Sie tragen Warnwesten, sie filmen mit Bodycams, sie sprechen Arabisch – und sie tun das, wofür es in einem Rechtsstaat eigentlich Polizei und Grenzschutz gibt: kontrollieren, wer ins Land kommt. Nein, es geht nicht um eine neue Sondereinheit. Es geht um niederländische Bürger, die die Kontrolle nicht nur in die eigene Hand nehmen – sondern bis an die deutsch-niederländische Grenze tragen.
Was wie ein satirischer Plot aus einer dystopischen Netflix-Serie klingt, ist Realität: Bürgerwehren aus den Niederlanden patrouillieren rund um Bad Bentheim und Lingen, stoppen auffällige Fahrzeuge, sprechen mutmaßlich illegale Migranten an – und informieren die Polizei. Selbstgedruckte Westen mit dem Aufdruck „Grenzschutz“ inklusive.
In deutschen Medien sorgt das für Kopfschütteln. Für Nervosität. Und für die reflexhafte Frage: Dürfen die das überhaupt? In Talkshows würde spätestens jetzt von „Selbstjustiz“ gesprochen, vielleicht sogar von „rechtem Gedankengut“. In Deutschland würden solche Leute nicht nur diffamiert – sie würden Besuch von der Polizei bekommen. Und zwar nicht als Dank, sondern mit Durchsuchungsbefehl.
Was ist da los, im kleinen Königreich hinter dem Deich? Wie kommt es, dass unsere so fortschrittlichen Nachbarn etwas tun, was in Deutschland längst tabu ist: sichtbar widersprechen? Statt sich in Foren zu empören, wird dort gehandelt. Statt Sonntagsreden über Integration gibt’s dort Freitagsfahrten mit dem Funkgerät. Und statt sich für das eigene Unbehagen zu schämen, ziehen diese Menschen es an wie eine Uniform – in Neonorange. Dass Bürger zu solchen Mitteln greifen, mag viele beunruhigen – aber es ist längst Folge, nicht die Ursache des Problems.
Die Politik ist gespalten. Während der kommissarische Migrationsminister David van Weel – die reguläre Regierung ist im Streit um die Begrenzung der Migration zerbrochen – zur Mäßigung aufruft („Frustration ist verständlich, aber nehmen Sie das Gesetz nicht selbst in die Hand“), spricht Geert Wilders von einer „fantastischen Initiative“. Er kündigt sogar an, bei der nächsten Kontrolle persönlich mitzumachen. Der eine verspricht: Der Staat wird es richten. Der glaubt ihm nicht – und sagt: Dann tun wir es eben selbst.
Natürlich bleibt auch in den Niederlanden der Rechtsstaat zuständig. Natürlich darf niemand festgenommen werden, der nur „verdächtig aussieht“. Aber darum geht es nicht. Es geht um das Prinzip: Bürger trauen sich etwas. Sie sagen, was sie sehen. Sie nehmen ihre Grenzen ernst – weil der Staat es nicht mehr tut. Man muss das nicht gutheißen – aber ignorieren lässt es sich nicht mehr.
Der Kontrast zu Deutschland ist brutal. Hier ist schon der Verdacht ein Verdacht, das Wort „Grenze“ ein Reizbegriff. Die Parole „Wir haben Platz“ wurde zum Totschlagargument gegen jede Diskussion. Dabei hat das Land längst keinen Platz mehr – weder in den Wohnungen noch in den Kitas, weder in den Turnhallen noch im Sozialsystem. Aber wer das sagt, gefährdet angeblich den gesellschaftlichen Frieden. Die niederländische Bürgerwehr dagegen sagt es nicht. Sie handelt.
Und ja, auch in den Niederlanden gibt es Kritik. Auch dort sehen einige ein rechtliches Graufeld. Aber der entscheidende Unterschied: Dort führt das nicht zum Maulkorb, sondern zur Debatte. In Deutschland führt derselbe Impuls zur Hausdurchsuchung – oder zur beruflichen Vernichtung.
Vielleicht liegt genau hier die Antwort. Vielleicht ist das, was uns trennt, nicht das Recht – sondern der Mut. Der Mut, einen Missstand nicht nur zu erkennen, sondern ihn auch zu benennen. Und daran fehlt es in Deutschland nicht zufällig. Er wurde uns abtrainiert. Mit moralischem Hochdruckreiniger. Mit einem Meinungskorridor, der so eng ist, dass selbst Dänemark darin nicht mehr Platz hätte.
Ob die niederländischen Bürgerkontrollen ein Modell für ganz Europa sind? Schwer zu sagen. Aber sie sind ein Spiegel. Und was wir darin sehen, ist für Deutschland kein schöner Anblick.
Denn dort, wo Bürger handeln, müssen wir fragen: Warum dürfen sie das – und wir nicht?
Und noch dringlicher: Wie lange wollen wir noch so tun, als sei das ein Fortschritt?
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