• 26. Dezember 2024

Politischer Ausverkauf: Hinterzimmer-Deals statt Demokratie in Thüringen

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Dez 13, 2024

Es gibt politische Prozesse, die ihre eigene Ironie nicht nur unabsichtlich enthüllen, sondern sie förmlich in goldenen Lettern auf jede Wand projizieren. Der jüngste Vorgang in Thüringen – die Wahl von Mario Voigt zum Ministerpräsidenten mit der Unterstützung eines bizarren Parteienbündnisses – ist ein solcher Fall. Während demokratische Prinzipien in Sonntagsreden weiterhin gepriesen werden, liefert die Praxis ein groteskes Schauspiel von Hinterzimmerpolitik, Machtkalkül und geschichtsvergessenem Opportunismus.

Die Geburt des „Brandmauerblocks“

Im Thüringer Landtag, dem eigentlichen Hause der Volksvertretung, der sich nun offenbar eher als Agitationsbühne versteht, haben sich CDU, Linke, SPD und die neue Partei BSW zu einem Block zusammengeschlossen, der die AfD von jeglichem Einfluss fernhalten soll. Ein hehres Ziel, so zumindest wird es der Öffentlichkeit verkauft, doch der Weg dorthin ist gepflastert mit einer Verachtung für alles, was demokratische Transparenz und Integrität ausmacht.

Die Abstimmungsergebnisse sprechen für sich: 51 Stimmen für Voigt bei 88 Mandatsträgern. Damit war klar, dass die Mehrheit auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung zwischen den Fraktionen zustande kam. Man könnte meinen, solche Pakte seien die Essenz politischer Koalitionen. Doch dieses „3-plus-1-Format“, bei dem sich die Parteien regelmäßig treffen, um „Reformvorhaben“ zu besprechen, ist mehr als nur pragmatische Zusammenarbeit. Es ist eine Bankrotterklärung des sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU.

„Unsere Demokratie“ im Hinterzimmer

Die CDU hatte einst geschworen, niemals mit der Linkspartei, jener ideologischen Erbin der SED, zusammenzuarbeiten. Doch in Thüringen wurden diese Prinzipien kurzerhand geopfert. Die „Vereinbarung“, die keine sein darf, wird von Voigt als „Pflichtenheft“ beschönigt – ein Euphemismus, der an Orwellsche Sprachkunst grenzt. Damit hat die CDU den Boden der offenen parlamentarischen Debatte verlassen und sich in die kuschelige Dämmerung der Hinterzimmerpolitik zurückgezogen.

Die Linke darf bei wichtigen Reformvorhaben Vorschläge einbringen – ein Angebot, das weniger wie ein Gnadenakt und mehr wie eine Einladung zur ideologischen Bevormundung klingt. Gleichzeitig wird die AfD, die immerhin ein Drittel der Landtagssitze innehat, de facto aus dem demokratischen Prozess ausgeschlossen. Ob das Ziel die Stärkung der Demokratie oder deren Erosion ist, bleibt an dieser Stelle nur eine rhetorische Frage.

Stasi-Nostalgie und politische Amnesie

Doch die Absurditäten enden nicht bei den Verhandlungen über Reformvorhaben. Thüringen präsentiert sich auch personell als Mahnmal politischer Verkommenheit. Mit der Berufung von Tilo Kummer, eines ehemaligen Angehörigen des DDR-Staatssicherheitsdienstes, hat die CDU endgültig den moralischen Kompass verloren.

Kummer, der im Wachregiment Feliks Dzierzynski diente – einer Einheit, die nach einem der brutalsten Geheimdienstgründer der Geschichte benannt ist – symbolisiert die Macht der DDR-Diktatur. Dass eine Partei wie die CDU, die sich einst als Bollwerk gegen Sozialismus und Unfreiheit verstand, nun jemanden mit einer derartigen Vergangenheit unterstützt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer des SED-Regimes.

Die neue Volkskammer

Es scheint, als wolle Mario Voigt den Thüringer Landtag in eine Neuauflage der DDR-Volkskammer verwandeln. Dort wurde nicht debattiert, sondern abgenickt. Die Abgeordneten des neuen „demokratischen Blocks“ scheinen diesen Geist bereitwillig zu übernehmen. Wenn die großen Entscheidungen mit der neuen Einheitsfront getroffen werden, was bleibt dann noch für die Öffentlichkeit? Nichts außer einer Fassade demokratischer Prozesse.

Dieses Modell hat weniger mit demokratischem Pluralismus zu tun als mit der Inszenierung von Einheit. Man könnte es auch „Brandmauerblocknostalgie“ nennen, denn es handelt sich um einen ironischen Rückgriff auf die Geschichte, der sich seiner eigenen Lächerlichkeit nicht bewusst ist.

Die CDU: Eine Partei ohne Prinzipien

Die Thüringer CDU hat mit diesem Tabubruch ihren Status als prinzipienlose Machtmaschine zementiert. Es genügt ein Blick auf die Geschichte der Partei, um die Dimension des Verrats zu erfassen. Konrad Adenauer und Helmut Kohl, die großen Architekten der Nachkriegs-CDU, würden sich im Grabe umdrehen. Die Partei, die einst Freiheit und Demokratie im Kampf gegen den Sozialismus verteidigte, koaliert nun mit einer Partei, die aus der SED hervorgegangen ist und deren politisches Erbe weiterführt.

Die Zusammenarbeit mit der Linkspartei und die Koalition mit der neuen Wagenknecht-Partei, einem ideologischen Ableger der Linken, pervertieren nicht nur den Unvereinbarkeitsbeschluss, sondern jede Form von politischer Glaubwürdigkeit.

Ein düsteres Zukunftsbild

Was bleibt von dieser politischen Farce? Eine weitere Beschädigung des Vertrauens in die selbstproklamierten demokratischen Institutionen, eine CDU ohne Richtung und eine Linke, die triumphiert, ohne offiziell an der Regierung zu sein. Wenn dieser Trend anhält, könnte Thüringen einen Vorgeschmack geben auf eine neue politische Ära, in der Machtkalkül und Opportunismus über alle Prinzipien triumphieren.

Die CDU in Thüringen hat bewiesen, dass es keine Werte gibt, die nicht geopfert werden können, wenn es um den Machterhalt geht. Und das Schlimmste daran: Sie tut dies nicht aus Notwendigkeit, sondern aus purer Selbstvergessenheit – ein trauriges Lehrbeispiel für die zukünftige Erosion einer demokratischen Kultur.

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Author: Gast Autor
Journalistenwatch

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