• 14. November 2024

Öl und Gas, Steuerung der Migration und Sanktionen gegen Russland: Das sind die wichtigsten Themen der ersten Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz in die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens, bei der er zuerst in Usbekistan Station macht.

ByJörg

Sep 15, 2024

Der SPD-Politiker landete am Nachmittag im Samarkand, einer fast 3.000 Jahre alten Handelsstadt an der Seidenstraße, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.

Dort sollten noch am Abend mehrere Vereinbarungen unterzeichnet werden – unter anderem ein Migrationsabkommen. Es soll der Zuzug von Fachkräften unter anderem im Pflege- und Gesundheitsbereich und die Rückführung von Usbeken ohne Bleiberecht in Deutschland erleichtern. Bei letzterem Punkt geht es allerdings nur um 203 Personen (Stand 31. Juli). Das sind weniger als 0,1 Prozent aller 225.000 ausreisepflichtigen Migranten in Deutschland.

Sechstes Migrationsabkommen

Abkommen mit einzelnen Herkunftsländern sind ein zentraler Bestandteil der Migrationspolitik der Ampel-Regierung. Um sie auszuhandeln, hat sie mit Joachim Stamp eigens einen Beauftragten eingesetzt, der Scholz ebenso wie Innenministerin Nancy Faeser auf seiner Reise begleitet. Erst am vergangenen Freitag wurde in Berlin ein Migrationsabkommen mit Kenia unterzeichnet, mit Indien, Georgien, Marokko und Kolumbien gibt es solche Vereinbarungen schon länger. Mit Moldau und Kirgistan sind die Verhandlungen bereits weit fortgeschritten, und auch mit den Philippinen und Ghana laufen Gespräche.

Usbekistan ist als Nachbarland Afghanistans auch eins der Länder, das bei der Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan helfen könnte. Es sei aber noch unklar, „ob und mit welchem Zeithorizont sich das praktisch materialisiert“, heißt es aus Regierungskreisen. Deutschland schiebt seit Ende August wieder Straftäter in das von den radikalislamischen Taliban regierte Afghanistan ab. Der erste Flug wurde mit Hilfe von Katar organisiert.

„Perle des Orients“: Kulturprogramm zum Auftakt

Seinen Besuch in Samarkand, auch „Perle des Orients“ genannt, begann Scholz gleich nach seiner Ankunft mit einem Gang über den Registan, einen der prächtigsten Plätze Asiens. Dort war auch ein Besuch der Tilla-Kori-Moschee aus dem 17. Jahrhundert geplant.

Das Land mit seinen gut 36 Millionen Einwohnern öffnet sich seit Jahren stärker dem Westen. Unter dem Präsidenten Schawkat Mirsijojew hat es eine Vielzahl liberaler Reformen durchgezogen, Teile seiner Staatswirtschaft privatisiert und so auch Investoren angelockt. Allein in diesem Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent erwartet – auch dank der engen Handelsbeziehungen zu China und Russland.

Zentralasien-Gipfel in Kasachstan

Am Montag reist Scholz weiter nach Kasachstan, in das größte und wirtschaftsstärkste Land Zentralasiens. Dort ist ein Gipfeltreffen mit allen fünf Staaten der zwischen Russland und China gelegenen Region geplant, zu denen auch noch Kirgistan, Turkmenistan und Tadschikistan zählen. Scholz will die Beziehungen zu diesen Ländern ausweiten und hat dazu vor einem Jahr in Berlin mit ihnen bereits eine strategische Partnerschaft mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Energie, Klima und Umwelt vereinbart. Diese soll nun mit Leben gefüllt werden.

Die fünf zentralasiatischen Staaten haben zusammen knapp 80 Millionen Einwohner und damit etwas weniger als Deutschland. Ihre Fläche ist aber elfmal so groß wie Deutschland und entspricht ungefähr dem Gebiet der gesamten Europäischen Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten. Lange Zeit stand die Region aus deutscher Sicht im Schatten der beiden Großmächte China und Russland, auf die sich das Interesse der deutschen Wirtschaft konzentrierte.

Der russische Angriff auf die Ukraine hat das geändert. Russland fällt als lange Zeit wichtigster Energielieferant Deutschlands aus. Und die wirtschaftliche Abhängigkeit von China soll vor allem wegen der schlechten Erfahrungen mit Russland nun ebenfalls verringert werden. Die Bundesregierung will deswegen in Afrika, Lateinamerika und Asien bestehende Partnerschaften zu weniger wirtschaftsstarken Ländern vertiefen und neue Partner finden.

Rohstoffreichtum und Menschenrechtsverletzungen

In den zentralasiatischen Staaten sind die Rohstoffvorkommen für Deutschland besonders interessant. So versorgt Kasachstan als wirtschaftsstärkstes Land der Region jetzt schon die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt mit Öl und gleicht die Kappung der russischen Lieferungen aus. Die Bundesregierung ist zudem an den Gasvorkommen in der Region interessiert. Kasachstan verfügt aber auch über Uran, Eisenerz, Zink, Kupfer oder Gold und gilt als potenzieller Partner für die Produktion von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.

Die autoritär geführten Staaten der Region stehen allerdings wegen Menschenrechtsverstößen international in der Kritik. Das gasreiche Turkmenistan etwa gilt als eine abgeschottete Diktatur ähnlich wie Nordkorea. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte Scholz vor der Reise auf, Missstände offen anzusprechen. „Die Bundesregierung kann nicht so tun, als seien engere Beziehungen zu Zentralasien ohne eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtslage in der Region möglich“, sagte Regionaldirektor Hugh Williamson.

Scholz will Umgehung von Sanktionen „angemessen ansprechen“

Für die zentralasiatischen Staaten ist die Intensivierung der Beziehungen mit dem Westen ein Spagat. Einerseits sind sie wirtschaftlich eng mit Russland verflochten. Andererseits betonen sie, dass sie das Sanktionsregime der westlichen Staaten gegen Russland unterstützen. Wie ernst es zum Beispiel Kasachstan damit meint, ist aber fraglich.

Exporte von dort nach Russland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine teils deutlich angestiegen. Das nährt den Verdacht, dass Unternehmen westlicher Staaten gezielt versuchen, Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf dem Umweg über diese Länder zu umgehen. Kasachstan hat eine 7.000 Kilometer lange Grenze zu Russland.

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