Position und Rolle, der AfD Tipps angedeihen zu lassen, wie sie sich in der Außendarstellung möglicherweise gewinnbringender darstellen könnte, als sie es momentan tut.
Von Dennis Riehle
Ich spreche vor allem als Privatmensch, der natürlich auch eine politische Präferenz besitzt, wenn er am entscheidenden Sonntag den Urnengang antritt. Und weil ich die Alternative für Deutschland derzeit als die einzige Option erachte, um tatsächlich zu einem programmatischen und ideologischen Kurswechsel zu gelangen, ist es mir auch nicht völlig egal, was diese Partei aus sich selbst macht. Als es in meiner Ausbildung um Marketing und Kundenbeziehungen ging, da tauchten immer wieder die hehren Tugenden von Authentizität, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit auf. Sie kann man nur dann garantieren, wenn man mit sich im Reinen ist – und nicht eine Baustelle nach der nächsten aufreißt, weil innerhalb der Gruppe ein neues Stöckchen zum Darüberspringen bereitgehalten wird.
Aber auch ein geschlossenes Bild ist für ein integres Auftreten von elementarer Bedeutung. Und so hadere ich im Augenblick mit dem Kurs von Alice Weidel und Tino Chrupalla, sich von den Gemäßigten und Liberalen in den eigenen Reihen treiben zu lassen. Es ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt, sich ausgerechnet im Wahlkampf mit strukturellen Veränderungen zu beschäftigen. Auch war es ein größtmöglicher Unfall, dass ein Papier über die Auflösung der bisherigen Nachwuchsorganisation und mit dem Bestreben zur Errichtung eines diesbezüglichen Ersatzes wohl voreilig an die Medien gelangte, ohne sich erst einmal intern entsprechend darüber abgestimmt zu haben. Doch an einer professionellen Kommunikation mangelt es allerdings nicht erst seit gestern. Man erinnere sich an einen ähnlich gelagerten Fall, als im Vorfeld zur Neubesetzung des Europäischen Parlaments Spitzenkandidat Maximilian Krah abgesägt wurde – und man sich von Marine Le Pen nötigen ließ, andere Vertreter als ihn nach Brüssel zu schicken, um sodann dem untadeligen Frontmann einen Dolchstoß zu versetzen. Damals schon war es ein Fehler, sich vor den Karren der Presse spannen zu lassen, die doch nur danach giert, irgendeinen Funken von Erosion zu verzeichnen, mit der man Souveränität und Einheit in Frage stellen könnte.
Da kursierte nicht völlig zu Unrecht die Vokabel des Verrats, welche man auch jetzt wieder anführen kann, sollte man sich provozieren lassen von der Etikettierung durch den Verfassungsschutz. Dieser sieht die Sprösslinge der JA als gesichert rechtsextremistisch an – im Bewusstsein darüber, dass ein Untersagen im halbwegs funktionierenden Rechtsstaat nicht so einfach möglich ist. Natürlich darf man mit dem Argument um die Ecke kommen, dass es mit Blick auf ein mögliches Verbot sinnvoll und zielführend sein könnte, die Jugend organisatorisch einzugliedern und enger zu binden. Ob es allerdings der angemessene Tonfall war, in diesem Kontext von „Durchgriffsrechten“ zu sprechen, bleibt letztlich dahingestellt. Schließlich sollte in einer Folgenabwägung immer auch bedacht werden, dass die woke Medienwelt in immanenter Zerstrittenheit ein gefundenes Fressen sieht, um die in ÖRR und Blätterwald ohnehin schon durch den Kakao gezogene Kraft gänzlich der Denunziation zu überlassen. Da hat es nicht nur einen faden Beigeschmack, wenn sich des Eindrucks kaum verwehren kann, als wolle man die folgende Generation nicht nur an die Leine nehmen, sondern ihr bisweilen auch einen Maulkorb zu verpassen.
Sie gelten manch einem Realo als zu radikal, wenngleich mit Vehemenz abgestritten wird, dass in diesem Zusammenhang noch immer ein Hauch von Jörg Meuthen weht, so kann man durchaus auf den Gedanken kommen, dass es in Wahrheit um einen Machtkampf der verschiedenen Strömungen und Lager geht, den man exemplarisch auch am Umgang mit dem beliebten Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich beobachten konnte. Er sollte von eher linksorientierten Granden abgesägt werden, weil er mit seinem patriotischen und identitären Geist seinen Konkurrenten aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband vermeintlich zu viel Aufmerksamkeit erlangte – und für seine Erfolge Zuspruch von der Basis erfuhr. Wieviel wird am Ende von einem Wettbewerber auf dem Tableau der Angebote aus Establishment und Zeitenwende übrig bleiben, schenkt man das Profil nur deshalb her, weil die Behörde ihres ehemaligen Präsidenten Thomas Haldenwang mit der in der Öffentlichkeit kaum noch ziehenden Anheftung einer völkisch-nationalistischen Gesinnung weitere Stellschrauben an die einzig ihren Namen verdienende Opposition anzuziehen versucht? Es droht eine Preisgabe von Profil und ein Verwaschen von Prinzipien, wie man es auch bei der Handhabung einer keinesfalls anrüchigen Vokabel namens „Remigration“ praktiziert.
Im Gesamtbild dominiert derzeit der Anschein eines bloßen Abklatsches der CDU, weil man sich aus Ekel vor einer allzu rechten Programmatik nicht nur in Distanz zu den Heimatliebenden von morgen verfängt, sondern auch skeptisch anzweifelt, ob es eine gelungene Idee ist, frontal zu den Mächtigen und Angepassten Stellung zu beziehen. Es ist also ein Ringen um das Hochhalten von Perfektion und Ideal einerseits, dem Erliegen des Reizes von Einfluss und Mitsprache andererseits. Verkauft man die Seele, um der Union eine vermeintliche Regierungsfähigkeit und Koalitionswilligkeit zu offerieren? Man geht ein profundes Risiko ein, tragende Säulen des gesamten Projekts zu verprellen – und das Fundament herzuschenken, welches doch eigentlich aus den Erfahrungen über Skandale und Affären in der Vergangenheit einen unantastbaren Stellenwert und den Kitt für das komplette Gefüge darstellt. Die Blaublüter müssen für sich entscheiden, ob sie ihre Maxima und Highlights zur Disposition stellen. Meiner Einschätzung nach wäre es eine vertane Chance, sich nach rund einer Dekade des Bestehens nun doch einer Charmeoffensive gegenüber der allzu vergänglichen Mitte hinzugeben.
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Author: Rasender Reporter
Journalistenwatch